„Kiffen ist nicht cool. Es ist cool, nicht zu kiffen.“ Mit diesem schnittigen Spruch will die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig den Kids das Kiffen ausreden. Drogen – ganz gleich, ob Cannabis, Koks oder Krokodil – sind in Deutschland eher ein Tabuthema, eines, bei dem die meisten von uns gleich Bilder von heruntergekommenen Bahnhofstoiletten und vollkommen weggetretenen Junkies im Kopf haben.

Dabei ist Drogenkonsum keinesfalls eine Randerscheinung: Knapp ein Viertel der deutschen Bevölkerung hat schon einmal Drogen konsumiert. Am beliebtesten ist Cannabis, sowohl bei den Jugendlichen als auch den Erwachsenen.

Drogen im Alltag

„Es gibt sehr viele Menschen, die einen gut integrierten Freizeitkonsum von Substanzen pflegen“, weiß Dr. Andrea Jungaberle, Notfallmedizinerin, Anästhesistin und Autorin von „Yoga, Tee, LSD“. Sie stellt fest: „Der Konsum von psychoaktiven Substanzen und Drogen ist eine gesellschaftliche Realität. Die Menschen machen das halt. Ob wir darüber reden oder nicht, sie werden es immer tun.“

Und dass Drogen eben nicht nur in zwielichtigen Ecken in Bahnhofsnähe zu bekommen sind, ist ebenso klar. Fast jeder in Berlin Wohnende dürfte schon einmal vom Koks-Taxi gehört haben, einem Lieferdienst, den sicher nicht nur gestresste Unternehmensberater beanspruchen, wenn sie auf ihrer Afterwork-Party in Berlin-Mitte mal ein Näschen ziehen wollen. Die Story von der Schale mit Kokain auf der Bürotoilette, um die Belegschaft zu produktiven Überstunden zu motivieren, ist auch nicht mehr neu.

„Der Konsum von psychoaktiven Substanzen ist eine gesellschaftliche Realität.“

Dr. Andrea Jungaberle

Dabei ist es keinesfalls so, dass nur Menschen aus bildungsfernen Schichten Drogen konsumieren: Knapp die Hälfte aller Befragten des im Jahr 2018 durchgeführten Global Drug Survey haben einen Hochschulabschluss. Nach Cannabis ist Ecstasy das am häufigsten konsumierte illegale Mittel, gefolgt Amphetaminen, Kokain, LSD und Crystal Meth.

Tabuthema Drogen

Und dennoch: „Wir sind mit Drogen da, wo wir Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre mit dem Thema Sexualität waren“, sagt Dr. Jungaberle. „Genau wie man Teenie-Schwangerschaften aber nicht dadurch verhindert, indem man nicht über Sexualität spricht, verhindert man auch Drogenunfälle nicht dadurch, dass man nicht über Drogen spricht.“ Sie plädiert deshalb für einen offenen Umgang mit dem Thema Drogen, der auf Tatsachen basiert und die realen Gefahren beleuchtet.

Zu einem offenen Umgang gehören ihrer Meinung nach jedoch nicht die Vorurteile gegenüber Drogen, die immer noch weit verbreitet sind: „Diese Vorstellung, dass man einmal an einem Joint zieht und sofort auf der Straße landet, ist indiskutabel“, betont die Ärztin. Genauso wenig trifft die Behauptung zu, wer einmal Drogen nehme, hätte ein bleibendes Problem. „Es gibt sehr viele Menschen, die mal eine Phase in ihrem Leben haben, in der sie Drogen missbräuchlich nehmen. Das heißt nicht, dass die für den Rest ihres Lebens abhängig sind“, so Jungaberle.

Nicht alle Drogen sind illegal

Um tatsachenbasiert über Drogen sprechen zu können, lohnt es sich, erst einmal zu definieren, was Drogen überhaupt sind. Viele verbinden damit nämlich meist illegale Substanzen. Laut Duden ist eine Droge ein „pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Rohstoff für Heilmittel, Stimulanzien oder Gewürze“.

Dazu zählen folglich auch Zucker und Kaffee, die sich – wie Alkohol und Nikotin auch – auf den Energiestoffwechsel auswirken und stimulierende Effekte haben können. Der entscheidende Unterschied von Stoffen wie Zucker, Alkohol und Nikotin zu anderen psychoaktiven Substanzen: Sie sind (zum Teil ab einem bestimmten Alter) legal erhältlich.

Und während vor allem Alkohol gesellschaftlich als vollkommen akzeptabel gilt, herrscht bei anderen undifferenzierte Ablehnung.

„Viele Leute treffen die Entscheidung, ob sie pro oder contra Drogen sind, so ähnlich wie die Entscheidung, ob sie für oder gegen Bayern München sind: Man ist halt dafür oder dagegen. Warum, das kann man gar nicht so genau begründen“, sagt Dr. Jungaberle. Dabei können Wirkstoffe wie beispielsweise Psilocybin, das in Zauberpilzen vorkommt, schwer an Depression Erkrankten helfen.

„Mit undifferenzierter Ablehnung jagt man sein Kind eher in die Flucht.“

Dr. Andrea Jungaberle

Auch bei der Aufklärung von Kindern und Jugendlichen sieht Dr. Jungaberle eine Gefahr in der undifferenzierten Ablehnung jeglicher Drogen: „Damit jagen zum Beispiel Eltern ihre Kinder eher in die Flucht. Dann passieren vielleicht Sachen, die man mit ein bisschen gemeinsamer Beschäftigung mit dem Thema hätte verhindern können“, so die Ärztin. „Gute Entscheidungen zu treffen kann man lernen, aber man lernt es eben nur, wenn es mit einem geübt wird.“

Das Warum verstehen

Klar ist: Nicht nur illegale Drogen können sich schädlich auf die Gesundheit und die Psyche auswirken, auch ganz legale wie eben Alkohol können verheerende Folgen haben. Laut Bundesministerium für Gesundheit konsumieren 6,7 Millionen Menschen in Deutschland in gesundheitlich riskanter Form, 2,3 Millionen sind von Medikamenten abhängig und rund 600.000 weisen einen problematischen Konsum von Gras und anderen illegalen Drogen auf.

Ob es also reicht, Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, dass Kiffen einfach nicht cool ist? „Keiner nimmt einfach so Drogen, weil die gerade so herumliegen, sondern weil man damit einen Zustand erreichen oder von einem wegkommen will, der einem nicht gefällt“, meint Dr. Jungaberle. „Zu verstehen, warum ich etwas tue, hilft mir dabei, bessere Entscheidungen zu treffen.“