Katja, du bist Bestatterin. Spielt es für die Kunden oder männliche Bestatter eine Rolle, dass du eine Frau bist?

Bei den Kunden merke ich es tatsächlich überhaupt nicht. Als ich angefangen habe, habe ich immer darauf gewartet, dass die Angehörigen hereinkommen und sagen: „Huch, wer ist das denn? Da habe ich jetzt jemand anderen erwartet!“ Bisher kamen aber nur positive Bemerkungen. Und jetzt haben wir seit einer Weile Fotos von allen Mitarbeitern auf der Website, deswegen kennen uns – zumindest vom Gesicht her – viele schon, bevor wir sie kennenlernen. Das scheint auch sehr zu helfen.

Und bei den Kollegen?

Da ist es immer noch so, dass eher überrascht geschaut wird, wenn Frauen da sind. Auf Feiern denken die meisten, man sei die Feierhelferin oder Rednerin. Ich hatte das mal in Mecklenburg: Da kam ich mit einer Kollegin an und der Friedhofsmitarbeiter fragte, wann denn der Bestatter käme. Das wollte ihm erst nicht in den Kopf, dass wir das alles machen. Aber nachdem wir uns unterhalten haben und er gesehen hat, wie wir arbeiten, fand er das total super.

Trotzdem ist es für viele noch etwas Neues, wenn eine Frau als Bestatterin tätig ist?

Ja. Ich hatte gerade erst eine Abholung aus einem Pflegeheim, zu der ich zusammen mit einer Kollegin gefahren bin. Wir haben eine Verstorbene abgeholt und die zwei Pflegekräfte – beides Frauen – meinten, zwei Frauen in der Rolle des Bestatters hätten sie in den 20 Jahren, die sie dort arbeiten, noch nie gesehen.

Die Übergangsmanagerin

Die meisten stellen sich den klassischen Bestatter wohl eher als älteren Herrn im dunklen Anzug vor?

Gerade bei den Arbeiten, die direkt mit den Verstorbenen zu tun haben, überwiegt immer noch ein sehr männliches Bild. Wenn die Frau im Büro sitzt und dir einen Sargkatalog zeigt, überrascht dich das nicht weiter. Aber überall dort, wo etwas Schweres getragen oder eben mit Verstorbenen umgegangen wird, rechnet man nicht mit einer Frau.

Woran, meinst du, liegt das überhaupt, dass man so ein männliches Bild hat?

Bestattungen haben früher die Tischler im Dorf gemacht und die waren eben männlich, das ist also aus der Historie heraus so entstanden. Ich glaube, es liegt auch an der körperlichen Arbeit, die mit dem Beruf zusammenhängt. Verstorbene abzuholen, in den Sarg zu legen, Särge zu tragen und zu transportieren oder größere Aufbauten bei Trauerfeiern – da denkt man sofort, das sei Männerarbeit. Diese Bilder, die die Menschen im Kopf haben, werden noch durch alte Klischees oder Filme von früher geprägt.

Wie bist du überhaupt zu deinem Beruf gekommen?

Ich habe meinen jetzigen Chef über Freunde kennengelernt, zu einer Zeit, als ich gerade einen beruflichen Wandel durchmachte. Ich habe fast zehn Jahre lang als Kreative in der Werbebranche gearbeitet. Zu dem Zeitpunkt, als ich mit dem Bestattungswesen in Kontakt gekommen bin, hatte ich das schon ein halbes Jahr nicht mehr gemacht. Das hat mir Raum, Freiheit und Offenheit gegeben, zu denken, dass das irgendwie passen könnte.

Warst du auf der Suche nach etwas ganz anderem, als du deine berufliche Auszeit eingelegt hast?

Ich dachte immer, mein nächster Job würde irgendetwas mit Schreiben oder Kreativität zu tun haben – was ich jetzt aber auch ausleben kann. Dann habe ich ins Bestattungswesen reingeschnuppert, ganz langsam angefangen, mich herangetastet und nach einem knappen halben Jahr habe ich mich dann dazu entschieden, Bestatterin zu werden. Das ist jetzt fast vier Jahre her – und ich mache das immer noch sehr, sehr gerne und bin sehr glücklich.

Wie hat dein Umfeld auf diesen Jobwechsel reagiert?

Erschreckenderweise haben alle mit „Ja, das passt!“ reagiert – also erschreckend im positiven Sinn (lacht). Ich dachte nur: Wenn jeder, der mich gut kennt, findet, dass der Job als Bestatterin gut zu mir passt, was sagt das dann über mich aus? Familie oder Freundinnen kennen einen ja auf unterschiedliche Art und Weise, trotzdem fanden das alle schlüssig. Außer meiner Oma. Sie hatte eher noch das alte Bild im Kopf, dass das ein sehr trauriger Job sei. Ich habe ihr erklärt, dass wir hier etwas anders arbeiten und letztlich konnte ich sie überzeugen. Leider durch den Tod meines Opas. Ich war aber sehr froh, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon Bestatterin war und das selbst machen konnte. Spätestens da hat meine Oma gesehen, dass das ein guter Beruf für mich ist und dass man den auch anders machen kann, als man vielleicht denkt.

Der Übergangsmanager

Was sind die schönen Momente im Job, die dich glücklich machen?

Besonders viel Freude macht es mir, wenn ich helfen kann und den Weg mit den Menschen gemeinsam gehe. Ich fokussiere mich also nicht nur auf die Beisetzung, sondern schaue auch auf das Drumherum. Sich einzufühlen und herauszuhören, was der Bedarf ist, und dann zu sehen, dass man die Wünsche umsetzen kann, ist ganz toll. Schön ist auch die Dankbarkeit, die man zurückbekommt. In vielen anderen Berufen hört man ja nie ein „Danke!“, weder vom Chef, noch vom Kunden.

„Schön ist die Dankbarkeit, die man zurückbekommt.“

Und was sind so die Momente, die weniger schön sind?

Die Buchhaltung (lacht). Aber gut, das gehört in jedem Job dazu.

Gibt es Geschichten, die dir besonders nahegegangen sind?

Ich glaube, jeder hat seine Achillesferse. Das besprechen wir hier immer im Team. Jeder darf regelmäßig sagen, welche Fälle er gerade nicht oder nie gut begleiten kann. Bei mir ist das immer dann der Fall, wenn ein Kind verstirbt, das ungefähr im gleichen Alter ist wie mein eigenes. Oder bei jungen Familien: Wenn da ein Elternteil stirbt, denke ich sofort an meine eigene Situation. Aber es kann auch etwas Gutes sein, sich dem anzunehmen, weil ich mich dann viel mehr in die Situation hineinfühlen kann. Ich finde es aber auch sehr berührend, wenn Paare 60 Jahre oder länger zusammen waren. Wenn jemand vor mir sitzt, dessen Partner verstorben ist, mit dem er 60 Jahre lang jeden Tag am Frühstückstisch saß, bewegt mich das sehr.

Was machst du, um am Ende des Arbeitstages solche Geschichten nicht mit nach Hause zu nehmen?

Ich konnte das von Anfang an ganz gut, das nicht mit nach Hause zu nehmen. Aber wenn es ganz schlimm ist, drücke ich sofort innerlich eine Stopptaste, damit ich gar nicht erst anfange, näher darüber nachzudenken oder etwas auf mein Leben und mich zu beziehen.

Ist der Tod immer noch ein Tabuthema, das höchstens am Rande der Gesellschaft stattfindet?

Ich sehe es so: Je mehr man über ein Thema weiß, umso mehr geht hoffentlich der Schrecken verloren. Wenn du nicht Auto fahren kannst und ich dir sage: „So, da ist dein Schwertransporter, fahr mal los!“, dann sagst du auch, dass du das gruselig findest. Je weniger man über ein Thema weiß, desto unantastbarer oder erschreckender ist es.

Du beschäftigst dich ja jeden Tag mit dem Tod, wie sieht es mit deiner Angst vor dem Thema aus?

Ich hatte nie Angst vor dem Tod, auch nicht, bevor ich Bestatterin geworden bin. Wenn Menschen versterben, die in meinem Alter sind, gibt mir das aber schon zu denken. Ich versuche aber, das eher auszublenden. Ich sehe ja auf der anderen Seite auch, wie schön man sterben kann, dass man auf verschiedensten Wegen sehr gut begleitet werden kann und ich versuche, mich eher darauf zu konzentrieren.

Gut, wenn du eine Wahnsinnsangst vor dem Tod hättest, dann wäre das vielleicht auch nicht der richtige Job für dich.

Nein, das wäre zwar eine spannende Konfrontationstherapie, aber überhaupt nicht zielführend! (lacht)

Was hat dich am Job als Bestatterin am meisten überrascht?

Die Arbeit mit den Angehörigen. Es ist natürlich total klar, dass man mit Angehörigen zu tun hat, aber wir investieren relativ viel Zeit in deren Begleitung und Gespräche mit ihnen, um herauszufinden, was wir für sie tun können. Mir macht das sehr viel Spaß, die Familien kennenzulernen. Da kriegt man so viele verschiedene Geschichten mit. Das hat man ja sonst nicht in vielen Berufen, dass man so nahe an den Menschen dran ist und die unterschiedlichsten Leute trifft.