Josh Malerman ist mit seinem Debüt "Bird Box" gelungen, wovon viele junge Autoren träumen: Der Roman wurde ein unglaublicher Erfolg. Er wurde für sein Werk nicht nur für mehrere Literaturpreise nominiert, ihm wurde noch dazu schon vor der Veröffentlichung angeboten, dass man das Buch als Film adaptiert. Im Dezember 2018 war es dann soweit, der Film erschien auf Netflix und wurde auch hier ein Hit.

Josh Malerman sprach mit unserer Redakteurin Abby West über die Entstehung von "Bird Box" und darüber, wie es ist, wenn die eigene schriftstellerische Arbeit in ein anderes Medium übersetzt wird.

Josh Malerman Interview

Josh, redest du eigentlich noch gerne über deinen Debütroman?

Ich weiß, man könnte denken, dass das nicht der Fall sein könnte. Tatsächlich habe ich "Bird Box" gerade erst wieder gelesen, weil der Film herauskommt und ich wieder mehr darüber spreche.

Bird Box war zwar das erste Buch, das 2014 veröffentlicht wurde, aber geschrieben hast du es schon vorher, oder?

Die Rohfassung war 2006 fertig. Danach habe ich insgesamt erstmal 14 Romane verfasst. "Bird Box" war allerdings der erste, den wir schließlich zur Veröffentlichung angeboten haben. 2012 wurden die Rechte vom Verlag gekauft. Etwa zur gleichen Zeit sind Universal Studios auf das Buch aufmerksam geworden. Netflix hat es dann von Universal übernommen. Es gab also tatsächlich den ungewöhnlichen Zeitpunkt, an dem ich ein unbekannter Autor ohne Veröffentlichung war, Universal die Filmrechte an dem Buch aber schon gekauft hatte. Du kannst dir vorstellen, wie aufregend und gleichzeitig surreal dieser Moment war.

Bird Box

Ich habe gehört, dass man sagt, man wird erst durch die Überarbeitung von von Texten zum Schriftsteller. Jetzt verstehe ich das.

Josh Malerman, Autor von „Bird Box“

In "Bird Box" geht es um eine Welt, in der die Menschen nur überleben, wenn sie mit verbundenen Augen durch die Welt gehen. Denn, wenn sie die Binden abmachen, könnten sie etwas sehen, das sie verrückt werden lässt. Es ist der rasche Zerfall dieser Welt, der bei mir von Anfang an Entsetzen auslöst. Wie bist du auf diese Idee gekommen?

Uns allen wird gesagt, dass unser Verstand nicht in der Lage sei, das Konzept von Unendlichkeit zu verstehen, dass wir verrückt würden, wenn wir es versuchten. Stell dir vor, dass dieses Konzept in deiner Stadt die Straße entlang gehen würde, als Person oder zumindest soweit personifiziert, dass man sie als Kreatur bezeichnen kann. Was passiert dann? Das war mehr oder weniger die Idee des Buches. Außerdem fand ich einfach das Bild dieser Frau mit ihren beiden Kindern, die mit verbundenen Augen auf einem Fluss auf der Flucht sind, toll. Es gab also ein Bild und eine Idee.

Und wie ging es weiter?

Ich habe angefangen über Malorie an diesem Fluss zu schreiben. Nach zwei Seiten fragte ich mich, wovor sie eigentlich flieht? Warum können diese Menschen ihre Augenbinden nicht abnehmen? Und das habe ich kombiniert mit dieser anderen Idee von der Unendlichkeit, die in die Stadt kommt, in Form von etwas, das bedrohlich ist, einfach nur, weil es existiert. Dann wurde mir klar, dass diese Frau vor der Unendlichkeit flieht. Sie flieht vor etwas, das sie nicht verstehen kann, das niemand verstehen kann. Von da ab explodierte das Buch. An der Rohfassung habe ich nur etwa 26 Tage lang geschrieben, etwa 4300 Wörter pro Tag. Ich hatte nie das Gefühl, nicht zu wissen, was ich schreiben soll. Es war eine der ergiebigsten künstlerischen Phasen meines Lebens.

Es ist also nur so aus dir herausgesprudelt, während die Überarbeitung etwas mehr... Ängste gekostet hat?

Ja, genauso war es. Ich habe gehört, dass man sagt, man wird erst durch die Überarbeitung von Texten zum Schriftsteller. Jetzt verstehe ich das. Ich muss das Buch elfmal umgeschrieben haben.

Wie ähnlich sind sich denn dein Werk und das adaptierte Drehbuch?

Der fertige Entwurf folgt den Regeln der Rohfassung und der Film folgt den Regeln des Buches. Aber es gibt verblüffende Unterschiede. Malorie ist hingegen ziemlich gleich geblieben. Ich würde sogar sagen, Sandra Bullock ist ihr sehr ähnlich. Sie scheint mir genau wie im Buch. Für mich war es eher so, als hätten sich die Dinge in ihrer Umgebung geändert, allerdings nicht in einer Weise, die den Regeln der Geschichte oder den Regeln des Buches widersprechen würde.

Hattest du irgendeinen Einfluss auf das Drehbuch?

Die Produzenten waren durchweg sehr freundlich. Ich ging nach Los Angeles und sprach mit ihnen, sie fragten mich: „Wie würdest du das im Film machen?“ Ich habe mit jedem potenziellen Drehbuchautor gesprochen, bevor Eric Heissererdafür engagiert wurde. Ich ging ans Set und sah mir Szenen an. Mein Manager ist auch einer der Produzenten des Films. Ich würde nicht sagen, dass ich wirklich viel zu sagen hatte, aber man hörte mir zu. Es war eine sehr herzliche und angenehme Erfahrung. Wir hatten vielleicht nicht viel zu bestimmen, aber wir wurden einbezogen.

Das heißt, du warst mit den Unterschieden und Änderungen einverstanden und hast gesehen, was die Produzenten antreibt.

Selbst, wenn ich bei dem Film Regie geführt hätte, wenn ich mitgespielt hätte, wenn ich das Drehbuch geschreiben hätte - und keines dieser drei Dinge habe ich getan - wäre es trotzdem nicht mein Buch geworden. Als ich zu dieser Erkenntnis gelangte, war ich froh, dass es in Sandra Bullocks, Susanne Biers und Eric Heisserers Händen lag. Es gab nur eine Sache, um die ich mir Sorgen gemacht habe.

Und welche war das?

Es ging darum, ob sie die Kreatur zeigen würden oder nicht. Denn im ersten Entwurf des Drehbuchs lauerte diese Kreatur im Supermarkt hinter der Tür eines Gefrierschranks. Ich dachte: „Nein, nein, nein, nein, nein, nein. Wir sollen nicht einmal einen Fingernagel von diesem Ding sehen. Oder herausfinden, ob es überhaupt einen hat.“ Ich machte mir also Sorgen. Es wurde sich aber letztendlich dagegen entschieden.

Sprechen wir ein bisschen über die amerikanische Audioversion, in der Bird Box von Cassandra Campbell gesprochen wird. Wann und wie hast du sie zum ersten Mal gehört?

Cassandra Campbell hat es toll gemacht. Sie hat die Spannung des Buches gut übersetzt. Das ganze Buch hindurch habe ich ein bestimmtes Gefühl, wie eine stark gespannte Gitarrenseite. Cassandra hat es geschafft, im Hörbuch eine ähnliche Atmosphäre zu schaffen. Die Spannung ist sehr stetig, es wird immer ein bisschen angespannter und ein bisschen angespannter.

Ich konnte kreativ zum Hörbuch von [Unbury Carol] beitragen, einfach indem ich mit [Erzähler Dan John Miller] sprach, und das war ziemlich cool.

Josh Malerman, Autor von „Bird Box“

Erzähl ein bisschen über deinen neuen Roman "Unbury Carol". Dan John Miller spricht das Hörbuch.

Dan John Miller ist in Detroit und Umgebung legendär. Er ist ein brillanter Songwriter, ein Schauspieler und er arbeitet als Synchronsprecher. Er ist ein Gentleman der alten Schule. Er hat in "Walk the line" einen Gitarristen gespielt. Als ich erfuhr, dass "Unbury Carol" ein Hörbuch werden sollte, brachte ich seinen Namen ins Spiel. Ich schrieb meinem Redakteur: „Hey, da ist ein Typ, der zufällig aus derselben Gegend kommt wie ich. Würdest du ihn in Betracht ziehen?“ Sie entschieden sich für ihn.

Wie lief die Zusammenarbeit?

Ich konnte kreativ zum Hörbuch von Unbury Carolbeitragen, einfach indem ich mit Erzähler Dan John Millersprach, und das war ziemlich cool. Er rief mich am Tag vor der Studioaufnahme und fragte: "Was hältst du von dieser Stimme für Smoke? Was hältst du von dieser Stimme für Carol?" Er machte am Telefon Stimmen nach und fragte mich, wie man diesen Nachnamen, diese Stadt ausspricht. Das ist dann durchgeschlagen: Wie der Name Carol Evers [ausgesprochen "Eeevers"]. Wenn jemand sie beim Lesen im eigenen Kopf Carol Evers (ausgesprochen "Ehvers") nennen würde, wäre das egal. Aber als Dan mich fragte, musste ich offiziell entscheiden, wie man den Namen richtig ausspricht.

Willst du die Zusammenarbeit mit denselben Sprechern fortführen?

Das nächste Buch, "Inspection", verlangt etwas Kälteres, fast wie "Bird Box". Ich würde mich gerne mit den verschiedenen Audioeffekten auseinandersetzen. Vielleicht erzähle ich ein Hörbuch, während echte Sprecher die Charaktere spielen. Kein volles Hörspiel, aber ein bisschen Dynamik für ein Buch wäre eine interessante Sache. Ich habe sogar darüber nachgedacht, ein Hörbuch zu schreiben, das nur in dieser Form veröffentlicht würde. Vielleicht eine Hörbuchserie, so etwas. Daher würde ich mich gerne mehr an der Produktion beteiligen. Wer weiß, vielleicht klässt sich das schon für "Inspection" umsetzen.

Ist das eine Andeutung?

Das interessiert mich sehr. Soundsysteme werden mit Surround-Sound immer weiter entwickelt. Ich sehe ein Fußballspiel im Haus meines Vaters, ich höre die Menge hinter mir und die Moderatoren vor mir. Die Audiotechnologie hat sich weiterentwickelt. Für mich ist es also eine natürliche Erweiterung, dass das Hörbuch dynamischer wird, weil das Medium selbst immer besser wird.

Kannst du uns etwas über "Inspection" erzählen?

Sicher. "Inspection" handelt mehr oder weniger von einem Größenwahnsinnigen: ein wohlhabender Mann, der beschließt oder glaubt, dass das Genie vom anderen Geschlecht abgelenkt wird. So zieht er 26 Jungen auf, die keine Ahnung haben, dass Frauen existieren. Er denkt, dass diese Kinder nicht ihre ganze Energie darauf aufwenden sollen, das andere Geschlecht zu beeindrucken. Sie sollen all ihre Energie in Mathematik, Technik, Naturwissenschaften investieren. Er will Genies züchten. Natürlich ist dies ein schrecklich verhängnisvolles Experiment. Und auch das Buch würde keinen Spaß machen, wenn es keine Frauen gäbe. Deshalb gibt es auch eine Gruppe von 26 Mädchen, die ohne das Wissen um die Existenz von Männern großgezogen werden. Das Buch erzählt also mehr oder weniger das, was passiert, wenn diese beiden Schulen aufeinander treffen.

Das klingt hochspannend.

Es ist witzig, denn diese Rohfassung wurde 2007 geschrieben und dann habe ich es im letzten Jahr wieder von Grund auf neu geschrieben, wahrscheinlich etwa 85 Prozent davon. Ich hätte nie vorhersehen können, wie aktuell diese Idee mal werden könnte. "Inspection" ist für mich wie eine Gleichstellungshymne.

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