Warum sich mehr Frauen an Wikipedia beteiligen sollten

In den letzten Tagen wurde deine Wikipedia-Liste der deutschsprachigen SciFi-Autorinnen als irrelevant eingestuft und vorgeschlagen, sie von der Plattform zu entfernen. Daraufhin entbrannte eine Diskussion über die Autorenschaft von Wikipedia, die tatsächlich zu 85-94% männlich sind. War dir im Voraus klar, dass du eine von so wenigen Frauen bist, die auf Wikipedia aktiv mitwirken?

Nein, ich wusste nicht, dass das Missverhältnis zwischen Frauen und Männern in der Wikipedia so krass ist. Es ist wirklich schade, dass so wenige Frauen und nicht-binäre Menschen in der Community aktiv sind, denn die Wikipedia ist nach wie vor ein großartiges Projekt. Alle, die wir "nur mal eben schnell" etwas bei Wikipedia checken wollen, sollten einen Moment innehalten und uns bewusst machen, dass hinter jedem Artikel wahnsinnig viel Arbeit, Recherche und Engagement steckt. Es gibt aber leider auch Artikel, um die ein stetiger Kampf geführt wird. Da streiten sich die WikipedianerINNEN teilweise ums Komma, teilweise um bestimmte Formulierungen oder Interpretationen von Fakten. Von einigen Wikipedianerinnen wurde mir berichtet, dass es feministische Themen oder Details über historische weibliche Persönlichkeiten sind, die besonders häufig von solchen sogenannten "edit wars" betroffen sind. Gerade um an dieser Stelle mehr Sichtbarkeit für Frauen und nicht-binäre Menschen zu schaffen, wäre es toll, wenn sich in Zukunft wieder mehr Frauen an der Wikipedia beteiligen würden.

Wikipedia ist nach wie vor ein großartiges Projekt.

Theresa Hannig

Auch die Liste, die du veröffentlicht hast, setzt sich gezielt mit SciFi-AutorINNEN auseinander. Warum war es dir ein Anliegen, diese einmal getrennt von ihren männlichen Kollegen vorzustellen

In einem Twitter Chat mit anderen Science-Fiction-Autorinnen wollten wir uns gegenseitig andere Kolleginnen zum Lesen empfehlen – kamen aber ziemlich schnell an unsere Grenzen. Denn keiner von uns kannte besonders viele solche Autorinnen. Auch eine Online-Recherche führte ins Leere, denn bisher gab es einfach keinen Ort, an dem deutschsprachige Science-Fiction-Autorinnen aufgelistet waren. Es gab zwar bereits eine „Autorenliste“ auf Wikipedia, doch diese war zum betreffenden Zeitpunkt noch nicht nach Geschlecht sortierbar und ich hätte per Hand jede einzelne Frau ausfindig machen müssen – eine Aufgabe, die spätestens bei Vornamen, deren Herkunft und Geschlecht ich nicht kenne, im Jahr 2019 vollkommen absurd ist. Also war die Idee geboren, einfach selber eine solche Liste zu erstellen und diese dann von der Community auffüllen zu lassen. Die anschließende Löschdiskussion und die Beschäftigung mit den Mechanismen der Wikipedia führten dann zu unserer Petition #wikifueralle und die damit verbundenen Meinungsbilder (MB1 und MB2) samt Umfrage.

Die Optimierer

Die Optimierer

Gesprochen von Richard Barenberg

Die Optimierer

MEHRFACH PREISGEKRÖNT! Ausgezeichnet mit dem Stefan-Lübbe-Preis 2016 und dem Seraph 2018 für das beste Debüt.

Im Jahr 2052 hat sich die Bundesrepublik Europa vom Rest der Welt abgeschottet. Hochentwickelte Roboter sorgen für Wohlstand und Sicherheit in der sogenannten Optimalwohlökonomie. Hier werden alle Bürger von der Agentur für Lebensberatung rund um die Uhr überwacht, um für jeden Einzelnen den perfekten Platz in der Gesellschaft zu finden.

Samson Freitag ist Lebensberater im Staatsdienst und ein glühender Verfechter des Systems. Doch als er kurz vor seiner Beförderung beschuldigt wird, eine falsche Beratung erteilt zu haben, gerät er in einen Abwärtsstrudel, dem er nicht mehr entkommen kann. Das System legt alles daran, ihn zu optimieren... ob er will oder nicht.

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In dem Roman "Die Optimierer" geht es darum, dass der Staat die Bürger komplett kontrolliert. Glaubst du daran, dass sich unsere Gesellschaft in diese Richtung entwickeln wird?

Wenn ich mir die Neuerungen der aktuellen Gesetzgebung ansehe, dann besteht diese Gefahr tatsächlich. Ich denke dabei beispielsweise an § 100a der Strafprozessordnung oder das neue Polizeiaufgabengesetz in Bayern. Für die vermeintliche Sicherheit, die diese Gesetze bringen sollen, zahlen wir aber mit einer tatsächlichen Einschränkung unserer Privat- und Freiheitsrechte.
Wie das enden kann, sehen wir in China. Dort wird bis 2020 das „Sozialkredit-System“ eingeführt, bei dem alle Bürger komplett überwacht werden. Positives Verhalten (z.B. die Eltern regelmäßig anzurufen) wird mit Pluspunkten belohnt. Negatives Verhalten (z.B. bei Rot über eine Fußgängerampel zu gehen) führt zu Punktabzug. Je nach Punktestand kann sich der Bürger über Boni freuen (z.B. bessere Kreditkonditionen) oder muss Einschränkungen befürchten: so dürfen Bürger mit wenig Punkten keine Flug- oder Bahnreisen mehr buchen.
China mag weit weg erscheinen, doch ich bin mir sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch hiesige Politiker mit ähnlichen Überwachungsmethoden liebäugeln.

Machst du dir Sorgen, wenn du an die Zukunft denkst oder blickst du ihr optimistisch entgegen?

Das kommt auf meine Tagesform an. Aber grundsätzlich bin ich Optimist. Die Zukunft ist kein Schicksal, dem wir ohnmächtig ausgeliefert sind. Wir können jeden Tag beeinflussen, wie es weiter geht. Jeder von uns kann sich engagieren: politisch, sozial oder im privaten Umfeld. Heute haben wir mehr denn je die Möglichkeit, für unsere Rechte einzustehen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das klingt fürchterlich kitschig, aber was sollten wir sonst mit unserer Zeit auf diesem Planeten anfangen?

Das Hörbuch handelt unter anderem von hochentwickelten Robotern und das diese bald zum normalen Leben gehören. Was müsste der perfekte Roboter tun können?

Im ersten Moment wünsche ich mir, dass der Roboter alle unangenehmen Tätigkeiten für mich übernimmt. Er soll sich bitteschön um den Haushalt kümmern, Einkaufen gehen, die Steuererklärung machen, den Rasen mähen, mit dem Hund Spazierengehen, die Hausaufgaben kontrollieren… Aber je mehr Aufgaben er mir abnimmt, desto mehr übernimmt er auch einen Teil dessen, was eigentlich mein Leben ist, und was mache ich dann noch hier?
Tatsächlich fände ich es gut, wenn die Automatisierung so weit fortschreitet, dass monotone, körperlich anstrengende und gefährliche Arbeiten von Robotern übernommen werden können. Im privaten und gesellschaftlichen Leben hingegen hätte ich am liebsten weiterhin Menschen und keine Maschinen.

In „Die Optimierer“ gilt Fleischkonsum als Straftat. Ist soetwas in der Zukunft denkbar?

Wir als Menschheit betreiben mit unserem Dauerkonsum einen ziemlichen Raubbau an unserem Planeten. Die industrielle Fleischproduktion hat eine groteske Dynamik angenommen: Sie ist ungesund für die Menschen, zerstört die Umwelt und ist eine Qual für die Tiere. Auf diese Weise in Zukunft zehn Milliarden Menschen mit Fleisch zu versorgen wird nicht funktionieren. Deshalb müssen wir uns Alternativen überlegen. Ich selbst bin kein Vegetarier und würde sehr gerne auf Synthfleisch umsteigen.

Durch die Lebensberatung bekommt jeder Mensch einen Platz in der Gesellschaft zugeordnet. Sollten diese Entscheidungen in Zukunft wirklich von anderen Personen getroffen/beurteilt werden oder ist die eigene, freie Auswahl die bessere?

Ich finde Beratung durchaus gut und sinnvoll, aber die finale Entscheidung sollte immer frei bleiben!

Dürfen wir uns zukünftig auf weitere Science-Fiction-Hörbücher von dir freuen? Oder würdest du dich auch gerne in einem anderen Genre ausprobieren?

Im Frühling 2019 gibt es wieder Science-Fiction, da kommt nämlich die Fortsetzung von „Die Optimierer“ in den Handel.
Abgesehen davon schreibe ich gerade an einer neuen Geschichte, die etwas persönlicher und weniger Zukunftsorientiert ist – aber ganz normal läuft da trotzdem nicht alles ab. Ich werde also dem Genre der „Phantastik“ bis auf Weiteres treu bleiben.

Welche Dystopien kannst du unseren Hörern empfehlen?

Ich bin einfach ein Fan der Klassiker, also empfehle ich unbedingt Schöne neue Welt von Aldous Huxley und 1984 von George Orwell. Sehr interessant fand ich kürzlich Bios von Daniel Suarez und nachhaltig beeindruckt hat mich die Reihe Battle Angel Alita von Yukito Kishiro.
Und für alle, die nach dem Lesen/Hören noch etwas angucken möchten: Children of Men und Idiocracy, sind zwei auf sehr unterschiedliche Weise beeindruckende Filme.

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Copyright Foto Theresa Hannig: © Olivier Favre