Dystopien, also Schreckensszenarien unserer Zukunft, der der Menschheit und der Welt, sind der Traum eines jeden Pessimisten: Immerhin malen sie in schillernden Farben – oder besser: in den wenig abwechslungsreichen Grau- und Blautönen, die die meisten dystopischen Szenarien dominieren – das Bild einer negativen Zukunft. In der Dystopie stellt sich die Frage gar nicht, ob das Glas halb voll oder halb leer ist, weil man das Wasser darin eh nicht trinken kann. Ist nämlich verseucht.

Trotz ihrer düsteren Zukunftsaussichten sind Dystopien – ob in Film oder Fernsehen, als Hörbuch oder Buch – extrem beliebt. Verwunderlich eigentlich, wenn man bedenkt, dass die Welt um uns herum sowieso schon sehr dystopisch anmutet.

Und dennoch, vielleicht haben sie eine gefühlsregulierende Wirkung: Wer unzufrieden mit dem allgemeinen Stand der Dinge, dem „mansplainenden“ Kollegen, den "unfähigen" Politikern oder Kabbeleien der Kinder ist, höre sich einfach Margaret Atwoods „Der Report der Magd an“, blicke sich danach um und denke, dass es ja doch gar nicht so schlimm ist.

Schaut man sich nämlich an, wie übel es den Menschen in der fernen Zukunft geht, wird einem schnell klar: Noch ist nicht alles verloren, noch lässt sich was retten. Für die nötige Portion Dankbarkeit haben wir hier einige Dystopien aufgelistet, von denen wirklich zu hoffen ist, dass sie nie wahr werden.

„Der Report der Magd“: Männer an der Macht

Religiöse Fundamentalisten haben in Nordamerika einen totalitären Staat errichtet, in dem Frauen größtenteils entmündigt wurden. Weil nach der atomaren Verseuchung Nordamerikas ein Großteil der Frauen unfruchtbar geworden ist, müssen nun diejenigen, die noch Kinder bekommen können, als Gebärmaschinen für hochrangige Politiker und deren Ehefrauen herhalten. Rechte haben Frauen grundsätzlich keine mehr, Andersartigkeit wird mit dem Tod oder Arbeitslager bestraft. Besonders beunruhigend an Margaret Atwoods Zukunftsvisionen: In Rückblenden berichtet die Protagonistin, wie es so weit kommen konnte – ein schleichender Prozess, der gar nicht mal so unvorstellbar erscheint.

Der Report der Magd

„Chaos Walking“: Gedankenlesende Männer in einer frauenlosen Welt

In dem neuen Hörbuch von Patrick Ness steht’s düster um die Menschheit: Ein Virus hat alle Frauen getötet und die Männer können nun die Gedanken der jeweils anderen hören. Als Protagonist Todd auf eine junge Frau trifft, stellt sich ihm jedenfalls nicht nur die Frage, wie es sein kann, dass sie lebt, sondern auch, wieso sie die Dauerschleife fremder Gedanken, die ständig in seinem Kopf widerhallen, durchbrechen kann – ein packender Science-Fiction-Thriller, der in Kürze auch als Film herauskommt.

Chaos Walking. Das Hörbuch zum Film

„Die Mauer“: Greta Thunbergs größter Albtraum

Nach einer Klimakatastrophe umfasst eine 10.000 Kilometer lange Mauer die Küste Großbritanniens, das sich vor Klimaflüchtlingen zu schützen versucht. Auf genau dieser Mauer tritt Joseph Kavanagh tritt seinen Dienst an in der Hoffnung, danach dahinter leben zu dürfen. Als Arbeitsplatz taugt die Mauer herzlich wenig: ständig ist es kalt, windig, regnerisch – und noch dazu höchst gefährlich. Denn diejenigen, die nicht im Schutz der Mauer leben und nach der Klimakrise alles verloren haben, sind zu allem bereit, um sich ein wenig Sicherheit zu erkämpfen.

Besonders interessant: Joseph berichtet in Rückblenden von dem Verhältnis zu seinen Eltern, das mehr als schwierig ist. Er macht ihnen (verständlicherweise) Vorwürfe, weil sie die Klimakatastrophe haben kommen sehen und nichts dagegen unternommen haben.

Die Mauer

„Vox“: Stummschaltung aller Frauen

In den USA haben radikale Christen die Macht übernommen, die von Frauenrechten und Gleichberechtigung herzlich wenig halten. Stattdessen entmündigen sie sie nach und nach, setzen lieber auf klare Geschlechter- und Rollentrennung. Frauen müssen ihre Berufe aufgeben, um sich um die Familie zu kümmern. Wählen dürfen sie auch nicht mehr. Generell werden Frauen nicht unbedingt dazu ermutigt, ihre Meinung zu äußern: Sie werden größtenteils zum Schweigen gebracht und dürfen nur noch 100 Wörter am Tag reden – was nicht viel ist, wenn man bedenkt, dass allein dieser Absatz inklusive Überschrift 99 Wörter umfasst. Ziemlich wenig, nicht wahr?

Vox

„Tribute von Panem“: Jeder gegen jeden

So cool Katniss in ihrem schwarzen Bodysuit auch aussehen mag, mit ihr tauschen will wohl kaum einer. Sie lebt nämlich in einem Nordamerika, das von Kriegen und Naturkatastrophen zerstört wurde, und in dem dann – als wäre das nicht schon übel genug – auch noch ein totalitäres Regime das übriggebliebene Land in Distrikte aufgeteilt hat, die es systematisch ausbeutet und unterdrückt. Um den Distrikten zu zeigen, wer hier der Boss ist, führt das Kapitol jährlich die sogenannten Hungerspiele aus. Als müssten die Bewohner der Distrikte nicht sowieso schon dauernd hungern, müssen sie hier auch noch gegeneinander kämpfen, bis ein Gewinner oder eine Gewinnerin übrig ist.

Tödliche Spiele

„American War“: Bürgerkrieg, die Zweite

Amerika gegen Ende des 21. Jahrhunderts: Teile des Landes stehen auf Grund des steigenden Meeresspiegels unter Wasser, das Land ist in zwei sich bekriegende Parteien gespaltet. Im Norden regieren die Blauen, im Süden die Roten. Der Bürgerkrieg bringt zersplitterte Rebellengruppen hervor, die alle ihre eigene Agenda verfolgen, und löst zudem eine gigantische Flüchtlingswelle aus.

Autor und Kriegsberichterstatter Omar El Akkad hat hier seine Beobachtungen aus Syrien eingebracht und zeigt damit auf, dass Bürgerkriege nicht nur in den sogenannten Dritte-Welt-Ländern geschehen können.

American War

„Alles was wir geben mussten“: Menschenleben verlängern um jeden Preis

In dieser Geschichte steht die Dystopie im Hintergrund, denn es geht vielmehr um zwei Heranwachsende, die nach und nach erst erfahren, dass ihr Weg im Leben bereits vorbestimmt ist. Menschliches Leben wird nämlich durch eigens herangezüchtete Klone verlängert – und die Kinder, um die es hier geht, dienen denen, die es sich leisten können, als Organreservoir.

Alles, was wir geben mussten