Ihr neues Hörbuch “ Schwestern des brennenden Himmels“ spielt am Ende des zweiten Weltkriegs. Warum haben Sie diese Zeit gewählt?
Weil wir die Auswirkungen noch heute spüren. Das fasziniert mich. Das Hörbuch spielt 1945 in den Tagen der Potsdamer Konferenz – und zeigt, wie Truman, Churchill und Stalin Deutschland aufgeteilt haben. Diese Entscheidungen beeinflussen das Weltgeschehen noch heute. Auch wenn die Entwicklungen schon vorher angelegt waren: der Kalte Krieg und auch Hiroshima sind unmittelbare Folgen aus den Ereignissen dieser Tage. Die Machtpositionen wurden neu geordnet. Wer unsere Gegenwart begreifen will, sollte sich mit diesen Ereignissen beschäftigen.
In „Schwestern des brennenden Himmels“ stehen zwei starke Frauen im Vordergrund. Warum haben Sie sich diesmal für weiblichen Helden entschieden, nachdem in Ihrer Erfolgsreihe „Gut Greifenau“ der Grafensohn Konstantin die zentrale Figur ist?
Die Perspektive der Frauen kommt oft zu kurz. In historischen Büchern steht zu lesen, wo Soldaten gekämpft oder wie Politiker Territorien neu aufgeteilt haben. Mich interessiert, wie es den Frauen währenddessen ergangen ist. Wie sie ihre Kinder durchgebracht und den Alltag im Krieg und unmittelbar nach Kriegsende erlebt und organisiert haben. Im aktuellen Hörbuch finde ich den Kontrast zwischen den Lebensentwürfen für Frauen des Nazi-Regimes, das die Frauen kleingehalten hat, und dem Mut der unerschrockenen Protagonistin Ann sehr spannend.
Ann hat ihre Familie und ihre Heimat verloren. Wie entwickeln Sie die Schicksale für Ihre Figuren?
Meinem Vater erging es ähnlich, er musste nach dem zweiten Weltkrieg aus Schlesien fliehen. Ich habe mit ihm viel über den Verlust von Heimat gesprochen. Aber auch die intensive Recherche über zwölf Jahre Nazi-Diktatur und besonders über die letzten Monate des Zweiten Weltkrieges hat bei mir viel ausgelöst: Ich habe zum ersten Mal nachgerechnet, ob mein Vater auch in der Hitlerjugend war. Zum Glück nicht, wie sich herausstellte. Er war einfach zu jung dafür.
Wie andere Figuren in Ihren Hörbüchern hütet Ann ein Familiengeheimnis. Was steckt hinter diesem wiederkehrenden Motiv?
Ich glaube, jede Familie hat Geheimnisse. In meinen Romanen schaue ich hinter die Fassade und bringe die großen und kleinen Lügen zum Vorschein. Je perfekter das Bild nach außen ist, desto mehr stimmt oft nicht. Das liest sich spannend. Und es ermutigt meine Leser, die eigene Familiengeschichte genauer unter die Lupe zu nehmen und unangenehme Fragen zu stellen. Wenn die Wahrheit ans Licht kommt, setzte es immer viel Energie frei. Werden Lügen oder Geheimnisse enttarnt, müssen sich alle anderen plötzlich neu orientieren.
„Schwestern des brennenden Himmels“ war von Anfang an als Hörbuch ausgelegt. Hat das Ihren Schreibprozess beeinflusst?
Die Recherche und der Aufbau war wie bei meinen anderen Büchern. Doch als ich anfing zu schreiben, habe ich dieses Mal zusätzlich auf akustische Signale hingearbeitet. Es war mir wichtig, dass die Szenen gut zu vertonen sind. Und ich habe besonders darauf geachtet, dass die Zuhörer sofort wissen, wer gerade spricht. Zum Schluss habe ich die Geschichte laut gelesen. Auf die Idee bin ich vorher nie gekommen. Es hat noch mal mein Augenmerk auf den Wortfluss und das Hörerlebnis gelenkt. Das war eine überraschende Erfahrung.
Haben Sie überlegt, das Hörbuch selbst einzusprechen?
Nein, den Job hätte ich mir nicht zugetraut. Ich habe das Hörbuch natürlich gehört und bin absolut begeistert. Tanja Fornaro hat die Gabe, mit ihrer Stimme Bilder im Kopf der Zuhörer zu zeichnen. Sie bringt meine Worte auf eine besondere Art zum Schwingen.
Was gefällt Ihnen besser: zuhören oder selbst lesen?
Ich mag beides. Das Wichtigste für mich sind gute Geschichten, die komplex und liebevoll erzählt sind und mich überraschen. Liest sie ein professioneller Sprecher vor, ist das oft ein besonderes Erlebnis. Wenn mich ein Roman beim Lesen sehr begeistert, höre ich es mir meist noch als Hörbuch an. Zuletzt war das der Thriller „Blackout“ von Marc Elsberg.
In ihren Büchern fällt auf, wie präzise die geschichtlichen Fakten recherchiert sind.
Da bin ich sehr genau. Schreibe ich über historische Ereignisse, sind sie hieb- und stichfest belegt. Ich erfinde nicht einfach, wann zum Beispiel der erste Bananendampfer in See stach. Diese korrekt recherchierten, und manchmal auch sehr überraschenden Details machen den besonderen Reiz meiner Geschichten aus. Sehr selten nehme ich mir kleinere künstlerische Freiheiten für eine gute Anekdote heraus. Das stelle ich aber im Nachwort richtig.
Hätten Sie gerne in einer anderen Zeit gelebt?
Ich finde es spannend, bei meinen Recherchen in den Alltag der Menschen von früher einzutauchen. Es interessiert mich herauszufinden, wie sie gelebt, geliebt und gelitten haben. Ich weiß aber auch, dass zum Beispiel in der Kaiserzeit nur ein Prozent der Menschen adelig waren, also ein privilegiertes Leben hatten. Aber selbst als eine von diesen Privilegierten hätte ich an einer einfachen Zahnentzündung sterben können. Deshalb fühle ich mich im 21. Jahrhundert besser aufgehoben.
Ist es denkbar, dass Ihr nächstes Hörbuch vielleicht doch in der Gegenwart spielt?
Wer weiß. Mein Pseudonym Hanna Caspian habe ich für historische Themen reserviert. Im echten Leben heiße ich Regina Gärtner, meine ersten Romane sind auch unter diesem Namen erschienen. In nächster Zeit geht mir allerdings der Stoff für Geschichten aus vergangenen Zeiten nicht aus. Meine Schubladen sind randvoll mit Ideen.
Reisen in die Vergangenheit: Weitere historische Romane von Hanna Caspian
Foto: Traumstoff