Es ist 19 Tage her, dass ich das letzte Mal Freunde von mir in echt zu Gesicht bekommen habe. Wo meine Monatskarte für die U-Bahn gerade ist, weiß ich nicht. Ist aber auch egal. Fahre eh keine U-Bahn mehr. Wohin auch? Für einen Auftrag unterwegs war ich das letzte Mal vor zwölf Tagen. Die Pilea auf meinem Fensterbrett hat 39 Blätter.

Sie ist eine von 21 Pflanzen in meiner Wohnung, mit denen ich in den letzten Tagen eine besonders enge Beziehung aufbauen konnte – das Basilikumpflänzchen, das ich mit meiner übermäßigen Aufmerksamkeit umgebracht zu haben scheine, ausgenommen.

Was macht es mit uns zu Hause zu bleiben?

Dass die soziale Isolation gerade absolut richtig ist, steht außer Frage. Im Gegensatz zum Basilikum werde ich davon auch nicht sterben. Aber so ein bisschen gaga fühlt man sich schon, wenn man so viel Zeit zu Hause verbringt. Allein. Umgeben von 21 Grünpflanzen.

Da liegt die Frage nahe, was diese Isolation mit einem macht. Der Mensch ist nun einmal ein soziales Wesen – das müssen sich in Zeiten, in denen soziale Interaktionen beinahe vollständig wegfallen, selbst die hartgesottensten Introvertierten eingestehen.

Antarktisforscher als Studienobjekt

Studien lassen nichts Gutes vermuten: Eine Untersuchung von Bewohnern einer antarktischen Forschungsstation, die 14 Monate lang im ewigen Eis waren, hat gezeigt, dass bei Isolation und Monotonie einige Bereiche im Gehirn schrumpfen können. Zum Beispiel der, der fürs räumliche Denken zuständig ist.

635 Tage im Eis

Die gute Nachricht: Wir mögen zwar gerade isoliert sein, sind aber noch längst nicht der gleichen reizarmen Umgebung ausgesetzt wie die neun Forscher, die für mehr als ein Jahr nur auf die immer gleichbleibende antarktische Eiswüste gestarrt haben. Wir haben Parks und Nachbarn (und Grünpflanzen), die uns visuelle Reize liefern können. Was außerdem gegen das Gehirnschrumpfen hilft: regelmäßige körperliche Aktivität.

Isolation als potenzieller Stressfaktor

Fakt ist aber auch: anhaltende soziale Isolation kann die Stimmung negativ beeinflussen, Stress und Schlafprobleme auslösen. Experimente mit Mäusen haben gezeigt, dass Nager, die über längeren Zeitraum keinen Kontakt zu ihren Artgenossen haben, aggressiv und ängstlich werden, gleichzeitig auf bedrohliche Reize überempfindlich reagieren.

Doch auch hier gibt es wieder gute Neuigkeiten: Uns ist der Kontakt zu Artgenossen glücklicherweise nicht gänzlich untersagt – er sieht momentan nur anders aus, als wir es gewohnt sind. Denn: soziale Isolation muss nicht Einsamkeit bedeuten. Dank moderner Technologien können wir mit unseren Lieben chatten, telefonieren oder per Videotelefonie gemeinsam Mittagessen.

Zusammen ist man weniger allein

Was tun gegen das Alleinsein?

Kleinreden lassen sich die Effekte der derzeitigen Situation trotzdem nicht, denn insbesondere, wer allein lebt, dürfte soziale Kontakte ziemlich schnell vermissen – und sich deshalb sogar mit seinen Pflanzen unterhalten.

Da Pflanzen nicht die redseligsten Gesprächspartner sind, müssen Freunde, Familie und Kollegen als Gesprächspartner herhalten. Netter Nebeneffekt der Krise: Auch Freunde, die sonst immer einen vollgepackten Terminkalender und kaum Zeit fürs Telefonieren haben, können sich jetzt Zeit für einen ausgiebigen Plausch nehmen.

Gut tut auch Ablenkung, zum Beispiel in Form von Hörbüchern, die ihr mit der Aktion Zu Hause mit Audible gerade sogar kostenfrei hören könnt. Hörbücher bieten nicht nur eine willkommene Flucht vom Alltag, sie können unter anderem auch die Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeitsspanne verbessern.

Glashaus: Die komplette 1. Staffel

Und wenn die Laune doch einmal im Keller ist? Psychologin Xenia Below rät, der miesepetrigen inneren Stimme bewusst fünf bis zehn Minuten Sendezeit zu erlauben, um einmal allem Ärger Luft zu machen. Danach ist es aber auch wichtig, achtsam und umsichtig mit sich selbst umzugehen und sich zu fragen, was man jetzt braucht, um sich wieder besser zu fühlen – das kann ein Spaziergang an der frischen Luft, ein selbstgekochtes leckeres Essen oder ein Telefonat mit der besten Freundin sein.