Wie bereiten sich Hörbuchsprecher eigentlich auf die Aufnahmen vor? Das verrät uns Yeşim Meisheit, die sich vorher u.a. mit Textmarker bewaffnet.

Zu Beginn deiner Sprecherkarriere hast du Hörspiele gesprochen, in den vergangenen zwei Jahren dann Hörbücher. Was macht dir mehr Spaß, wo sind für dich als Sprecherin die Unterschiede bei der Produktion?

Oh. Spaß macht grundsätzlich alles. Hörbücher sind herausfordernder, anspruchsvoller. Bei einem Hörspiel konzentriere ich mich auf eine bestimmte Figur, lese das Skript und verinnerliche die zu sprechende Person. Bei einem Hörbuch wechsle ich nicht nur zwischen den einzelnen Figuren, ich erzähle auch noch die Geschichte. Dafür setze ich mich schon Wochen vorher dran, kennzeichne alle Figuren in unterschiedlichen Farben und erschaffe eine Art Legende, um mir die Protagonisten stichpunktartig ins Gedächtnis zu rufen. Z.B. ist meine weibliche Hautfigur in der Regel rosa markiert und bekommt Bezeichnungen wie „Lilly, 30. Jung, frech, sucht die große Liebe“ o.ä., ihre Mutter wäre möglicherweise lila markiert mit den Worten „Lillys Mutter, Ende 60, konservativ, leicht verbittert, enttäuscht vom Leben“...

Wie bist du Sprecherin geworden? War es ein Berufswunsch oder bist du Quereinsteigerin?

Das fing sehr früh an. Ich hatte als Kind einen tragbaren Kassettenrekorder und hab mich ständig selbst aufgenommen. Kassette um Kassette habe ich ganze Shows, Geschichten, Gedichte, Imitationen, Witze und was nicht alles vorgetragen. In meiner Jugend hab ich in einigen Serien mitgespielt und stand öfter auf der Theaterbühne. Als ich dann mit etwa 17 oder 18 das erste mal im Synchronstudio stand, war es um mich geschehen. Plötzlich hatte meine Kassettenaufnehmerei einen ganz eigenen, sehr tiefen Sinn. Mein Studium der Kommunikationswissenschaft und Linguistik an der TU Berlin gab mir genau das richtige Grundlagenwissen, um mit der Stimme arbeiten zu können. Wir haben u.a. unsere Stimmen analysiert, Phonetik und Phonologie verstanden, Radiosendungen geschrieben, geschnitten und moderiert und die gesamte Anatomie zum Hörorgan und zu den Sprechapparaten durchgenommen. Danach war ich bei RTL und habe in einem sehr kurzen, sehr intensiven Praktikum den gesamten Sendeablauf, die Technik und die Medienwelt kennengelernt. Gleich im Anschluss habe ich dann für verschiedene Produktionen Sprachregie geführt. Tja, und irgendwann hab ich mich selbst ans Mikro gestellt. Das ist jetzt genau 10 Jahre her.

Du bist nicht nur Hörbuchsprecherin, sondern vertonst auch TV-Werbespots. Wie anders arbeitest du hier mit deiner Stimme?

Ich vertone TV- und Radio Spots, Dokus, Imagefilme, Telefonansagen, mache Synchron und lese Hörbücher und immer klingt die Stimme anders. In der Werbung z.B. wird mit sehr viel mehr Druck gesprochen und ganz anders betont. Das muss in der Regel knallen, in den wenigen 20 Sekunden, die wir haben, um das Produkt anständig zu verkaufen und den Kunden in kürzester Zeit besonders effektiv zu erreichen. Beim Hörbuch ist das anders. Das geht über mehrere Stunden, in denen der Sprecher den Hörer an die Geschichte binden und halten möchte. Ihn dort anzuschreien wie in der Werbung würde nach hinten losgehen.

Verrätst du unseren Lesern die besondere Verbindung zum Autor deiner ersten Hörbuchreihe „Im falschen Film“?

Sehr gern, ich bin ja sehr stolz und dankbar für diese besondere Verbindung! Hinter dem Autoren-Pseudonym Vanessa Mansini versteckt sich Michael Meisheit - der Mann, den ich geheiratet habe und der Vater meiner beiden Kinder. Ein wahrer Freund und ein sehr, sehr guter Autor, wie ich finde.

Mami, kannst du nicht mal ganz normal vorlesen?

Yeşim Meisheit über Gute-Nacht-Geschichten von Profi-Sprechern

Darf bei euren Kindern abends auch mal der Papa eine Gute-Nacht-Geschichte lesen oder „muss“ immer die Profisprecherin Mama ran?

Ehrlich gesagt, muss ich mich manchmal regelrecht aufdrängen, um Vorlesen zu dürfen. Meine Kinder sind meine größten Kritiker. Sie haben ganz genaue Vorstellungen über die Stimmen der Figuren und ich darf mir immer mal wieder Dinge anhören wie „Nein Mami! Bitte nicht die Stimme, das muss doch viel tiefer gesprochen werden“. Letztens verdrehte mein Sohn bei einer zugegeben sehr theatralisch vorgetragenen Geschichte meinerseits die Augen und sagte „Mami.. kannst Du nicht mal ganz normal vorlesen? So wie andere Eltern auch?“

Deine Sprecherbewertungen auf audible.de lesen sich sehr gut – schaust du da selber manchmal rein?

Na, unbedingt. Ich schau nicht nur rein, ich lese jede Bewertung. Es liegt mir sehr viel daran, ein Feedback von den Hörern zu bekommen. Gut wie schlecht. Ich nehme grundsätzlich alle Rezensionen mit und arbeite an mir für die nächste Produktion. Ich finds super, direkt bewertet zu werden. Auf keiner anderen Plattform geht das so 1 zu 1 wie bei audible.de. Dafür bin ich sehr dankbar.

Ich finds super, direkt bewertet zu werden. Auf keiner anderen Plattform geht das so 1 zu 1 wie bei audible.de.

Yeşim Meisheit, Hörbuchsprecherin

Welche Genres hast du schon gelesen, auf welches Genre hättest du am meisten Lust?

Ich werde oft für Liebesromane und Kinderbücher gebucht. Die lese ich auch wirklich sehr gern. Interessieren würde mich mal ein Horrorbuch oder einen Psychothriller, was schauriges eben.

Was ist dein nächstes Projekt?

Von der Reihe „Im falschen Film“ gibt es ja mittlerweile eine Fortsetzung. „Im falschen Film – 37 Stunden“ wird ebenfalls als Hörbuch bei audible.de erscheinen und ich freue mich riesig, es auch diesmal wieder vertonen zu dürfen.

Für Audible Studios hat Yeşim Meisheit diese 5 Hörbücher eingesprochen:

Das Geheimnis der Zitronen
Der Geschmack von Mandeleis
Im falschen Film 1
Im falschen Film 2
Im falschen Film 3

Copyright Headerfoto: © Thomas Schweigert
Copyright Fotos im Artikel: © Yeşim Meisheit