Hallo Herr Follett, Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, um mit dem Audible Magazin aus Deutschland über Ihren neuesten Roman „Never – Die letzte Entscheidung“ zu sprechen. Wissen Sie eigentlich in wie vielen Sprachen und Exemplaren das Buch auf den Markt kommt?

Nein, diese Zahlen habe ich nicht parat. Aber ich kann Ihnen sagen, dass meine Romane in 40 Sprachen übersetzt wurden und dass ich bislang insgesamt 181 Millionen Bücher verkauft habe.

Spüren Sie wegen des Erscheinens eines neuen Buchs noch Aufregung – oder sogar Druck?

Ja, beides. Ich bin aufgeregt. Und es gibt auch Druck. Für mich ist es wichtig, auf Platz 1 der Bestseller-Listen zu landen. Aber es gibt starke Konkurrenz. Hillary Clinton hat einen Thriller geschrieben. Auch John Grisham hat gerade ein sehr gutes neues Buch veröffentlicht, das ist ein Autor, den ich selbst gern lese. Und J.K. Rowling bringt ebenfalls ein neues Buch heraus mit dem Titel „Das Weihnachtsschwein“. Deshalb bin ich etwas in Sorge, ob ich es wirklich an die Spitze der Bestseller-Liste schaffen werde. Natürlich ist es aufregend, wenn ein Buch herauskommt, an dem man so lange gearbeitet hat. Und dann kommt der Moment, wo es gekauft und gelesen wird von Leuten, die dafür nicht bezahlt werden.

Never - Die letzte Entscheidung

Haben Sie Hillary Clintons Thriller schon gelesen oder mit ihr gemailt, um sicher zu gehen, dass Sie nicht beide die gleiche Geschichte erzählen?

Meine Spione haben mir bereits vor langer Zeit gesagt, dass sie dieses Buch geschrieben hat und dass es ungefähr zur gleichen Zeit rauskommen würde wie meins. Ich habe es geschafft, eine erste Skizze von ihrem Buch zu bekommen, durch ruchlose Manöver. Und mir war klar, dass das Buch nicht besonders gut sein würde. Als es auf den Markt kam, habe ich einige Kapitel durchgelesen. Und ich denke immer noch, dass es nicht besonders gut ist. Andererseits ist sie ein bekannterer Name als ich. (lacht)

In der Ankündigung zu „Never – Die letzte Entscheidung“ heißt es, es sei ein „den Globus umspannender Spionagethriller über unmögliche Entscheidungen“, angesiedelt in der Gegenwart. Gerade heute, wo so viele Menschen die Nase voll haben vom politischen Chaos der letzten Jahre, von Corona und von ewigen Lockdowns: Wie kriegen Sie den „Thrill“ in eine Geschichte, die heute spielt? Wenn viele Menschen einen Ken-Follett-Roman kaufen, um dem Alltag zu entfliehen?

Ich glaube, die Spannung in der Geschichte entsteht durch die stetige Zuspitzung der Krise. Schritt für Schritt – und wir reden von kleinen Schritten – wird es ernster. Jeder Einzelschritt sieht nicht wie eine Katastrophe aus. Aber der Leser merkt, wie jeder Schritt die Lage ein bisschen schlimmer macht als die davor war. Ich hoffe, dass das den Leser packt. Ich nenne „Never“ nicht einen politischen Roman. Es ist ein Roman über eine internationale Krise. Einige Leute, die mit dieser Krise umgehen müssen, sind Politiker. Aber die meisten sind es nicht. Stattdessen sind es Spione und Menschen, die Spione jagen. Obwohl es kein politischer Roman ist, spielt Politik natürlich im Hintergrund eine wichtige Rolle. Und daraus einsteht der Druck, dem Pauline Green als Präsidentin der USA ausgesetzt ist.

Sie recyceln also nicht die täglichen Nachrichten, die alle sowieso schon kennen?

Es geht ganz sicher nicht um tagesaktuelle Nachrichten. Bei der Recherche habe ich mich allerdings damit beschäftigt, wie viele Nuklearwaffen die Chinesen haben, wie viele die Nordkoreaner haben, wie viele es in Amerika gibt. Ich musste herausfinden, wie viele Menschen bei einem nuklearen Erstschlag auf die USA umkommen würden. Die Antwort lautet: 160 Millionen. (…) Ich denke, die meisten werden diese Zahlen nicht kennen.

Wie haben Sie sie denn gefunden – über Kontakte zu Geheimdiensten?

Die meisten Informationen sind öffentlich zugänglich, entweder online oder in Büchern. Aber ich hatte auch Spezialisten als Berater, die sich in dieser Materie besser auskennen als die meisten Journalisten. Von ihnen bekam ich eine Menge Informationen; sie haben aber auch ziemlich viele Fakten korrigiert, die im Internet und in Zeitungen falsch wiedergegeben werden.

Wie viele Korrekturzyklen durchgeht ein Roman wie dieser?

Normalerweise zwei. Mein erster Entwurf wird für gewöhnlich von sieben bis acht Leuten gegengelesen. Und dann schaut eine kleinere Zahl von Personen auf meine korrigierte Zweitfassung. Die wichtigsten Fehler – was Fakten und Hintergrundinformationen betrifft – finden sich im ersten Entwurf. Die behebe ich dann. So dass der zweite Entwurf schon eine sehr genau korrigierte Version der Geschichte ist. Die zeige ich dann einigen Leuten, um absolut sicher zu gehen, dass alles stimmt. Und daraus ergeben sich dann immer noch ein paar Kleinigkeiten, an denen ich rumschraube.

Wie lange brauchen Sie für diesen Prozess?

Im Normalfall dauert das drei Jahre: ein Jahr für die Recherche und Konstruktion der Geschichte, ein Jahr für den ersten Entwurf des Manuskripts und dann nochmal ein Jahr für die zweite Fassung. „Never – Die letzte Entscheidung“ wurde allerdings während des Lockdowns geschrieben, wo ich sehr viel mehr Zeit hatte als sonst. Deshalb habe ich den Roman ungefähr in der Hälfte der Zeit geschrieben, die ich normalerweise brauche.

Als die Welt stehen blieb

Weil’s während des Lockdowns keine Ablenkung gab?

Genau. Ich ging über ein Jahr lang nicht ins Theater oder Kino, ich besuchte keine Restaurants, und ich traf meine Freunde nicht zum Essen. Das hat sich in jüngster Vergangenheit etwas entspannt, obwohl ich nicht denke, dass wir uns nicht zu sehr entspannen sollten. Das heißt, ich hatte alle Zeit der Welt, um mein Buch zu schreiben.

Vielleicht gibt es ja nochmal einen Lockdown, und Sie haben dann Ihren nächsten Roman auch in der Hälfte der Zeit fertig?

Ich hoffe nicht, weil ich wirklich nicht ein weiteres Mal einen Lockdown durchleben möchte.

Nerd Attack!

Im Buch geht es um die unaufhaltsame Zuspitzung einer Krise, die in Gang gesetzt wird, als die USA bei der UN eine Resolution gegen China einbringen, weil das Land Waffen an Terroristen verkauft. Ist ein solches Klima von „gnadenloser Zuspitzung“ typisch für unser Social-Media-Zeitalter, wo so viele Twitter-Aktivisten unterwegs sind und ein falscher Tweet die Welt in Brand setzen kann?

Nein, ich glaube eher, dass unaufhaltsame Zuspitzung das Charakteristikum einer wirklich guten Geschichte ist. Sie fängt damit an, dass sie interessant ist, dann wird sie faszinierend, dann kommt man nicht mehr davon los. Und dann wird es schockierend. Das sind die Kernmerkmale einer guten Geschichte, und das hat nicht unbedingt etwas mit unserer modernen Gesellschaft zu tun.

Viele würden vermutlich schon sagen, dass wir in „schockierenden“ Zeiten leben mit der Klimakatastrophe, nach vier Jahren Donald Trump hinter und möglicherweise vier weiteren Trump-Jahren vor uns, mit Brexit und einer nicht enden wollenden Liste von Dingen, die passiert sind – wie zum Beispiel Corona. Ist das eine besonders fruchtbares Umfeld für einen Thriller?

Ja. Wir durchleben Phasen von großer Gefahr und Phasen, die sicherer scheinen. In den 1990er-Jahren haben wir angefangen, die Anzahl der Nuklearwaffen zu reduzieren, besonders hier in Europa. Das war ein sehr vielversprechender Moment. Aber er hielt nicht lange an. Stattdessen hat er uns in ein ziemliches falsches Gefühl von Sicherheit eingelullt. Und jetzt, wie die Zahl der Nuklearwaffen wieder steigt, ist niemand besonders besorgt. Aber ich glaube, wir sollten uns Sorgen machen.

"Wenn Frauen irgendwann die Mehrheit in der Politik stellen, wird die Welt auch ein friedlicherer Ort sein. Das hoffe ich zumindest!"

_Ken Follett _

Ich würde mit Ihnen gern über die Frauen in „Never“ sprechen. Es gibt mehrere starke weibliche Charaktere. Eine ist eine Geheimdienstmitarbeiterin, die sich bemüht, den Ausbruch eines Dritten Weltkriegs zu verhindern. Glauben Sie, dass Frauen letztendlich die Welt retten werden: Leute wie Kamala Harris, Jacinda Ardern, Angela Merkel oder Greta Thunberg?

Ich glaube auf alle Fälle, dass es weniger wahrscheinlich ist, dass Frauen einen Streit anfangen. Und es ist auch unwahrscheinlicher, dass sie einen Krieg anfangen, als Männer. Darauf können wir uns vermutlich alle einigen. Man sieht selten zwei Frauen, die sich in einer Kneipe am späten Samstagabend die Köpfe einschlagen. Während das bei Männern öfter vorkommt. Das kann man auf die internationale Diplomatie übertragen. Es ist wahrscheinlicher, dass Männer dort Probleme eskalieren lassen als Frauen. […] Wie’s in der Zukunft wird – wer weiß das schon? Ist es nicht interessant zu sehen, wie Frauen sich in vielen Firmen an die Spitze vorgekämpft haben und man merkt, dass sie wirklich gut sind als Führungspersönlichkeiten? Mehr noch, Studien belegen, dass sie teils sogar besser sind als Männer, wenn es darum geht, heutige Unternehmen zu leiten. Vor 50 Jahren, als es in der Geschäftswelt noch mehr um Aggression ging und darum, die Konkurrenz auszuschalten, waren Männer vielleicht geeigneter. Aber jetzt ist das nicht mehr so. Die Geschäftswelt ist anders geworden. Und Frauen sind da scheinbar passender. Vielleicht bedeutet das: Wenn Frauen irgendwann die Mehrheit in der Politik stellen, wird die Welt auch ein friedlicherer Ort sein. Das hoffe ich zumindest!

Die Methode Merkel

Sie haben mit Pauline Green eine spannende Figur geschaffen: die erste weibliche Präsidentin der USA, die auch noch eine Republikanerin ist. Wie kam es dazu?

Sie musste Republikanerin sein. Im ersten Entwurf der Geschichte war sie (noch) Demokratin. Aber die meisten Leute wissen, wo ich politisch stehe: links von der Mitte. Wenn ich eine Demokratin zur Heldin meiner Geschichte gemacht hätte und ihren republikanischen Gegenspieler zum Bösewicht, hätte jeder zurecht gesagt, dass ich nur Propaganda schreibe. […] Also habe ich sie zu einer moderaten Republikanerin gemacht. Ihr größer Feind ist ein Republikaner mit extremistischen Ansichten. Ein sehr glaubwürdiges Szenario, wenn man sich die aktuelle amerikanische Politik anschaut.

Der Gegenspieler heißt nicht zufällig Donald Trump?

Nein, nein. (lacht) Aber er könnte ein Klon sein. Selbstverständlich ist die Figur des James Moore von Donald Trump inspiriert. Aber deswegen musste Pauline Green auch eine Republikanerin sein, damit das Buch nicht zum Showdown zwischen Republikanern und Demokraten wird. Denn das letzte, was ich will, ist als politischer Propagandist dazustehen. Sie ist eine Frau, um neben all den Staatenlenker, die zentrale Rollen in dieser Geschichte spielen, eine bedächtige Position einnehmen zu können. Alle fällen überlegte Entscheidungen – so wie im Juli 1914 (als das zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte). Für mich ist eine Frau sehr glaubhaft als bedächtige politische Führungskraft. Natürlich gibt’s immer Ausnahmen. Wir hatten Margaret Thatcher, die nichts dergleichen war. Aber allgemein gesprochen wird man Pauline Green die Rolle abnehmen, die sie in dieser Story spielt: eine Person, die ständig versucht, Krieg zu vermeiden, aber gleichzeitig durch die Ereignisse in eine Position gedrängt wird, wo sie möglicherweise einen Krieg anfangen muss.

Amerika verstehen

Ist Pauline Green als US-Präsidentin eine Afro-Amerikanerin? Oder wird das der Fantasie des Lesers überlassen?

Sie ist eine weiße Frau. Das wird irgendwo im Buch gesagt, ich weiß aber nicht mehr genau wo.

War das für Sie wichtig? Oder hätten Sie nicht ein noch größeres Statement machen können mit einer schwarzen US-Präsidentin?

Das wäre vielleicht ein Schritt zu viel gewesen. Für mich ist es wichtig, in Romanen die Welt abzubilden, so wie sie ist. Von all den starken Figuren in „Never“ ist sie die Einzige, die eine weiße angelsächsische Frau ist. Die anderen (zentralen Figuren) sind es nicht. Tamara ist Jüdin, Tab ist algerisch-französisch, Abdul ist halb Libanese, halb Amerikaner. Und das entspricht unserer Welt, und so stelle ich sie auch dar. Deshalb ist (Pauline) die einzige Weiße.

Kamala Harris

__Sie haben in einem Interview gesagt, dass Sie einen ehemaligen britischen Premierminister interviewt haben für dieses Buch. Haben Sie Theresa May gefragt, wie sie es als Frau an die Spitze geschafft hat und wie man sie anders behandelt hat als männliche Kollegen wie Tony Blair oder Boris Johnson? __

Das wäre sicher ein sehr interessantes Gespräch. Aber ich habe es nicht geführt. Ich kenne Theresa May nicht, meine Frau Barbara allerdings schon. Sie kennt sie sogar ziemlich gut, weil beide Abgeordnete waren. Und sie haben viel darüber gesprochen, wie es ist, als Frau im Parlament zu sitzen. Aber Barbara hat mit Theresa May nicht mehr gesprochen, nachdem sie Premierministerin wurde. Oder… vielleicht doch? Ich habe jedenfalls nicht mit Theresa gesprochen.

Haben Sie mit Ihrer Frau darüber gesprochen, was es bedeutet, als Frau in der Politik zu sein? Hat Sie Ihnen Feedback für Ihre Geschichte gegeben?

Ja, sehr intensives Feedback sogar. Sie fand den Umgangston im House of Commons absolut schrecklich. Total chauvinistisch. Das Getue, als eine der Männergarderoben in eine Garderobe für Frauen umgewandelt werden sollte, weil es auf einmal so viele weibliche Abgeordnete gab, war unfassbar. Die Männer protestierten, als würde man sie zwingen ohne Gehalt zu arbeiten! Die Stimmung im Parlament war sehr familienunfreundlich: es interessierte niemanden, wie Menschen mit Kindern sich arrangieren können. Viele Abgeordnete müssen bis spät abends arbeiten, oft bis Mitternacht. Das hat Barbara auch getan, und sie konnte es tun, weil ich der Einzige war, der darunter litt. (lacht) Aber wenn man sich um Kinder kümmern muss, ist das schwierig. Diese nach wie vor vorherrschende frauenfeindliche Atmosphäre (im britischen Parlament) muss sich dringend ändern.

In der Männerrepublik

Zeitgleich mit dem Roman kommt auch die Hörbuchfassung raus. Die deutsche Ausgabe wird von Tessa Mittelstaedt gelesen. Macht es für Sie einen Unterschied, ob Ihr Roman von einer Frau oder von einem Mann gelesen wird?

Nein, ich denke nicht, dass das irgendeinen Unterschied macht. Ich selbst werde mittlerweile bei Konferenzen oder öffentlichen Auftritten oft von einer Frau übersetzt. Früher war es immer eine Männerstimme für einen Mann und eine Frau für eine Frau. Aber das ist schon lange nicht mehr der Fall. Und das ist auch gut so, denn es macht keinen Unterschied. Aber es macht einen Unterschied, dass ein Schauspieler die Geschichte liest, anstelle des Autors. Ich werde oft gefragt, warum ich meine Romane nicht selbst einlese. Ich antworte dann immer, dass ich das nicht so gut kann, wie es ein Schauspieler oder eine Schauspielerin tut. Es beeindruckt mich immer enorm, wenn ich einen meiner Romane als Audiobuch höre, mit Schauspielern, die ihre Stimme variieren können, um alle Charaktere wirklich zum Leben zu erwecken. So etwas imponiert mir. Und ich bin unendlich dankbar, dass ich so wunderbare Schauspieler und Schauspielerinnen habe, die meine Bücher lesen. Das ist ein Privileg.

Haben Sie ein Mitspracherecht, wer Ihre Bücher einlesen darf?

Nein, ich bin froh darüber, diese Entscheidung dem Verlag zu überlassen. Bislang hat er da immer eine sehr gute Wahl getroffen.

Vor kurzem hat der Komponist Andrew Lloyd Webber erzählt, dass er sich die Filmversion seines Musicals „Cats“ im Kino angeschaut habe und davon so traumatisiert war, dass er anschließend einen Hund gekauft hat. Ist Ihnen so etwas mit der Adaption eines Ihrer Romane auch schon passiert?

(lacht) Die schlimmste Adaption eines Romans von mir war die von „Lie Down With Lions“ („Die Löwen“). Das ist ein Thriller, der in Afghanistan spielt. Die Fernsehfassung war so schlecht, dass meine Kinder – während wir das zuhause anschauten – aus dem Zimmer gingen. Man kann also sagen, dass ich auch schon schlimme Erfahrungen gemacht habe mit meinen Büchern. Der Star dieser TV-Serie war damals Timothy Dalton, der zuvor James Bond gespielt hatte. Ich traf ihn später bei einer Party. Als ich ihn am anderen Ende des Raums sah, fragte ich mich: ‚Was soll ich nur sagen?‘ Und da kam er plötzlich auf mich zu, fragte mich, ob ich Ken Follett sei und sagte: „Diese Serie war furchtbar, oder?“ (lacht) Ich sagte ihm: „Ich bin so froh, dass Sie das sagen!“

Die Löwen

Aber Dalton hat keinen Protest eingelegt während der Dreharbeiten.

Er war zwar der Hauptdarsteller, aber er konnte nicht verändern. Es gibt zwar schon einige Stars, die als König am Filmset Einspruch erheben können, aber das sind sehr wenige. Vielleicht könnte Brad Pitt darauf bestehen, dass das Skript total überarbeitet wird. Aber die meisten Schauspieler haben solche Macht nicht.

Wie steht es mit Autoren: Können die auf Änderungen bestehen?

Absolut nicht! Manchmal werde ich eingeladen, einen Tag bei Dreharbeiten dabei zu sein. Aber ich darf auf keinen Fall bei irgendwelchen Entscheidungen mitreden. Ab und zu höre ich, dass eine Produktion in der kommenden Woche in London besetzt wird. Dann sage ich, ich würde wirklich gern beim Casting dabei sein. Daraufhin wird es meist peinlich, und ich bekomme wirklich unglaublich bescheuerte Ausreden wie: „Das Zimmer ist zu klein dafür!“ Die Produzenten haben Panik, dass der Autor ihnen reinreden könnte. Was ich sowieso nie tun würde.

Casino Royale

Ich möchte noch mal auf die Frauen in „Never – Die letzte Entscheidung“ zurückkommen. In Großbritannien tobt gerade eine heftige Debatte darüber, was es im Zeitalter von Trans-Aktivismus bedeutet, eine Frau zu ein. Es wird viel über Genderidentität gestritten, an Universitäten und in der Regierung, aber auch in literarischen Kreisen. Verfolgen Sie solche Debatten, und finden Sie Eingang in Ihre Bücher?

Ich habe noch nie über Trans-Menschen geschrieben, jedenfalls bisher nicht. Das könnte sich aber ändern, wenn die Zeit dafür reif ist. Obwohl… Moment mal. Das stimmt nicht. In „Jackdaws“ („Die Leopardin“) geht es um eine Gruppe von Frauen im besetzen Frankreich während des Zweiten Weltkriegs. Eine dieser Frauen ist ein biologischer Mann. Das hatte ich ganz vergessen. (lacht) Allerdings habe ich mich in dieser Kontroverse (bislang) nicht eingebracht. Als Gesellschaft – hier in Großbritannien, aber auch in anderen europäischen Ländern – müssen wir einige Anpassungen vornehmen. Wir müssen für diese Menschen Platz schaffen. Wir haben immer so getan, als würden sie nicht wirklich existieren. Das muss aufhören. (…)

Wenn Sie sagen, dass man für Trans-Menschen Platz schaffen müsse: Was wäre denn mit Platz in einem Ken-Follett-Roman? Könnten Geheimagentinnen, Spione, Drogendealerinnen, Präsidentinnen nicht auch trans sein? Haben Sie darüber mal nachgedacht?

Ich bin bislang nicht auf die Idee gekommen. Aber ich kann sagen: Wenn es gut für die Geschichte wäre, würde ich es auch machen. Genau wie damals in „Jackdaws“, da war es gut für die Geschichte. Dieser Charakter war eine wirklich gute Figur im Roman. Auf dieser Basis würde ich das beurteilen. Das heißt, ich würde eine solche Entscheidung aus literarischen Gründen treffen, nicht um eine Schlagzeile zu kreieren.

Transgender History, Second Edition

Was bedeutet es, dass es „gut für die Geschichte“ ist?

Die Figur muss faszinieren, sie muss Sympathieträger sein, man muss mit der Figur mitfühlen und sich ein positives Ende für sie wünschen. Und es muss die Figur ein bisschen anders machen. „Jackdaws“ war ein Roman über ein Team von Menschen mit einer Mission. Es gab schon viele Bücher über Teams mit einer Mission, meist waren das Männer-Teams, die irgendetwas im Zweiten Weltkrieg erledigen mussten. Darüber gibt es unendlich viele Romane, „Die Kanonen von Navarone“ (von Alistair MacLean) ist vermutlich der beste von allen. Bei mir war das Neue, dass es ein Team von Frauen war. Ansonsten war die Geschichte durchaus traditionell und vergleichbar mit anderen Bestsellern. Aber daraus lauter Frauen zu machen, war ein guter Touch. Es war ein besonderer Ken-Follett-Touch.

Ihr neuer Roman handelt auch von einer Gruppe starker Frauen. Ist das der typische Ken-Follett-Touch, den Sie dem Thriller-Genre verpasst haben?

Ja. Ich war der erste Autor, der (1978) eine Frau zur Heldin eines traditionellen Thrillers gemacht hat in „Die Nadel“. Anfangs hatte ich mir eine Geschichte überlegt, die damit enden sollte, dass zwei Männer auf einer Insel miteinander kämpfen. Aber dann fand ich, dass es schon so viele Geschichten gibt, die damit enden, dass zwei Männer sich bekriegen. Es wäre aber komplett anders, wenn ein Mann und eine Frau diesen Kampf ausfechten würden. Das macht das Buch einmalig. Und ich war der erste, der das getan hat. Heute ist es alltäglich.

Unsichtbare Frauen

Haben Sie schon Pläne für Ihren nächsten Roman, oder machen Sie nach der Veröffentlichung eines neuen Buchs erstmal einige Monate Pause?

Ich mag Pausen nicht sehr. Auch wenn ich manchmal denke, ich sollte mal für ein oder zwei Wochen etwas anderes machen, fange ich irgendwann in der zweiten Woche doch wieder an, über eine neue Geschichte nachzudenken. Dann werde ich auch gleich sehr aufgeregt. Und: Ich arbeite lieber, als eine Auszeit zu nehmen. Da ich „Never – Die letzte Entscheidung“ schon vor neun Monaten beendet habe, arbeite ich seither an einer neuen Geschichte. Aber ich bin noch nicht bereit, darüber öffentlich zu sprechen.

Sie sind 2018 zum Commander of the Order of the British Empire ernannt worden. Nennt Sie seither irgendjemand in Ihrer Familie oder Ihrem Büro „Sir Ken“?

Nein. (lacht) Und ein CBE ist auch nicht das gleiche wie ein Ritterschlag. Es wäre also falsch, mich Sir Ken zu nennen.

Was wäre denn die korrekte Ansprache?

Es gibt für jemanden, der ein CBE ist, keinen besonderen Titel. Deshalb nennen mich hier alle „Ken“. (lacht)

Wir hatten ja kurz Andrew Lloyd Webber angesprochen. Der ist zum Lord ernannt worden. Würden Sie auch gern Lord sein und im House of Lords sitzen, um die Politik in Großbritannien aufzumischen?

Nein, ich möchte kein Politiker sein. Und ich möchte auch kein Lord sein. (lacht) Ich würde viel lieber hier sitzen und noch ein Buch schreiben.