Ich gehe sehr oft in Ausstellungen und habe hier schon viele sehr gute Ausstellungen gesehen. Mir gefällt dieses Gebäude aus den 1960er Jahren und ich mag das Material, das verwendet wurde. Moderne Museumsbauten sind oft hermetisch nach außen abgeschlossen, ohne Verbindung von außen nach innen. Hier findet man das Gegenteil, es ist alles offen und durchlässig, ein sehr lebendiger Ort, das gefällt mir.

Was für Kunst magst du?

Was ich ganz toll finde, sind die Minimalisten wie Sol LeWitt zum Beispiel. Mich begeistern Dinge, die mit wenig dramaturgischen Aspekten arbeiten. Bilder, die Narrative haben, die eine Dramaturgie aufbauen. Ich finde Gerhard Richter ganz toll, oder Donald Judd oder Carl Andre. Ich mag auch Zeitgenössische klassische Musik, zum Beispiel von Karlheinz Stockhausen, John Cage, Antoine Beuger oder auch Ludger Brümmer. Musik, die herkömmliche Perspektiven und Narrationen in Frage stellt. Das begeistert mich übrigens auch in der Literatur, wie bei dem Autor Peter F. Hamilton, den ich vor kurzem gesprochen habe.

Was begeistert dich an Peter F. Hamilton?

Hamilton löst die Erzählperspektive einfach auf. Da gibt es keinen Anfang, kein Ende, keinen Höhepunkt usw. Du wirst keine Katharsis erleben und auch nie etwas so richtig erfahren haben. Ich finde es toll, wenn Kunst mehr schafft, als ein Wohlgefühl auszulösen, wenn Kunst dich oder deine Situation infrage stellt. Hamilton redet mit der größten Selbstverständlichkeit darüber, dass wir Retina Implantate haben und in einer hochmodernen Welt leben. Er denkt in seinen Büchern konsequent zu Ende, was das alles eigentlich alles für uns bedeutet.

Oliver, wie sieht dein Berufsleben im Augenblick eigentlich aus?

Im Augenblick mache ich mehr Synchron als Hörbücher, aber zuletzt arbeitete ich an der schon angesprochenen Science-Fiction-Serie Armageddon-Zyklus von Peter F. Hamilton. Ich empfand es als besonders gut, dass ich diese Bücher ungekürzt lesen konnte. Ich hätte nicht gewusst, was man darin hätte kürzen können.

Was ist das Besondere an den Büchern?

Dieses Buch kannst du nicht auf einen Plot reduzieren, dafür ist es viel zu komplex. Hamilton beginnt seine Reihe im hier und jetzt, denkt dann aber unsere Tendenzen und beginnenden Entwicklungen weiter. Interessant ist zum Beispiel die literarische Erzähltechnik, die er nutzt. Er führt nämlich die Sprecherrolle ein und verteilt Vorstellungen auf verschiedene Rollen. Hamilton spannt verschiedene Sprachhorizonte auf, das ist irre! Er lässt die einzelnen Figuren ihre Rolle unbeirrt und logisch zu Ende handeln, es gibt keine übergeordnete Lösung. Das ist sehr intelligent gemacht und hat mich begeistert.

Lebst du gerne im Jetzt oder wäre eine andere Zeit besser für dich gewesen?

Ich mag unsere Zeit. Im Moment bin ich allerdings etwas überfordert mit den vielen Dingen, die gerade passieren. Ich empfinde keine Trennung mehr zwischen dem politischen und dem privaten Leben. Ich habe den Eindruck, man beschäftigt sich heute viel mehr mit dem, was um uns herum geschieht. Wir sind offener, aber auch transparenter geworden. Wir sind näher dran an allem. Das überfordert mich manchmal einfach.

Wie informierst du dich?

Wir haben keinen Fernseher, ich lese vor allem Zeitung und ich lese vieles im Internet nach. Letztes Jahr ist mir wieder einmal klar geworden, wie vernetzt wir leben. Wir verbrachten einen Teil unseres Urlaubes im Norden Griechenlands. Als wir die Metéora-Klöster besichtigten, begegneten wir religiösen Pilgergruppen, die aus Kriegsgebieten kamen, zum Beispiel aus der Ukraine. Um zu verstehen, aus welcher Situation diese Menschen kamen, habe ich abends in meinem iPad Nachrichten gelesen. Das half mir, um mit dieser Situation zurecht zu kommen.

Oliver, war dein Weg als Künstler dir eigentlich früh klar?

Eigentlich nicht. Ich wurde als intellektuell und wenig emotional eingeschätzt. Das war aber vor allem auch ein Image, das ich als junger Student pflegte. Ich studierte Ethnologie, Philosophie und katholische Theologie, weil das aus meiner Sicht die für mich passenden Fächer waren.

Und wie würdest du dich ansonsten beschreiben, als junger Student?

Irgendwie luftig. Ich hatte eine schnelle Auffassungsgabe, war aber auch schnell gelangweilt. Ich war sprunghaft und nicht konsequent, das alles bin ich heute aber nicht mehr.

Wie kam der Wechsel von Philosophie zum Schauspiel?

Ich hatte Leute kennen gelernt, die mit einer Super 8-Kamera Filme drehten und so hatte sich der Gedanke bei mir festgefressen, dass auch ich Filme machen wollte. Wir haben die Straubs und deren neuen Deutschen Film nachgeahmt. Wir begannen ganz einfach auf der Straße und machten einen Film. Das setze in mir die Idee fest, Filmregisseur zu werden.

Du wolltest Regie studieren?

Nein, ich wollte nicht wieder an einer anderen Uni studieren, ich wollte direkt loslegen. Der Leiter eines Theaters empfahl mir, zunächst Schauspieler zu werden, um danach Regisseur zu werden. Ich hörte auf diesen Rat, machte meine Schauspiel-Ausbildung und realisierte parallel im OFF-Theater auch ein paar Dinge als Regisseur. Dann arbeitete ich eine Weile als Schauspieler, doch irgendwann verließ ich das Theater.

Weil du...

...Ja! (lacht) Weil ich sprunghaft und schnell gelangweilt war. Es ist seltsam, wenn ich darüber nachdenke, denn so bin ich heute gar nicht mehr.

Würde der junge Oliver Siebeck den Oliver von heute mögen?

Ja, ich glaube schon. Ich mochte immer schon ironische Typen sehr gern und ich bin einigermaßen ironisch. Ich bin nicht komplett ausgebrochen, wahrscheinlich würde ich mich ein bisschen langweilig finden, aber im Grunde würde ich mich so wie ich jetzt bin mögen, da bin ich mir recht sicher.

Heißt das, dass dir Synchron richtig Spaß macht?

Heute ja. Ich habe zunächst lange damit gehadert, doch heute weiß ich, dass mein Handwerk gut ist. Wenn du einen guten Schauspieler hast, musst du nichts mehr tun, nur schwere Schauspieler zu sprechen, das ist nicht leicht.

Oliver, noch drei kurze Fragen: Was hat dich als Vater herausgefordert?

Nicht meine eigenen Vorstellungen durchzusetzen.

Wofür gibst du schnell viel Geld aus?

Für Bücher und Konzerte. Ich gehe häufig in die Berliner Philharmonie oder in die Oper, häufig auch spontan.

Worauf bist du stolz?

Ich bin glücklich darüber, dass ich über 20 Jahre verheiratet bin. So eine lange Zeit mit einem Menschen zusammen zu sein und nach wie vor gerne viel und gemeinsam Dinge zu tun, das ist schön.

Alle Hörbücher mit Oliver Siebeck findet ihr hier.