Welche Bücher empfiehlt Elke Heidenreich? Eine Auswahl von Elke Heidenreichs Buchtipps aus dem „Spiegel“: vier Romane, zwei Biografien und ein Geschichtskrimi.
Ein Lob von ihr beflügelt Schriftstellerkarrieren und lässt die Kassen der Buchhändler klingeln: Elke Heidenreich ist die einflussreichste Literaturvermittlerin Deutschlands. Seit sie 1993 den „Literaturclub“, eine Sendung des Schweizer Fernsehens, moderierte, ist ihre Stimme für den deutschsprachigen Literaturbetrieb immer wichtiger geworden. Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der FAZ, sagte einmal: „Vor Elke Heidenreich hat es niemals eine so machtvolle Literaturkritikerin gegeben, auch nicht im 20. Jahrhundert.“
Dabei macht Elke Heidenreich keinen Hehl daraus, dass ihr persönlicher Geschmack der Maßstab ihrer Buchempfehlungen ist. Leidenschaftlich, klug und eloquent wirbt die passionierte Leserin für die Bücher, die sie liebt. Genauso temperamentvoll kann sie aber auch austeilen. „Grass, Walser, diese eitlen, alten Männer, die den Mund nicht halten können!“ schimpfte Heidenreich einmal. Ein anders Mal zog sie über ihren damaligen Arbeitgeber, das ZDF, her – und verlor prompt ihren Job.
Langfristig geschadet hat ihr ihre Direktheit nie. Im Gegenteil. Elke Heidenreichs Buchtipps im „Spiegel“ oder WDR 4 werden gesehen, gelesen und gehört – garantieren sie doch in aller Regel uneingeschränktes Lesevergnügen. Mit ihren Buchempfehlungen hat Elke Heidenreich so schon manchem Autor zu einem Platz auf der Bestsellerliste verholfen. Sie weiß einfach, wer schreiben kann. Dass sie selbst eine wunderbare Schriftstellerin ist, hat sie mit 22 eigenen Büchern unter Beweis gestellt – von der doppelbödigen Katzengeschichte „Nero Corleone“ bis hin zu ihrem aktuellen Kurzgeschichtenband „Ihr glücklichen Augen“.
Diese vier Romane haben es Elke Heidenreich 2022 besonders angetan – wir stellen ihre Buchempfehlungen vor.
Im Jahr 1961 steht die amerikanische Chemikerin Elizabeth Zott schwanger, arbeitslos und mutterseelenallein da. Doch Elizabeth ist keine Frau, die sich unterkriegen lässt. Als sie die Chance bekommt, eine Kochsendung zu moderieren, greift sie zu – und krempelt die Show gehörig um. Ihr unverblümtes Selbstbewusstsein wirkt ansteckend. Und plötzlich beginnen Frauen im ganzen Land, umzudenken.
Bonnie Garmus hat mit Eine Frage der Chemie eines der erfolgreichsten Bücher des Jahres hingelegt. Eine Serienadaption mit Brie Larson in der Hauptrolle ist bereits abgedreht. Auch Elke Heidenreich empfiehlt diesen „Granatenroman“ uneingeschränkt.
Ich habe lange nicht ein so unterhaltendes, witziges und kluges Buch gelesen, wie dieses.
Elke Heidenreich
Julius Varga ist der Parteichef der Jungen Mitte und der jüngste österreichische Kanzler aller Zeiten. Er ist das große Vorbild des namenlosen Ich-Erzählers, der in Vargas teurem Apartment die Blumen gießt. Und beginnt, ihn immer mehr zu kopieren: vom Anzug über das Lachen bis hin zu seinem zynischen Weltbild.
Elke Heidenreich erinnert Elias Hirschls satirischer Roman Salonfähig an Bret Easton Ellis „American Psycho“ – wenn es auch weniger brutal und leichter zu lesen sei. Der Roman wurde als Schlüsselroman der Ära Sebastian Kurz aufgefasst.
Das ganze Buch lässt schaudern vor toxischer Männlichkeit, leeren Hirnen und verrotteten Machtstrukturen. Eine glänzende Satire, die zeigt, was von politischen Menschen übrigbleibt, wenn man den Menschen quasi herausschält und nur noch die rhetorische und modische Hülle hinstellt.
Elke Heidenreich
Wie kommt man am besten durchs Leben? Willy versucht es mit Ehrlichkeit und anständiger Arbeit. Seinem Freund Horst ist dagegen jedes schmutzige Geschäft recht, wenn es nur Geld einbringt: Er trickst, betrügt, prügelt sich – und zieht Willy mit in einen gefährlichen Abwärtsstrudel. Doch die Freundschaft zwischen den beiden ungleichen Männer hält ein Leben lang, von den letzten Kriegsjahren bis zum Jahre 2010.
Christian Baron hat sich für seinen Roman Schön ist die Nacht von der Lebensgeschichte seiner Großväter und weiterer Familienmitglieder inspirieren lassen. Er erzählt von zwei Männern, die sich abstrampeln, um aus den prekären Umständen, in die sie hineingeboren wurden, irgendwie herauszukommen. Heidenreich, selbst Arbeiterkind, hat ein Herz für die sogenannten „einfachen Leute“. Sie empfiehlt Christians Baron Roman, der „mit so viel Wut, mit Zorn, mit Liebe, mit Witz und Wehmut“ geschrieben wurde.
Sie werden lachen und Sie werden weinen.
Elke Heidenreich
Friederike Andermann, genannt Fred, ist seit 20 Jahren beim Auswärtigen Amt. Die Konsulin ist erfahren, ehrgeizig und lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Bis eine bekannte deutsche Influencerin in Uruguay verschwindet. Fred wird ihr zögerliches Verhalten zum Verhängnis – sie wird ins politisch aufgeheizte Istanbul versetzt. Dort soll sie sich um inhaftierte deutsch-türkische Künstler kümmern. Schnell muss Die Diplomatin erkennen, dass sie mit Worten nicht weiterkommt. Als sie sich in den Journalisten Daniel verliebt, wagt sich die sonst so geduldige Beamtin zum ersten Mal in ihrem Leben bis an den Rand der Legalität vor.
Lucy Frickes trockener Humor und die politische Aktualität des Romans haben es Elke Heidenreich angetan: Sie kann den „tollen Schmöker“ nur weiterempfehlen.
Das Buch ist politisch, es ist aktuell. Es ist aber auch ein richtiger Schmöker, weil die Diplomatin verliebt sich auch mal und es ist auch sehr lustig.
Elke Heidenreich
Zwei Biografien hat Elke Heidenreich 2022 in den wärmsten Worten gepriesen: die des Filmemachers Werner Herzog und die der Fotografin Bettina Flitner, die den Selbstmord ihrer Schwester verarbeiten muss.
Tintenfischangler, Rodeoreiter, Punktschweißer, Stereoanlagenschmuggler, Cowboy – Werner Herzog hat einiges gemacht und erlebt in seinem Leben. Das allein würde schon eine interessante Biografie abgeben. Aber dann ist Werner Herzog ja noch der Mann, der im Urwald ein 340 Tonnen schweres Schiff über einen Berg ziehen ließ – während sein Hauptdarsteller Klaus Kinski fast Amok lief. Der Mann, der Filme über Tsunamis, Vulkanausbrüche, Kindersoldaten, Mörder drehte und sich dafür nicht selten in Lebensgefahr brachte. „Er ist ein seltsamer, störrischer, sturer Kerl“, sagt Elke Heidenreich über den Ausnahmekünstler – und das ist eindeutig als Kompliment gemeint. Seine Biografie Jeder für sich und Gott gegen alle gehörte 2022 zu Elke Heidenreichs Lieblingsbüchern.
Also dieses Buch ist überwältigend, sehr persönlich, sehr direkt. Und das sollten Sie unbedingt lesen und nicht verpassen.
Elke Heidenreich
„Sie hat es getan. Sie hat sich das Leben genommen“. Das sind die Worte, mit denen Bettina Flitners Vater ihr ankündigt, dass ihre Schwester nicht mehr lebt. Genau wie ihre Mutter, die sich 33 Jahr zuvor ebenfalls das Leben nahm. Beide litten unter schwersten Depressionen. Bettina Flitner, erfolgreiche Fotografin und Ehefrau von Alice Schwarzer, reist in Meine Schwester weit zurück in die Vergangenheit, um zu erzählen: von der Kindheit und Jugend, von den vielen Umzügen. Und von den „schwarzen Raben“ – den Depressionen – die auf dem Fensterbrett sitzen und irgendwann zuschlagen. Das macht sie trotz des niederschmetternden Themas mit viel Witz und einer raffinierten Erzähltechnik, bei der Vergangenes und Gegenwärtiges ineinandergreifen.
Dieses Buch ist eine Erinnerungsarbeit und gleichzeitig ein wirklich tolles Stück Literatur.
Elke Heidenreich
Last but not least empfiehlt Elke Heidenreich 2022 ein Geschichtsbuch, das sich so spannend liest wie ein Krimi.
1848 springt der revolutionäre Funke von Frankreich ins zersplitterte Deutschland über. In den 34 deutschen Staaten und 4 freien Städten erheben sich die Menschen gegen die Willkür der Fürsten, der Polizei und des Militärs. Sie fordern direkte, allgemeine Wahlen, Grundrechte, Gewaltenteilung, sozialen Ausgleich. So beginnt der dramatische Kampf für die Grundlagen, auf der unsere heutige Demokratie fußt. Unter welchen Schmerzen sie errungen wurden, davon erzählt Jörg Bong kenntnisreich und zugleich so spannend, wie es wohl nur einem gewieften Krimiautor gelingt.
Jörg Bong war jahrelang Geschäftsführer der S. Fischer Verlage, ist den meisten Lesern aber wohl eher als Jean-Luc Bannalec bekannt. Unter seinem Künstlernamen verfasst er sehr erfolgreiche Frankreich-Krimis, die in seiner Wahlheimat, der Bretagne, spielen. Sein Geschichtsbuch Die Flamme der Freiheit „liest sich weg wie nichts“, versichert Elke Heidenreich in ihrer Buchempfehlung für den „Spiegel“.
Gescheit, abwechslungsreich, sehr spannend.
Elke Heidenreich
Titel | Autor |
---|---|
Eine Frage der Chemie | Bonnie Garmus |
Salonfähig | Elias Hirschl |
Schön ist die Nacht | Christian Baron |
Die Diplomatin | Lucy Fricke |
Jeder für sich und Gott gegen alle: Erinnerungen | Werner Herzog |
Meine Schwester | Bettina Flitner |
Die Flamme der Freiheit: Die deutsche Revolution 1848/1849 | Jörg Bong |
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