Katrin Bauerfeind: Herzlich willkommen aufs wärmste und herzlichste, Klaas Heufer-Umlauf.

Klaas Heufer-Umlauf: Guten Abend.

Etwas, das deine Eltern sehr gut gemacht haben, ist die erste Frage. Du schreibst, sie haben mich mit absoluter Sicherheit ausgestattet und niemals mit Streit ins Bett.

Ja.

Das ist toll. Wie macht man das mit der absoluten Sicherheit? Haben deine Eltern alles abgefeiert?

Nein, überhaupt nicht. Das haben die nicht getan. Wenn ich sagte, ich habe hier einen Hund gemalt, da hieß es schon mal, das sieht nicht aus wie ein Hund. Also malst du noch mal. So eine Grundsicherheit ist manchmal Vertrauen, das einem geschenkt wird. Dass man mitbekommt, dass man, egal, was man plant, sie einem das Gefühl geben, man wird das richtig machen. Wenn man nicht ständig kontrolliert wird. Dass man bestimmte Dinge machen kann. Wenn man dieses Vertrauen spürt, probiert man, das nicht zu enttäuschen, da man sich seine Freiheit, die einem gegeben wurde, durch Dummheit nicht wieder kaputt machen will.

Das kling jedoch kompliziert.

Ja. Im Nachhinein, wenn man das so zurücktheoretisiert wahrscheinlich schon. In dem Moment dachte ich nicht darüber nach. Ich hatte das Gefühl, ich hätte jetzt alle Möglichkeiten, riesengroße Scheiße zu bauen, da mich keiner kontrolliert, habe es jedoch meistens lieber gelassen.

Ja, verstehe ich. Verstehe. Die Kehrseite von Sicherheit ist dieses übermäßige Loben und alles super finden. Glaubst du, später entstehen dadurch so Arschlochkinder, Ich-Ich-Ich-Kinder oder so Ego-Kinder?

Das kann passieren, ja. Ich glaube schon. Es gibt durchaus philosophische Abhandlungen darüber, dass das genau die Generation ist, die Nazisten hervorbringt, da man sein eigenes Kind immer ein bisschen ganz besonders toll findet und sagt, das ist Wahnsinn, der hat das viel früher gekonnt und das viel früher gekonnt. Ich glaube, Kinder früher, selbst meine Generation und die Generation davon noch viel mehr, die saßen viel auf dem Teppich, haben gespielt und waren so da.

Ja, ja. Ja, ja.

Das ist heute nicht mehr so. Heute verabredet man die Kinder die ganze Zeit. Man guckt, was die alles lernen müssen, was die alles lernen können.

Würdest du deinem Kind sagen, es ist kein Hund, mal es noch mal?

Wenn es überhaupt nicht aussieht wie ein Hund, wenn ich das Gefühl habe, dazu muss er wenigstens vier Beine haben oder was. Ich würde nicht sagen, das sieht nicht aus wie ein Retriever, das ist eher ein Colli. So was nicht. Ich würde sagen, der muss ungefähr die Höhe eines Hundes haben. Da gibt es manchmal so Größenunterschiede, dass man sagt, das ist das Haus und das ist die Kuh daneben, ist gleich groß.

Ist immer. Eigentlich ist die Kuh noch größer.

Man sagt, eines von beiden stimmt nicht hier.

Das ist sehr pingelig. Niemals mit Streit ins Bett, finde ich super. Nur, weil du das gesagt hast, niemals mit Streit ins Bett, ist mir die Geschichte eingefallen, dass meine Mutter mir mit sieben ein Gedicht übers Bett gehängt hat. Und dieses Gedicht ging so: "Bedenk´s. Sag morgens mir ein gutes Wort, bevor du gehst von Hause fort. Es kann so viel am Tag geschehn, wer weiß, ob wir uns wiedersehn." Ja, pass auf.

Morgen früh, wenn Gott will.

Ja, pass auf. Genau. "Sag lieb ein Wort zur guten Nacht, wer weiß, ob man noch früh erwacht."

Jetzt ernsthaft? Hing das wirklich überm Bett?

Pass auf. Das ist noch nicht vorbei. "Das Leben ist so schnell vorbei. Und dann ist es nicht einerlei, was du zuletzt hast mir gesagt, was du zuletzt hast mich gefragt. Drum lass ein gutes Wort das letzte sein. Bedenk, das letzte könnts für immer sein." Das ist mir heute wieder

Ich sage ja, das ändert sich in den Generationen. Da wünscht man sich Markus Söder, der ein Kreuz aufhängt.

Das ist mir heute wieder eingefallen. Ich dachte mit sieben die ganze Zeit, meine Mutter will mir indirekt sagen, dass einer von uns stirbt. Weswegen ich jetzt immer nett sein muss.

Dass man indirekt mit seinen Kindern redet. Mit Achtjährigen. Hast du den Subtext verstanden? Es geht um Leben und Tod.

Ich habe es eher als Druck verstanden, nett zu sein. Möglichst nett zu sein. Es hat mich wahnsinnig unter Druck gesetzt. Ich glaube, ich habe bis heute wahrscheinlich ein Trauma deshalb. Es war wahnsinnig krass.

Ich glaube, man kann das besser formulieren. Die Grundaussage ist natürlich richtig. Dass man sich grundsätzlich in einem Zustand verabschiedet, den man repräsentativ findet für das, was man füreinander fühlt. Das ist ganz gut. Dass man niemanden, vor allen Dingen Kinder nicht, Erwachsene sollte man jedoch genauso wenig mit Streit ins Bett schicken. Vor allen Dingen, wenn es schwachsinniger Streit ist, was 99 Prozent von jedem Streit ist. Dass man am Ende die Kurve kriegt und sagt, vielleicht finden wir jetzt nicht die Lösung, vielleicht ist es jetzt nicht wichtig gewesen, vielleicht rege ich mich dennoch noch eine Stunde auf, es sind jedoch immer so diese drei Säulen, die man hat. Manchmal gibt es einen Streit, da tritt man eine Säule weg. Manchmal gibt es dann einen Streit, da trittst du zwei Säulen weg. Diese dritte, diese eine, auf der dann alles weiter stehen sollte, die sollte man in Ruhe lassen. Ich glaube so, das meine ich eher.

Das verstehe ich. Das verstehen wir alle.

Genau. Wenn Gott will.

Wenn Gott will. Die zweite Frage ist: Etwas, das du von deinen Großeltern gelernt hast. Du sagst: Die Fleißigen rennen sich tot, die Faulen schleppen sich tot. Wo würdest du dich da einordnen?

Mir fällt das immer so ab und zu immer wieder ein. Das hat meine Oma immer gesagt. Natürlich bin ich definitiv im Bereich der Faulen, da ich einer von denen bin, die immer alles auf einmal nehmen, obwohl sie problemlos zweimal gehen könnten.

Ja. Das kenne ich.

Wenn man so sechs, sieben, acht Sachen hat und denkt, das funktioniert noch. Eines fällt natürlich runter.

Immer.

Dann denkt man sich, man wie dumm. Dann gehörst du zum Bereich der Faulen. Fleißige Leute sagen, das mache ich eben schnell, renne hin und her. Die Faulen müssen es dennoch von A nach B bringen. Die schleppen alles auf einmal. Das hat meine Oma mir beigebracht. Nicht nur das, jedoch unter anderem. Meine Oma hat mir ebenfalls beigebracht, wie man Unkraut zwischen den Steinen auf der Auffahrt rauskratzt.

Mit dem Messer? Oder hatte deine Oma einen besonderen Trick?

Mit dem Kartoffelschälmesser, ja.

Ja, das kann ich ebenfalls. Das hat meine Oma mir ebenfalls beigebracht.

Ja, das kann ich bis heute.

Meine Oma hatte einfach keinen Bock, es immer selbst zu machen. Deswegen kann man das in dem Sinne nicht wirklich so was nennen, was sie einem wirklich beigebracht

Nein, so angeordnet.

Genau. Top Sprüche meiner Kindheit habe ich deshalb rausgesucht. Es wäre toll, wenn du um deine ergänzt.

Mhm.

"Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr". Ist mein Platz Nummer eins. "Der frühe Vogel fängt den Wurm". "Nach dem Essen muss man eine halbe Stunde warten, bis man wieder ins Wasser darf, sonst geht man unter wie Blei". "Eines Tages bleibt dein Gesicht so stehen". Wenn man Grimassen geschnitten oder geschielt hat. "Andere Mütter haben auch schöne Söhne". "Ich finde es nicht gut, aber das musst du selber wissen, was du machst". "Sind wir alle anderen?" "Ich habe schon Gäule kotzen sehen".

Ja. Okay.

Kannst du ergänzen? Oder deckt sich das mit deinem?

Kann ich ergänzen, ja.

Was hast du gelernt.

Der Satz "Klaas, das ist ein Mindesthaltbarkeitsdatum".

Oh Gott, was hast du gemacht?

Nichts. Ich habe einfach gesagt, Mama, auf diesem Joghurt steht drauf, dass der seit zwei Tagen abgelaufen ist. Dann hat sie gesagt, das ist ein Mindesthaltbarkeitsdatum. Das heißt nicht, dass der in dem Moment explodiert, sondern, man kann ihn immer noch essen. Ich habe sehr viele abgelaufene Sachen gegessen zuhause, weil es zu schade war, wegzuwerfen.

Ja.

Das zum Beispiel. Was gab es noch. "Wie kann ein Mensch so blöde sein?", habe ich ebenfalls oft.

Stimmt. Das habe ich vergessen.

"Wie kann EIN Mensch so blöde sein?"

Bei uns immer "sag mal, wie doof bist denn du eigentlich?", so.

Ja. Bei uns war das eher (unv. weil Dialekt). Hat meine Oma oft gesagt.

Was heißt das?

Das heißt so viel wie: Jetzt setz dich endlich mal hin und nerv nicht. Ja.

Ah, verstehe. Ja. Was wolltest du früher später auf keinen Fall machen? Du hast gesagt, in meiner Heimatstadt Fuß fassen. Was spricht gegen Oldenburg?

Es spricht prinzipiell nichts gegen Oldenburg. Oldenburg ist eigentlich eine schöne Stadt. Ich weiß nicht, ob der eine oder andere schon mal die Gelegenheit hatte, die schöne Stadt im Herzen Niedersachsens zu besuchen. Es ist eine schöne Stadt. Es war eine tolle Stadt, um 18 zu werden. Ich finde, es gehört irgendwie dazu, dann doch sich noch mal was anderes anzuschauen. Ich halte es für fatal, wenn man ... egal, in welcher Stadt. Man sollte mal irgendwie weg.

Fändest du es schlimm, jetzt wieder zurückzukommen? Geht es nur um, mal rausgekommen zu sein?

Ja.

Oder ist es ebenfalls eine Niederlage, wenn man wieder zurück muss?

Man weiß ja, warum man das macht. Ich bin jetzt milder, als diese etwas radikale Ansicht. Das liegt natürlich ebenfalls an der eigenen Unsicherheit. Man fährt los, hat große Pläne, die man stolz an der Bar verkündet und sagt, ihr Idioten, irgendwann bin ich weg.

Mich zieht es ins Licht, Freunde.

Ja. Ich gehe zum Fernsehen.

Das habe ich ebenfalls gesagt. Alle, ja, zu GZSZ.

Ich bin erst mal zum Zivildienst gegangen und wusste deswegen nicht, ob das alles so funktioniert. Ich glaube, dieses Militante, dieses absolute ablehnen und sagen, ja, jeder, der hierbleibt ist ein Idiot und so, das ist eine Verteidigung der eigenen Unsicherheit. Das ist zehn Jahre her, man hat Kontakt mit Leuten, die da wohnen und im Moment, wo man merkt, die sind ebenfalls glücklich geworden, vielleicht gibt es sogar einige Punkte in deren Leben, die ein bisschen besser als in meinem eigenen sind, dann entscheidet man sich immer noch für das eine oder andere. Vielleicht aus ganz anderen Gründen. Das Motiv ist jedoch ein ganz anderes. Das war erst mal nur Abgrenzung. Das hilft. Also, wenn du aufhörst zu rauchen und ab Tag zwei, wo du nicht mehr rauchst, sofort alle beleidigst, die noch rauchen. Einfach sagst, wie dumm kann man sein, immer noch zu rauchen. Natürlich hilft einem das, seine eigene Meinung zu verfestigen und die Mauer immer höher zu ziehen. Und das ist wirklich peinlich, wenn man da noch mal drüber springt.

Ja. Das verstehe ich. Das hast du sehr gut reflektiert. Meine Güte. Das hätte ich so nie sagen können. Ja, scheiße, wenn man wieder Heim muss.

Bin auch überrascht.

Was ist für dich Provinz? Ich finde zum Beispiel, Provinz ist total, dass in der Provinz, wenn die Ampel auf gelb geht, alle anhalten. Großstadt bedeutet für mich, die Ampel auf gelb, alle geben Vollgas. Es gibt doch so Sachen. Wenn du in deine Stadt zurück gehst und denkst, geil, die haben immer noch Kiba auf der Karte. Haben die seit zwanzig Jahren. Es ändert sich nichts. Du hast da schon den Kiba bestellt. Oder dass die sagen, du Kathrin, wir haben jetzt einen Bubble-Tea-Laden. Dann sagt man, die haben bei uns schon alle Pleite gemacht. Ist einfach egal. Neulich habe ich festgestellt, der Öko-Trend hat sich nicht durchgesetzt. Hat man noch gar nichts von gehört. Habe ich neulich mal was von Vegan oder so erzählt. Dann war die Antwort: Wir essen Fleisch. Da wusste ich, okay, ja. Das ist so. Hast du auch was, was du mit Provinz in Verbindung bringst?

Oldenburg ist nicht so richtig Provinz. Das sind 200.000 Leute. Ich halte das nicht für ein Dorf. Es gibt alles, was man in richtigen Städten findet, jedoch nur einmal. Da gibt es zum Beispiel ebenfalls eine Schickeria. Da gibt es einen Laden, da treffen sich alle. Da gibt es den einen Chef. Da weiß jeder, wie der mit Vornamen ... dieses, dass man immer weiß, wie alle mit Vor- und Nachnamen heißen.

Ich weiß. Bei uns ist es das "Sandy". Wie heißt der bei euch?

"Malheur" hieß der früher. Da gab es Norbert Kloppenburg. Das war ein ganz feiner Mann. Der hat, sagen wir mal, das bisschen Sylt, was Oldenburg zu bieten hat, zusammengehalten. Wie einen Sack Flöhe. Da gingen die feinen Leute hin. Da wurde mit abgespreiztem Finger Sekt getrunken. Sekt und Lachs. Das war cool in den Achtzigern. Wenn man Sekt und Lachs hatte, war man fast schon adelig.

Ja. Das stimmt.

Das finde ich sehr provinziell. Dann natürlich alles, was drumherum ist. Zum Beispiel diese Vatertags-Saufereien. Das ist toll. Dass man am Vatertag schon mit 14 mit dem Fahrrad losfährt nach ... bei uns gab es zum Beispiel Petersfehn I und Petersfehn II.

Was ist das?

Das sind zwei Dörfer, die nummeriert wurden, weil es egal ist. Jeddeloh I und Jeddeloh II gibt es ebenfalls noch. Erst trifft man sich zum Saufen an der Stadtgrenze. Für die ganz harten geht es dann weiter. Wenn du da langfährst, siehst du wirklich regelmäßig die Leute in diesen Versorgungsgräben der Bauern liegen. Du fährst dahin, bist stark betrunken und stehst vor irgendeinem Laden auf der Straße rum, neben so einem Bierwagen. Da musst du zusehen, so gegen 15:00 Uhr, 15:30 Uhr muss man weg, dann gehen alle Vernünftigen nach Hause und die Super-Assis sehen sich dann gegenseitig. Dann fangen die Schlägereien an.

Ist ja toll.

Ja. Da werden Leute wirklich immer halb totgeschlagen. Das gehört jedoch dazu.

Ach so.

Ja. Ist ganz normal.

Okay. Krass. Schön da bei euch. Schön. Das haben wir nicht. Bei uns ist alles ähnlich, wir haben es jedoch.

In Berlin haben wir es ebenfalls, jedoch nicht immer Vatertag.

Das stimmt. Das stimmt.

Das gibt es. Das haben wir ebenfalls.

Was wolltest du als Jugendlicher werden und wie hast du es dir damals vorgestellt, ist die nächste Frage. Du sagst, ich hatte eine vage Vorstellung meines erwachsenen Ichs. Genau diese vage Vorstellung habe ich noch immer und fühle mich sehr wohl damit.

Genau. Es ist so die Idee von etwas, was ich vielleicht mal werde.

Ich glaube dir gar nicht.

Hältst du mich für kokett?

Du bist reingekommen und hast gesagt, ich habe eine Störung, mich zieht es ins Licht. Da glaube ich dir doch nicht, dass du jetzt eine vage Vorstellung davon hattest.

Nein. Hast du das nicht? Dass man sich irgendwann mal vorgestellt hat, wie man ist, wenn man erwachsen ist.

Ja, wie hast du es dir vorgestellt?

Ja, weiß ich auch nicht. So zufrieden, man weiß alles Mögliche.

Ja, das dachte ich ebenfalls. Man ist weise. Man ist sehr weise.

Man kommt nach Hause. Man hat einen Plan. Man weiß, wo man den Haustürschlüssel immer hinlegt und so. Also so erwachsen sein halt.

Ja. Ich habe mir eine Top fünf für dich überlegt. Fandest du früher, Spazierengehen war etwas sehr Erwachsenes?

Spaziergehen ist sehr erwachsen. Bei uns hieß es nicht Spazierengehen. Bei uns hieß es, um den Pudding laufen. Den kleinen Pudding, großen Pudding. An hohen Festtagen wurde der große Pudding umlaufen.

Was ist der große Pudding bei euch gewesen?

Einfach eine größere Strecke wurde dann gelaufen.

dass der große Pudding dann schöner wird.

Kleiner Pudding ist mit wenig Zeit. Kleiner Pudding.

Okay. Es hätte sein können, großer Pudding, toller See, Strand.

Ich weiß nicht, wie man das so nennt. Ich weiß nicht, wie man es hier sagt. Es gibt wahrscheinlich regionale Unterschiede, wie man so was nennt. Bei uns hieß es, einmal um den Pudding laufen, einmal frische Luft. Muss ich machen.

Ja. Das klingt wahnsinnig nach etwas, was man unbedingt machen möchte.

Ja. Ich möchte diese Antwort noch mal der Frage "was ist Provinz" hinzufügen. Wenn das im Nachhinein geht.

Findest du Steuern machen erwachsen?

Ja, sehr. Der Steuerberater, der gleichzeitig im Kegelverein meiner Eltern war, hieß Wilfried und war ausgewiesenermaßen der langweiligste Mensch der Erde. Der kam immer vorbei. Wilfried war ein sehr weicher Mann, der bei uns am Esstisch saß und so Zettel dabei hatte. Das ging bis spät abends und so. Dann hat man nicht nur Mama und Papa gute Nacht gesagt, sondern ebenfalls Wilfried. Der saß dann da und ging immer erst, wenn man schon geschlafen hat und so. Der kam ab und zu zum Steuern. Als Kind dachte ich bereits, mein Gott Wilfried, mach doch mal was aus dir. Was ist los?

Fandest du Tagesschau gucken sehr erwachsen?

Ja. Tageschau, ja, klar. So Fernsehen, was einen schnell nicht mehr interessiert. Als Kind weiß man, wenn das anfängt, der Fun is over. Wir hatten natürlich nur einen Fernseher.

Was ist das? Das Sofa? Das rote Sofa? Das? Ist es das?

Ja, ja. Das gibt es ebenfalls. Du meinst diese Sendung im NDR, wo immer alle auf einem roten Sofa sitzen?

Ich dachte, du meintest die.

Was?

Welche meintest du denn? Ach so (lacht).

Wovon sprichst du denn?

Ja, ich habe gedacht, wenn DAS anfängt

Hast du dir den Kopf gestoßen oder Jessica Schwarz?

Ja. Das hatte zu lange keinen Sauerstoff. Jetzt habe ich es, glaube ich, verstanden.

Das rote Sofa wurde ebenfalls viel geguckt, da wir aus Norddeutschland kommen, da wurde viel NDR geguckt.

Ja, deswegen dachte ich, dass du das meinst.

Die Leute gucken entweder NDR oder aus dem Fenster. Es ist im Prinzip das gleiche.

Ja. Das stimmt. Die schlimmste Erfahrung mit Tieren ist wahnsinnig schön. Du hast geschrieben, mich hat mit acht auf dem Spielplatz ein Frettchen gebissen.

Ja.

Ich wurde mit zwei Jahren im Oldenburger Schlosspark von einer Horde Gänse angegriffen. Und ich bin in der vierten Klasse von einem Pferd gefallen. Außerdem habe ich mal meinen Hamster auf der Terrasse vergessen. Es war zu kalt dafür an dem Tag.

Beim Sauber machen.

Ich will dich andersrum fragen. Hast du ebenfalls positive Erfahrungen mit Tieren?

Ja, viele. Wir hatten viele Tiere.

Okay. Warum hast du dich von einem Frettchen beißen lassen?

Irgendeiner hatte das mit und dann hat mich das gebissen. Wir hatten das jetzt nicht lange geplant. Okay. 15:00 Uhr. Du bringst das Frettchen.

Ich dachte, das ist gar nicht so leicht.

Ich werde da sein.

Ich dachte, es ist nicht so leicht, sich von einem Frettchen beißen zu lassen. Es ist ein Frettchen, Mann. Du warst acht.

Frettchen beißen ständig. Es ist ebenfalls relativ leicht, sich vom Hamster beißen zu lassen und so. Es ist im Prinzip so leicht, wie sich von einer Biene stechen zu lassen.

Ach, das ist voll unspektakulär und dann hast du mir das hier reingeschrieben oder was.

Ja, meine Güte. Ich habe nun mal noch nicht einen Wal erstochen. Was soll ich sagen? Du willst was mit Tieren wissen. Das sind meine Erfahrungen.

Okay. Was war mit den Gänsen? Was war mit der Horde Gänse? War das spannend?

Ja, Gänse sind, wie man weiß, aggressive Tiere. Ich saß in einem Trolley, weiß es natürlich nur aus Erzählungen, und meine Mutter hat die mit der Handtasche verkloppt.

Ehrlich?

Einige sind, wenn man der Heldengeschichte meiner Mutter glauben darf, nicht mehr aufgestanden.

Ehrlich wahr? Ist aber eine wahnsinnig schöne Geschichte.

Ja. Es ist eine Löwenmama.

Ja, total. Glaubst du, dass Tiere vielleicht gar nicht so nett sind? Man tut immer so, als wären die alle süß.

Ich glaube, alles von der Größe unter Katze hat keine Seele. Glaube ich.

Gilt das auch ins Flache? Krokodile und so.

Das war nur ein Spaß. Ich weiß, dass alle Tiere natürlich eine Seele haben.

Ich glaube, die haben nicht so einen tadellosen Charakter, wie wir immer denken. Ich glaube, es sind ziemlich viele Arschlöcher dabei, ehrlich gesagt.

Ich weiß es nicht. Um richtig so ein Arschloch herauszufinden, muss man sehr nah dran sein. Viel ist Prägung in der Kindheit.

Ich war nah dran. Ich habe eine Geschichte. Ich war mit meinen Eltern früher immer am Wolfgangsee. Wir mussten immer an den Wolfgangsee. Warum auch immer. Ich war kein einziges Mal im Wolfgangsee. Als wir das erste Mal am Wolfgangsee ankamen, war ich noch relativ klein, vielleicht ebenfalls acht, wollte gerade in den Wolfgangsee reinsteigen, kommt ein Schwan angeschwommen, hat Durchfall, scheißt den See voll und schwimmt wieder weg. Ich dachte, ja, schönen Dank. Ferien gelaufen. Wir sind jedes Jahr dahingefahren. Ich war nie drinnen. Komm, das ist ekelhaft. Das hat der absichtlich gemacht.

Du kannst doch nicht als Kind geglaubt haben, dass der das zum ersten Mal gemacht hat. Wo geht der sonst hin? Normalerweise geht er zum "Weißen Rösl" und kackt da.

Ja. Der ist extra hergeschwommen. Der war da nicht. Dann kam ich. Ich kam, dann kam der. Das war pure Provokation.

Also auch Schwäne sind, glaube ich

Fiese Menschen.

Ja. Deswegen hat man die nicht als Haustiere. Ich glaube, man kann genau unterscheiden. Tiere, die so eine Größe haben, wie Schwäne, wenn die irgendwie cool wären, hätte irgendeiner die bereits als Haustiere.

Das stimmt. Schwäne kann man einfach nicht cool machen.

Nein.

Wodurch hast du den Kontakt zu Freunden aus Jugendtagen verloren, ist die nächste Frage. Du sagst, nicht zu jedem, aber wenn, dann durch den Wohnortwechsel und das verlieren gemeinsamer Themen durch sehr unterschiedliche Lebenswege. Habe niemanden absichtlich oder im Streit verloren. Jetzt ist es schon das zweite Mal, dass du die Streitvermeidung erwähnst. Ich wollte dich fragen, kannst du streiten?

Ich kann streiten. Ich glaube, ich bin nicht besonders nachtragend. Das heißt, wenn es Streit gab, dann kann ich den wieder beenden und vergesse das. Also nachtragend im Sinne von, ich erinnere mich da wirklich nicht mehr dran.

In jedem Falle?

Nein, nicht in jedem Falle. Es gibt Sachen, die nicht gut sind. Da muss nicht immer Streit folgen. Da kann einer mal etwas ganz Schlimmes machen und man redet einfach nicht mehr miteinander. Man muss nicht sofort wie so, nein, doch, nein, doch, nein, doch. Es gibt manchmal Sachen, da meidet man vielleicht jemanden oder ohne, dass man es merkt, geht man doch einen anderen Weg. Irgendwann stellt man fest, mit dem habe ich lange nicht mehr geredet. Dann fällt es einem wieder ein.

Da war doch was.

Ja. Dass man irgendwie keinen Bock hat, jemanden anzurufen und gar nicht so richtig drüber nachdenkt. Ich glaube schon, nicht alle, jedoch ein Großteil von Streitthemen sind zwei Wochen später nicht mehr so wichtig. Und dieses Nachtragend...

Das ist aber schwer zu denken, in der Situation, in der man ist.

Das habe ich nicht gesagt. Ich streite mich durchaus schon mal. Ich schätze es ebenfalls, wenn ich mit Leuten streiten kann, die das nicht persönlich nehmen, wenn ich ebenfalls mal ... keine Ahnung, es gibt ja so, wenn man Hunger hat, müde ist und sonst noch fünf andere Sachen sind, ist man gereizt, streitet rum und schreit sich an. Das habe ich ebenfalls mit Kollegen, mit denen ich ganz lange zusammenarbeite. Ich schätze das sehr, dass man sich anschreien kann, echt fies wird oder wütend und so. Und dann weiß man sowieso, es geht nicht anders, man muss wieder zusammenkommen. Ich mag das, wenn man sich dann wieder einkriegt und es ist wieder in Ordnung. Ich schätze das sehr, wenn einer das so kann. Ich kann das ebenfalls.

Cool. Ist eigentlich eine gute Eigenschaft.

Ja, finde ich schon. Ja, klar.

Das nicht persönlich zu nehmen ist voll gut.

Ja. Nicht auf lange Sicht. In dem Moment natürlich schon, sonst würde man nicht doof rumstreiten. Man könnte nicht immer logisch sagen, nein, hier gerade haben wir einen Konflikt und so. So bin ich nicht.

Hast du Moves? Hast du so was wie, ich habe schon Türen geschlagen, heulend, schreiend, Gedöns. Solche Sachen. Die Wohnung verlassen, den Schlüssel nicht mitgenommen, wieder klingeln müssen, Erniedrigung. Also so. Hast du so Moves? Wo du sagst, wenn es zum Streit kommt, da setze ich drauf.

Dass ich so hysterisch werde und eine Szene mache. Meinst du?

Ja. So in der Art. Du kannst ja das Geschirr kaputtmachen.

Nein. So was mache ich nicht. Selbst im Streit, wenn etwas zu Bruch geht, sage ich, wie dumm, dass du das jetzt kaputt gemacht hast.

Wie dumm bist du eigentlich.

Das ist eigentlich mega dumm. Das hat so offensichtlich nichts mit dem Streit zu tun, dass das jetzt kaputt ist.

Ja. Das ist wirklich.

Wie? Da musst nicht mal lange nachdenken, dass man sagt, natürlich kann dieser Gegenstand erst mal nichts dafür. Da habe ich...

Das denkst du dann noch?

Ich denke das gar nicht.

Das ist ja faszinierend.

Du denkst dann, nein. Guck mal, ich würde jetzt nicht im Streit denken, ich mache jetzt vor Wut irgendwas anderes Sinnloses. Ich denke jetzt nicht, ich mache vor Wut einen Handstand oder so. Das ist für mich genauso sinnlos, was kaputt zu hauen, wie so was. Das ist in meiner Optionen-Liste nicht drinnen.

Ich habe schon Drucker an die Wand geworfen, weil das Scheißteil nicht gegangen ist.

Wirklich?

Jetzt ist es besser geworden. Aber früher

Wirklich. Normalerweise erzählt man Sachen, wo Leute sich wiederfinden und sagen, habe ich ebenfalls schon mal gemacht. Das ist nicht so eine Geschichte.

Aber das ist mir doch egal. In meinen Zwanzigern habe ich Sachen an die Wand, also nur, wenn sie mich provoziert hatten, weil sie zum Beispiel nach stundenlangem googeln, wie sie wieder funktionieren könnten, nicht gegangen sind. Dass man so wütend über etwas ist, das man es kaputt macht.

Nein, ich glaube, ich kann ... was ebenfalls gemein ist, ist, wenn man ruhig bleibt, dann jedoch ganz gemeine Sachen sagt.

Das ist das Schlimmste. So einer bist du nicht. Nein. So bist du nicht. Doch?

Manchmal, ja. Ich probiere, mir das abzugewöhnen, dass man in dem Moment einfach ganz gemein wird und alles, was man draufhat, abruft. Im Nachhinein tut einem das leid. Ich habe mir vorgenommen, ich will keinen Streit mehr gewinnen, wenn ich weiß, ich habe nicht recht.

Oh. Das ist sehr weise. Das ist auf jeden Fall ein Schritt nach vorne.

Manchmal weiß man schon, man hat nicht recht, könnte jedoch den Streit durch so Tricks gewinnen.

So, wird der andere sich bei mir entschuldigen? Warte, noch drei Umdrehungen.

Ja, genau. Das probiere ich einfach zu vermeiden. Ich probiere zu erkennen, habe ich recht oder nicht, und dann einfach mal, ja, das berühmte auch mal die Fresse halten und so. Man sagt, die Qualität einer Freundschaft oder einer Verbindung zweier Menschen ist die Anzahl der Stinkefinger hinter geschlossenen Türen.

Ist das? Das habe ich noch nie gemacht.

Ja, wenn die Situation schon vorbei ist und es muss noch raus.

Ist das nicht so klischeemäßig wie im Film? Kennst du nicht diese ganzen Filme, wo dann meistens Frauen irgendeinen Typen gut finden, und dann (zappelt) neben der Tür stehen und sich einfach freuen und so.

Ja, weil sie vorher cool bleiben wollten.

Ja, genau. So ist das ein bisschen, oder?

Mhm.

Okay. Gut. Gute Überleitung zur nächsten Frage. Was ist das Erwachsenste, was du machst? Früh aufstehen. Früh schlafengehen. Wohnen. Und gelegentlich gleichaltrige Siezen. Das mit dem gleichaltrige Siezen ist am allerschlimmsten, oder?

Das ist jetzt so mittlerweile.

Ich habe neulich meinen Bankberater gesiezt und wusste, er ist auf jeden Fall fünf Jahre jünger als ich. Was ich sehr verstörend finde, dass du plötzlich in offiziellen Positionen Leute hast, die offenbar jünger sind als du. Wie konnte das passieren. Aber das ist wirklich. Dann siezt man den und man weiß, es ist so albern. Und er so, haben Sie sonst noch einen Wunsch? Nein, danke, das war dann erst mal alles. Man redet direkt so geschwollen daher. Es ist schrecklich.

Ja. Das ist so Schilder-Deutsch, was man spricht.

Ja.

Das ist untersagt hier und so. So Sachen, die man nie sagen würde. So Schilder-Deutsch.

Ja. Findest du, dass es Dinge geben sollte, ich finde das, die Erwachsene immer noch bräuchten. Wie zum Beispiel eine Hüpfburg oder so. Oder einen Erwachsenen-Buggy. Warum gibt es keinen Erwachsenen-Buggy?

Weil Erwachsene Autos haben. Ach so, einen Buggy zum ... ich dachte, du meinst jetzt so einen

Du wirst geschoben im Buggy. Du kannst dich in den Buggy setzen und schiebt dich.

Irgendwann werden wir in den Genuss kommen, dass uns einer schiebt.

Das meine ich nicht. Ich meine, so lange es noch Spaß macht.

Nein, so Sachen denke ich nicht. Es gibt Leute, die noch mal richtig als Baby leben wollen. Da gibt es Einrichtungen für.

Das hat damit nichts zu tun. Aber Erwachsenen-Spielplätze zum Beispiel.

Du meinst so Klettergarten und Manager-Training.

Nein, das finde ich schon zu erwachsen, so Klettergarten. Ich finde wirklich so Spielplätze für Erwachsene.

Wie bei Google im Büro.

Ja, da war ich noch nicht. Aber vielleicht, ja. Das ist doch super. Warum gibt es das nicht? Du hast im Prinzip keine Aggressions-Abbaufläche im Alltag. Dafür wären Spielplätze super. Die Leute müssen jetzt noch ins Fußballstadion und so Zeug. Das könnten sie dann einfach auf dem Nachhauseweg von der Arbeit direkt sich ein bisschen auf dem Erwachsenen-Spielplatz abreagieren.

Das geht so in eine Richtugn von Leuten, die wirklich...

Richtig einen an der Klatsche haben.

Nein. Aber es gibt manchmal welche, die sagen / da ist dann so ein Artikel im Tagesspiegel darüber, erstmalig in Berlin natürlich gibt es dann "Before-work-Clubs" und so. Dann gehen die Leute um 10:00 Uhr morgens dahin. Es wird natürlich kein Alkohol getrunken, jedoch super geil getanzt. Man ist um 12:00 Uhr so richtig super drauf, wenn man ins Büro geht. Dann siehst du Fotos davon und denkst, ja, alles klar. Das ist so ein bisschen diese Ecke. Oder so Kuschelpartys und so.

Findest du?

Kennst du Kuschelpartys? Alles, was man sich vorstellen kann, gibt es in Berlin. Es gibt Kuschelpartys. Die Leute sind so schlangenartig in so einer Grube, fallen die so übereinander her und schleichen sich so aneinander ran. Kein Sex. Nur kuscheln. Wenn einer dann doch irgendwie denkt, da geht was, dann haut einer auf den Gong und es lösen sich alle wieder. Das geht eigentlich nur darum, um diese Berührung, diese Sinnlichkeit und mit fremden Leuten und nicht nur so nebeneinander her in der Gesellschaft. Und so. Auch mal anfassen. Mal über die Wange streicheln.

Weißt du, ob es ein Kratzstudio gibt? Das wäre praktisch, wenn man in der Mittagspause mal kurz zum Rückenkratzen gehen könnte. Und dass jemand für einen zehner dir mal den Rücken kratzt.

Ich glaube, es gibt Ecken in Berlin, da kratzt dir einer für zehn Euro den Rücken. Wenn man nett fragt.

Okay. Gut. Das kann sein.

Die sagen dann so: und sonst nichts?

Das meine ich doch nicht.

Ja. Kratzen bitte.

Ich meine das in seriös. Seriöses Kratzen als Geschäftsmodell.

Dass man so eine halbe Stunde lang, so über die Toleranzgrenze von Freunden hinaus, links, links, links, weiter oben, rechts, rechts, rechts.

Das kommt immer zu kurz. Jeder hat dieses Kratz-Trauma.

Leute machen das dann kurz. Die haben recht schnell keinen Bock mehr, wenn man dann so...

Ja. Es ist richtig schwierig, an gute Leute zu kommen, die wirklich wissen. Es kommt auf die Handstellung, die Nagellänge, den Druck, das ist ein richtig kompliziertes Business, wenn man es genau nimmt.

Ja, da sind auf jeden Fall viele schwarze Schafe dabei.

Etwas, das du als Kind gemacht hast und das dir heute unangenehm ist. Du sagtest, unglaubwürdige Erlebnisse ausdenken.

Ja.

Was denn zum Beispiel für welche?

Was denn zum Beispiel. Ich habe mal erzählt, dass mein Vater bei der Wasserschutzpolizei ist. Jeder, der mich ärgert, wird bei Haien rausgelassen in der Nordsee. So Sachen halt.

Toll. Wurde dir geglaubt? Ja bestimmt. Es gibt so ein Alter, wo man einfach so Sachen erzählen kann.

Ja, ja. Klar. Es gibt auf jeden Fall so ein paar, die glauben das immer. Ja. Kann man das so erzählen. Ja. Oder so ein bisschen übertrieben. Ich weiß es nicht mehr im Einzelnen. Ich kann mich daran erinnern, dass man dann, aus heutiger Sicht, absurd gelogen hat.

Ja. Ich habe das ebenfalls gemacht. Ich habe immer Geschwister erfunden.

Ja. Das gehört dazu. Wahrscheinlich bildet es die Fantasie aus. Wahrscheinlich hat das einen weiteren Zweck, weil hier oben noch nicht alles komplett miteinander vernetzt ist. Irgendwie ist das gut. Man denkt sich in einem gewissen Alter Leute aus, die nicht da sind, und hat Angst vor Sachen, die nicht da sind. Ich glaube, das hat seinen Platz in der Kindheit.

Gut. Haben wir das ebenfalls. Es heißt übrigens, ich habe das geguckt, wenn man oft lügt oder Geschichten erfindet, das nennt man Pseudologie. Das wusste ich nicht.

Lügen oder was.

Pseudologie. Pseudologie heißt das. Ja. Gut.

Okay.

Merk dir das. Ein Nachteil von Familienleben. Da hast du gesagt, ich soll das beantworten. Es gibt immer diesen einen Joker, wenn du eine Frage in einem Block nicht beantworten möchtest, soll ich das beantworten. Ein Nachteil von Familienleben. Da habe ich lange nachgedacht. Ich finde, es sind die Muster, aus denen man nicht mehr rauskommt. Zum Beispiel wohnt bei uns die Oma mit im Haus. Seit ich denken kann, kenne ich meine Oma. Seit ich denken kann, sagt meine Oma jeden Tag, ich bin 15 Jahre weg und nur mal zwei Tage zu Besuch, dennoch sagt meine Oma jeden Tag zwei Dinge. Das erst ist: "Ja, kannst du um die Zeit schon wach sein? Wo schreiben wir das rein?" Und das zweite ist: "Ja, willst du in den Klamotten raus?" Immer. Immer. Jeden Tag. Es macht einen doch wahnsinnig. Wenn es nicht deine Familie wäre, hättest du der schon lange eine geschallert oder den Kontakt abgebrochen.

Mhm. Ja, das stimmt. Das sind die Nachteile. Dass man sich erträgt. Wenn man so viel zusammenhängt, natürlich hat jeder...

Ich hänge nicht viel mit ihr zusammen.

Nein. Jedoch damals, oder?

Ja, damals schon. Sie macht es jedoch bis heute und wir hängen gar nicht mehr ab.

Naja, gut. Okay. Das sind so Sachen, die übergeblieben sind. Diese Muster wird man nicht mehr los wahrscheinlich.

Hat Familie für dich nur Vorteile?

Nein. Es gibt natürlich, wie überall / man muss das immer, glaube ich, das ist nichts, was fertig ist. Das geht immer weiter. Man kann nicht sagen, so, jetzt ist die Familie super und die benutze ich jetzt zwanzig Jahre.

Schade eigentlich.

Das ist ja so ein laufender Prozess. Es ist nie fertig. Es ist im Prinzip wie der Kölner Dom. Wenn du oben fertig bist mit dem Restaurieren, kannst du unten wieder anfangen.

Da hast du recht. Das ist das perfekte Beispiel.

Das ist, wie einen Affen rasieren.

Besser hätte man es nicht sagen können.

Familie ist wie Affen rasieren.

Sehr gut.

Das können Sie zitieren.

Etwas aktuell Gehyptes, das du für Bullshit hältst. Da hast du gesagt, diese Tunnel in den Ohren. Du weißt, diese Löcher. Tunnel-Gedöns.

Das ist eine Sache, die ich nicht so gut verstehe, ja.

Ja. Okay. Ich übrigens ebenfalls nicht.

Ist eine Geschmackssache. Wer das machen will.

Ja, ja. Das muss man dazu sagen. Das ist politisch korrekt. Das Wort "Prank" und die Berliner Club-Kultur. Hat man gar nicht gemerkt. Und ich wollte jetzt mit dir die bescheuertsten Hashtags, die bescheuertsten neuen Moden und so durchgehen. Ich habe beim googeln etwas anderes gefunden. Es gibt eine Seite, wo jemand Fragen zusammengestellt hat, die angeblich wirklich mal im Internet gestellt wurden. Das würde viel...

Ja, das ist ja alles bei gutefrage.de oder wie das heißt.

Nein. Ich weiß nicht mehr, wie sie hieß. Ich fand es lustiger als die Hashtags. Deswegen bin ich umgeschwenkt. Pass auf. Ich sage es dir. Fragen, die angeblich wirklich mal im Internet gestellt wurden. "Die Katze, die ich überfahren habe, läuft rum und hat aufgehört mit den Geräuschen. Ich habe ihr Milch angeboten. Sie trinkt ein bisschen und hüpft die ganze Zeit. Soll ich trotzdem Tierarzt anrufen?" Toll. Dann: "Kennt jemand das Lied, wo ich suche? Wirklich wichtig. Suche ein Lied, wo sich ungefähr so anhört. Dö-dö, dö, dö-dö, dö-dö-dö-dö-dö-dö-dö".

Eye of the Tiger.

Dö-dö, dö, dö, dö. Nein, es kommt nicht hin. Schade. Ich habe drauf gesetzt, dass du es löst.

Dö-dö-dö, dö-dö-dö-dö-dö.

Ja, das könnte es auch sein.

War mal bei HP Baxter auf dem Geburtstag, fällt mir gerade ein.

Privat?

Ja.

Oder hast du bei ihm gesungen. Offiziell.

Nein. Privat. Fällt mir gerade so ein, als ich das singe.

Ja. Und war das schön?

Ja. Das war witzig.

Was für Musik lief da? Was hört HP Baxter privat für Musik auf seinen Feten?

Ja. Auch so Bums-Musik. Das war wirklich sehr gut. Am Eingang stürzte Klaus Meine auf mich zu. Der ging dann nicht mehr weg. Der war so froh, dass da ein anderer normaler kommt. So habe ich Klaus Meine von den Scorpions kennengelernt.

Toll.

Ja. Der sagte, hey, Klaas. Und dann war der die ganze Zeit bei mir. Und HP habe ich dann auf der Tanzfläche in seinem Wohnzimmer gefunden. Der hat getanzt. Dachte ich, gehe ich wenigstens hin, sage mal "Hallo". Dann habe ich gesagt, na, HP, ich bin auch da. Dann hat er gesagt: Klaas, du bist doch irre. Dann hat er weiter getanzt. Nach fünf Stunden wollte ich gehen und sagte, komm, ich sage wenigstens "Tschüss". Ich bin hingegangen, habe gesagt: HP ich gehe jetzt wieder. Dann hat er gesagt: Ah, Klaas, du bist doch irre. Die einzigen beiden Sätze an dem Abend. Super Geburtstag war das.

Das ist toll. Das ist toll. Sehr schön. Ich hänge dir dennoch meine letzte Frage aus dem Internet an. "Freundin will schlussmachen, ich auch. Was sollen wir tun?"

Ja, das klingt so, das ist dennoch von tiefer Philosophie geprägt.

Ich weiß. Es ist jedoch ebenfalls sehr, sehr lustig, nicht wahr?

In dieser Komprimiertheit ist es lustig. Das ist das große Problem wahrscheinlich ganz vieler.

Absolut. Wenn du eine Lösung hast...

Das ist wie im Urlaub, die nebenan sitzen. Wo man denkt, warum fahren die in den Urlaub. Weißt du. Sie sagen ja gar nichts. Seit zwei Wochen.

Man will doch ebenfalls mal Ruhe.

Ja, ja. Dennoch nicht nur, oder?

Ja, ja. Klar. Aber schon. Was soll man immer reden?

Ja.

Früher habe ich das nicht verstanden. Heute schon. Etwas Uncooles, das du immer noch gerne machst. Hast du gesagt, Kreuzworträtsel. Okay.

Stürze ich mich drauf beim Arzt.

Germanische Gottheit mit drei Buchstaben.

Bitte?

Kannst...

Thor schreibt man mit "H"

Ja. Kann auch eine Göttin sein.

Oh, Alter. Weiß ich nicht.

Fränkischer Hausflur mit drei Buchstaben.

Diele. Nein. Was? Was mit drei Buchstaben. Weiß ich auch nicht. Fränkischer Hausflur.

Lange Strickweste mit acht Buchstaben.

Ein Twin-Set?

Das lasse ich gelten. Das ist ein Cardigan. Dorfschönheit bei Asterix mit sieben Buchstaben.

Oh Alter. Das weiß ich wirklich nicht.

Falbala.

Asterix hat mich nie interessiert.

Nein?

Nie. Noch nie.

Mich auch nicht. Ich hatte dennoch alle Hefte. Ich weiß nicht, wie es dazu kommen konnte.

Nein. Hatte ich nicht. Ich war einer von denen, die nie einen Asterix Heft hatten. Nie.

Hattest du andere Comic-Hefte?

Nein.

Hattest du das "Lustige Taschenbuch"?

Nein. Keine Comics.

Ja, gut. Okay. Alles klar.

Ich hatte keine Comics.

Warum nicht. Du hattest deine eigene Fantasie. Du hattest eigene Bilder im Kopf.

Nein, weiß ich nicht. Es gab immer so ein Buch, was mir vorgelesen wurde. Das fand ich witzig. Da war alles andersrum, in dem Buch. Da kam Sand aus dem Telefon. Die Treppen waren draußen. Die Hunde sind mit den Menschen Gassi gegangen.

Klaas, du bist doch irre.

Das war schön.

Total. Was wird in zehn Jahren besser sein? Da hast du geschrieben: Europa. Hoffentlich.

Ja. Wäre an der Zeit.

Bitte?

Wäre an der Zeit.

Ja. Ich dachte, dass wir vielleicht zur Provokation ein paar EU-Verordnungen vorlesen.

Ich meine nicht diese Verwaltung der Idee. Ich meine die Idee.

Was meinst du?

Ja, ich meine tatsächlich eine europäische Identität. Ein Gefühl für Europa. Aus Europa kommen. Sich als Europäer fühlen. Zu wissen, was das für alle anderen Länder bedeutet, außer das, in dem man selbst lebt. Ich meine das Gefühl Europa. Ich glaube, das ist wichtig. Mir geht es nicht darum, ob man Strohhalme verbietet oder so. Das meine ich nicht. Das ist, glaube ich, ein Teil davon, wenn man das mit dieser Grundidee Europa verwechselt oder mit der Grundidee Weltregion, ist, glaube ich, noch ein großer Teil genau das. Diese Verwaltung. Diese Sachen, die einem so ein bisschen den Blick versperren auf das, was es eigentlich mal werden sollte oder warum es überhaupt gemacht wurde, warum man überhaupt so denken soll. Ich finde, man muss allein heute gucken, was los ist. Gestern, heute, vorgestern. Das ist wichtiger denn je. Das ist die einzige Antwort auf diese ganze Kacke gerade.

Mhm. Ich weiß natürlich, was du meinst. Es gibt dennoch wahnsinnig lustige Verordnungen.

Ja, sag mal.

Es gibt zum Beispiel die Verordnung, dass Kondome mindestens 16 Zentimeter lang sein müssen.

Das ist gemein für Leute.

Eine Pizza Neapolitaner darf maximal vier Zentimeter dünn sein und einen Durchmesser von höchstens 35 Zentimeter haben. Die Teigware sollte weich und elastisch sein und sich zusammenklappen lassen. Da bin ich voll dafür.

Bin ich auch dafür. Das ist für den Pizzabäcker sonst anstrengend.

Kaffeemaschinen müssen sich abschalten. Das ist eine gute Sache. Wenn sie zu lange an sind, müssen sie in den Stand-by-Modus gehen, damit jährlich 35 Terrawattstunden Strom gespart werden können.

Das ist ja ebenfalls gut.

Sage ich doch. Ich habe doch gar nichts gesagt. Hast du dir mal überlegt, in die Politik zu gehen? Es ist ja schon so ein bisschen dein Thema.

Man kann ein politischer Mensch sein, ohne Politiker zu sein. Ich glaube, dass das ein großer Punkt ist. Dass viele Leute, die im Prinzip ein politisches Bewusstsein haben, das nicht unbedingt von Hass, sondern vielleicht von Visionen geprägt ist, sich tendenziell weniger engagieren als die, die aus einer Wut heraus etwas machen. Ich finde, das kann eine Vision oder die Zerstörung einer Vision, so, wie wir es manchmal sehen, im Hinblick auf Europa und alles, was man da runterbrechen kann, das kann ebenfalls Wut auslösen. Das kriegt man ebenfalls mit. Da gibt es in der anderen Richtung ebenfalls diese Motive. Eigentlich sollte für jeden so ein politisches Grundbewusstsein heißen, dass man gewissermaßen politisch ist. Dafür muss man nicht Berufspolitiker sein.

Nein. Das sage ich nicht. Viele Leute, die in der Politik sind, sagen, die haben eine andere Idee davon, dass sie mitgestalten können. Es kann sein, dass dich das interessiert.

Ja, total. Das interessiert mich wahnsinnig, ja.

Jedoch nicht in der Funktion eines Politikers, sondern als Bürger.

Nicht unbedingt. Ja, tatsächlich als Bürger. Jedoch ebenfalls als jemand, ich kann Aufmerksamkeit herstellen.

Im Licht steht.

Ja, natürlich. Man kriegt eine Aufmerksamkeit durch nicht immer ganz sinnvolle Sachen. Da muss man sich überlegen, ob es manchmal sinnvolle Sachen gibt, die zu wenig Aufmerksamkeit kriegen. Genau das andere Missverhältnis. Das kann man ausgleichen, wenn man das möchte, ab und zu mal. Das ist nicht der Weisheit letzter Schluss und nicht die Lösung des Problems. Es ist ein Teil dafür. Es eröffnet manchmal Möglichkeiten für andere Leute, die das nicht haben, indem man denen dadurch die Möglichkeit gibt, sich zu engagieren, mitzumachen oder sich hintenanzustellen.

Mhm.

Es kann manchmal helfen. Ich glaube, das hat Anja Reschke vor langer Zeit schon mal in einem Tagesschau-Kommentar gesagt, als sie den Aufstand der Anständigen gefordert hat. Da war es noch längst nicht so schlimm wie jetzt. Der wird in regelmäßigen Abständen immer wieder gefordert. Ich glaube, das ist es. Nicht einfach nur eine gesunde politische Meinung haben, vielleicht ebenfalls eine offene und tolerante Meinung haben, sondern die ebenfalls nach außen tragen, die sichtbar zu machen und die zu leben.

Wie sieht das deiner Meinung nach aus? Es ist leicht gesagt, zu sagen, das hast du ebenfalls geschrieben, die Vernünftigen erkennen. Die beste Entwicklung der letzten Jahre ist die Frage. Du hast gesagt, die Vernünftigen erkennen die Notwendigkeit, aktuellen und negativen Entwicklungen laut entgegenzutreten.

Ja.

Was bedeutet das für dich konkret?

Wir haben gesehen, was passiert, wenn tausend Neonazis durch Chemnitz laufen und dort Jagd machen auf Menschen. Wir haben gesehen, was passiert, wenn ein sehr defiziter Fall, der in allen Details noch gar nicht bekannt war, was genau passiert ist, auf diesem Stadtfest. Ist relativ egal, wenn man überlegt, was daraus gekommen ist. Das ist ein Riesending. Es stellt eine Aufmerksamkeit her weit über die Landesgrenzen hinaus. Auf einmal ist Chemnitz diese eine Stadt. Sachsen ist dieses eine Bundesland. Und Deutschland ist offensichtlich wieder in dieser Zeit. Genau diesem Eindruck kann man entgegenwirken. Ich glaube, es gibt viele Leute, die eine Heimat suchen und die sich diese Heimat bei denen nehmen, die am lautesten schreien. Es geht nicht darum, Leute, die verloren sind, noch mal umzudrehen. Ich glaube, das funktioniert nicht bei jedem. Ich habe es mitbekommen. Wenn man in einer strukturlosen Gegend, wo es nicht viel für junge Leute gibt, irgendwo vor Magdeburg war ich mal an einer Schule, da gibt es viele Jugendliche, die niemanden haben, den sie ansprechen können, wenn sie nicht rechts werden wollen. Da gibt es niemanden. Beim SPD Ortsverein hängen vergilbte, gelb gerauchte Gardinen. Da hat seit zwei Jahren keiner mehr die Tür aufgeschlossen. Die einzige, die das Straßenfest macht, ist die AfD. Das sind die Leute, die den Menschen beim Ausfüllen von Hartz IV Anträgen helfen. Die Nachbarschaftshilfe machen. Natürlich ist das nur der Vorwand, die einzukassieren. Ich glaube, wenn man das aktiver gestalten würde und nicht immer nur Hass und Ausgrenzung dieser starke Motor wären, sondern der starke Motor von der anderen Ecke kommen kann, wenn man das häufiger, lauter macht und sich traut, das zu sagen, vielleicht eine Gegenrede oder einen Shitstorm, wie auch immer man es nenne will, aushält, hilft das schon. Es bietet Orientierung für Menschen, die sich erst orientieren müssen. So habe ich den Eindruck.

Gut. So. Ah, lass mich gucken. Oh, toll. Wir müssen uns / du weißt, es ist immer schön mit dir, jedoch reicht nie die Zeit. Egal, wie viel sie uns geben. Es ist immer zu kurz. Deswegen müssen wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Klaas, konzentrier dich. Die beste Reise, die du je gemacht hast, sagst du, ist jeder Familienurlaub.

Ja.

Oh. Ist das mitleidig?

Nein. Das ist im Missverhältnis zu den ganzen Reisen, die ich fürs Duell um die Welt machen musste.

Ah, okay. Alles klar.

Da habe ich wirklich so viele beschissene Reisen gemacht. Ich freue mich einfach, wenn dann so Leute, die ich mag, aus einem Grund, den ich gut finde, zu einem Ort fahren, der schön ist. Ja, dann finde ich das irgendwie besser, als da irgendwo mit einem Kannibalen in siebzig Meter Höhe zu kniffeln. Oder mich von einem Hai beißen zu lassen oder sonst irgendwo rauszuhüpfen. Im Nachhinein finde ich es geil, dass ich der bin, der sagen kann, ich habe das gemacht. Aber in dem Moment macht es keinen Bock. Das kann man sehen.

Das stimmt, deswegen gucken die Leute es ja auch so gerne.

Natürlich. Purer Voyeurismus. Ich weiß das. So ist es eben. Die Überwindung hat einen gewissen Reiz. Sonst würde man es nicht machen. Am Ende ist man da so reingescheitert, ja.

Hat es dich weitergebracht? Glaubst du, du bist heute dadurch stärker?

Im Gegenteil.

Genau. Oder baut man da ab? Weil, man hat nur begrenzt die Möglichkeit, immer weiter so einen Scheiß zu machen.

Nein. Genau. Vor allen Dingen, das Logische, was passiert, das ist bei mir ebenfalls passiert, dass man sich selbst traumatisiert durch viel zu heftige Sachen, die man gemacht hat. Dass man danach vor verhältnismäßig nicht so schlimmen Sachen, die jedoch in eine ähnliche Richtung gehen, Angst hat. Ich kann nicht mehr tauchen zum Beispiel. Ich kann nicht mal mehr in drei Meter Tiefe ums hauseigene Riff auf Mallorca tauchen, mit zwei Opas vor mir und drei Kindern hinter mir. Ich habe Angst. Ich denke, da kommt bestimmt gleich keine Luft mehr raus. Das ist mir einmal passiert in einer Situation, die nicht so witzig war. Man versaut sich eigentlich alles damit. Es ist überhaupt nicht so, dass man härter wird und alles, was mich nicht umbringt, macht mich stärker. Das Gegenteil ist der Fall. Alles, was dich gerade nicht so umbringt, traumatisiert dich.

Okay. Gut. Das ist schön. Ihr macht ja noch ein paar Folgen, oder?

Ja, ja. Klar. Es gibt immer noch ein paar Shitwholes, in die wir noch nicht gesprungen sind.

Es gibt noch Traumas, die du noch nicht hast.

Es gibt immer noch unentdeckte, hässliche Orte auf der Welt.

Dein persönlich größter Erfolg, ist eine Frage. Da sagst du wieder: meine Familie. Hör mal, du bist voll der Familienmensch.

Vielleicht wollte ich da fertig werden. Ich weiß es...

Familie geht immer.

Es ist ja auch so, Herr Gott, das kann ich jetzt nicht so ausschmücken.

Das ist so eine SPD-Antwort ein bisschen. Findest du, ist das spießig oder ist das cool.

Eine SPD-Antwort ist fordern und fördern. Und SPD-Antwort ist, wir haben viel erreicht. Wir müssen jedoch daran arbeiten, unsere Ergebnisse, die wir erzielen, in langen Gesprächen besser zu kommunizieren.

Ich sage doch, Politik wäre voll was für dich. Du könntest jederzeit einsteigen. Hättest du früher gedacht, dass du das mal als den größten Erfolg empfinden würdest? Dass man irgendwann denkt, die eigene Familie ist bei allem, was ich mir an Trauma sonst zugelegt habe, also bei allem, was ich sonst getan und geleistet habe, ist das am Ende das, was am stärksten ist und übrigbleibt. So zieht man eigentlich nicht los.

Ja.

Aus Oldenburg.

Genau. Man will erst mal andere Sachen. Man will einen Führerschein. Hatte ich zum Beispiel damals noch nicht. Also so Etappenziele. So Kleinkram.

Hättest du nicht gedacht, dass du jeden beruflichen Erfolg höher wertet? Nein?

Ja, ich habe mal eine sehr interessante Antwort von Josef Harder gehört. Freuen sie sich auf eine Premiere von einem Film, in dem sie mitspielen? Dann hat er gesagt, nein. Dann wurde gefragt, warum nicht. Er sagte, am nächsten Tag ist ja dann nicht mehr Premiere. Das ist natürlich eine pessimistische, jedoch ebenfalls sehr realistische Antwort. So ist es eben. Man ahnt bereits das Gefühl danach immer so ein bisschen mit. Das ist bei Sachen, die immer da sind, nicht der Fall. Wo man nicht diese leuchtturmartige Euphorie-Sachen, sondern es kommt überraschend. Es ist immer in so einem Grundlevel da. Das ist besser auf lange Sicht.

Mhm, ja. Was wird von dir bleiben? Da hast du gesagt, eine Menge Schrott im Internet.

Richtig. Da bin ich jedoch nicht der einzige.

Macht es das besser?

Es geht auch bei ihrer Adresse.

Zwangsläufig sammelt sich Schrott an. Ich habe zum Beispiel eine schöne Kritik über dich gefunden. Ich liebe Kritiken über dich.

Ja, sag, was habe ich falsch gemacht.

"Klaas Heufer-Umlauf erinnert in seinem Talent nicht nur von weitem an Harald Schmidt. Leider auch in seinen schlechten Seiten. Es war nämlich nicht nur widerwärtig, wie Till Schweiger ungebremst für einen Kriegsfilm werben konnte, Heufer-Umlauf hat das Prinzip der Harald Schmidt inkorporiert, dass der Studiogast noch so viel Mist labern kann und er doch freundlich behandelt wird. Dieses Prinzip gehört dringend gebrochen. Warum muss ich mir all die netten Belanglosigkeiten zwischen Medienmenschen anhören und anschauen, nur, weil man sich in diesen Kreisen nun einmal kennt. Anders gesagt, nur wer Till Schweiger nicht in den Arsch kriecht, darf sich über das Publikum in Comedy-Bussen erheben."

Aha. Ja, hör mal, das ist ein schlauer Mann gewesen, der das da aufgeschrieben hat. Till Schweiger, der gehört natürlich ... den muss man erst mal beleidigen, bevor man überhaupt mit dem reden darf im Fernsehen. Finde ich auch.

Ist voll Mainstream, Till Schweiger zu beleidigen.

Ja. Hat Jan Ulrich passiert. Du hast gesehen, was passiert ist. Man kann es übertreiben.

Traust du dich, deinen eigenen Namen zu googlen?

Ja. Logisch.

Ehrlich?

Ja, klar.

Hast du keine Angst vor dem, was du finden könntest?

Nein.

Oder sehen könntest. Manchmal sieht man Sachen, die sind 15 Jahre her in deinem Fall. Du bist sehr lange dabei. Dann siehst du Sachen, wo man denkt, ah, oh, Schmerz.

Das schon. Da muss man durch. Ich halte das ganz oft für gelogen, wenn Leute sagen, nein, das mache ich nicht, ich lese gar nichts und so.

Also ich lese gar nichts.

Wirklich nicht?

Nein, wirklich nicht. Wirklich. Mir ging es so beschissen damit, das zu lesen. Ich habe immer das eine gefunden, wo man denkt, ja, geil, bin ich halt wieder kacke und so. Habe ich keine Lust mehr drauf gehabt.

Was ja so ein bisschen ein bitteres Ding ist, es gibt Kritiken, die liest man und denkt heimlich, ja, der hatte recht.

__Ja, wenn sie wahr sind. Das ist auch schlimm. Jedoch grundlos beschimpft zu werden oder persönlich beleidigt zu werden... __

Es kommt drauf an. Wenn es witzig ist. Es gibt manchmal witzige. Einer hat mal geschrieben "Joko und Klaas sind wie Husten, der nicht mehr weggeht"

Das ist lustig. Das stimmt. Es stimmt.

Natürlich. Das ist der Moment, wo man genau weiß, jetzt kann nichts mehr schiefgehen, wenn man chronisch wird.

Ja. Dann hast du es geschafft. Es ist wie Familie. Du bist einfach immer da. Es ist diese Selbstverständlichkeit.

Ja. Wie der tropfende Wasserhahn in der Küche. So möchte ich mich in die Familien einfügen.

Toll. Pass auf. Doch. Das ist eigentlich gut. Ja, ja, das ist gut. Du, und zwar, was man von dir lernen kann. Das finde ich gut. Da hast du gesagt: Gelassenheit. Hattest du das schon immer? Oder ist das neu?

Nein, musste ich ebenfalls lernen.

Ah. Wie ging das?

Weiß ich nicht. Ich glaube, ich habe probiert, mich nicht immer über alles so irrsinnig aufzuregen.

Muss man sich Gelassenheit leisten können? Bist du an einem Punkt, wo du weißt, im Prinzip kann mir nicht mehr so viel passieren. Weder finanziell noch vom Standing her wahrscheinlich.

Nein. Ich glaube das nicht. Das ist immer bedroht. Wenn man eine falsche Herangehensweise hat, dann hast du nie genug oder nie sicher genug. Ich kann mich jetzt zwölf Jahre bei der Bundeswehr verpflichten, da weiß ich, da habe ich einen Job, das ist so absolute Sicherheit, die mir entgegenkommt. Wenn du dich relativ früh dafür entscheidest, auf externe Sicherheit zu verzichten, das waren früher so Drei-Monats-Verträge bei VIVA oder sechs Monate, mein weiß nicht, ob es für das WG-Zimmer reicht, dann musst du irgendwann umschalten. Du musst sagen, irgendwas wird passieren. Das ist eine Grundphilosophie. Meine Mutter, die sagte, denk mal nach, was ist das Schlimmste, was passieren kann. Ja, das schlimmste wäre gewesen, dass ich nicht mehr Interaktiv moderiere, in der Zeit. Diese Sendung habe ich irgendwann kaputt moderiert.

Das wäre damals schlimm gewesen.

Ja. Das wäre schlimm gewesen. Jedoch wäre ein anderer Kram gekommen. Ich war zum Beispiel fast mal der neue Kommissar bei SOKO Leipzig. Dann ist doch ein anderer das geworden.

Das ist ja schade! Glaubst du an Schicksal? Dass du denkst, du warst für was anderes berufen. Du musstest deine Traumata einsammeln.

Ja.

Ja?

Ich glaube, ich war einfach bei dem Casting nicht gut. Das kann ich mir gut vorstellen. Der Regisseur hat immer gesagt, greif dir nicht so in die Haare, das wirkt eitel. Ich habe beim Reden immer so (greift durch die Haare), wissen sie. Ich hätte mich ebenfalls nicht genommen.

Warum hast du das gemacht?

Weiß nicht. Aus Unsicherheit wahrscheinlich. Wenn man so in den Haaren rumfummelt, ist das Unsicherheit. Oder so rumnesteln, wenn man redet. Wenn man es selbst nicht merkt. Wenn man selbst nicht merkt, dass man das macht und teilweise ebenfalls beim Nebenmann anfängt. Unsicherheit.

Beim Casting beim Nebenmann.

Naja, wenn man aufgeregt ist, macht man Sachen irgendwie.

Ja

Jeder hat andere Moves. Andere Unsicherheits-Moves.

Ja. Das sind deine Unsicherheits-Moves? Du machst dir das in die Haare.

Wenn ich sehr aufgeregt bin, fange ich an zu husten.

Echt?

Ja. Fünf Minuten bevor es richtig losgeht. Davor bin ich entspannt. Fünf Minuten bevor ich losgehe sagen die Leute zweimal "Gesundheit", weil sie denken, ich habe geniest. Weil das so ruckartig kommt. Und dann ist es wirklich kurz vor, ich kotze gleich. Zehn Sekunden davor hört es auf. Dann mache ich "Hallo".

Ist der Husten der Lampenfieberlöser? Hast du es dann wie rausgehustet? Was ist passiert?

Nein. Keine Ahnung. Ich bin davor nicht aufgeregt.

Machst du in der aktuellen Situation noch Moves?

Nein. Dann nicht mehr. Wenn es losgeht, nicht mehr. Ich mache dann schon mal was falsch. So. Wenn ich mir das nicht richtig gemerkt habe. Da habe ich keine Ticks mehr.

Faszinierend. Ich habe meine Ticks tatsächlich immer in dem Moment, wie sie stattfinden. Ich habe so Nestelsachen und so. Ich mache immer Nase. Möchtest du mal husten?

Nein, das hatte jetzt damit nichts zu tun.

Ich mache viel an der Nase, merke es jedoch nicht. Ich sehe es immer erst hinterher.

Das ist in Medienkreisen blöd, da die Leute immer denken, man hat gekokst.

Ja. Gut. Das ist schon wieder, weißt du.

Wenn man die ganze Zeit so macht, ist es nicht gut. Nein, okay, was ich noch fragen wollte, ist / nein, ist geil hier. Wirklich. Geil, dass ihr alle hier seid. Geiler Abend.

Vielleicht habe ich das einfach verwechselt. Vielleicht ist es gar nicht die Aufregung. Vielleicht ist es einfach das Koks. Das kann sein.

Naja.

So. Dann sagst du, pass auf, das ist gut. Wir sind gut in der Zeit diesmal. Ist alles super. So bleiben oder sich ändern. Ist eine meiner Lieblingsfragen. Da hast du gesagt...

Nein, nein, ich habe jetzt einfach nur einen trockenen Hals von dem Gelaber hier.

Du hast gesagt, sich ändern.

Ja. Oder nicht?

__Ich weiß nicht. Viele Leute sagen, man sollte so bleiben oder Veränderung muss sein. __

Das sind Leute, die ebenfalls sagen, so bin ich nun mal und das ist jetzt eben so.

Das ist provinziell.

Das ist dumm. Die Situation ändert sich und die Lebensumstände ändern sich. Hoffentlich wird man im Laufe der Zeit, jetzt nicht bei allem, jedoch in gewissen Sachen, ein bisschen schlauer. Ich finde schon, dass man sich ein paar Sachen vornimmt, die man an sich ausprobiert, ob die gut funktionieren. Ich finde schon, dass man bereit sein sollte, sich auf Gegebenheiten einzustellen. Nicht irgendwann sagen, so ich bin jetzt 35, jetzt bin ich fertig.

Wie die Familie. Jetzt benutze ich das zwanzig Jahre.

Jetzt benutze ich das zwanzig Jahre. Das kann nicht gutgehen. Oder? Ist ebenfalls so eine Sache, die man sich im stillen Kämmerlein zusammendenkt. Und dann, wenn es drauf ankommt, weißt du nicht, ob du es dann machst.

Ob man sich wirklich ändert?

Ja. Man überprüft sich nicht in allen Situationen. Dann ist dieser Moment, wo man so schlau nachdenkt und dann geht das Leben weiter. Keine Ahnung.

Das stimmt. Ist vielleicht der Vorteil, weißt du? Sonst hast du es nur so weggedacht. Das wäre nicht schön.

Keine Ahnung. Manchmal, vielleicht ohne, dass man es merkt. Zum Beispiel sich nicht mehr so aufregen oder so, das funktioniert. Was zum Beispiel sehr gut funktioniert, ist hier im Berliner Straßenverkehr, ist so ein kleines Beispiel, was ich gemerkt habe, was wirklich ... ich bin zum Beispiel persönlich angefasst, wenn mich jemand, den ich nicht kenne, durchs Autofenster beleidigt. Wenn einer so macht oder Arschloch sagt oder so.

Da bist du wahrscheinlich hier nicht allein.

Ich habe zwei Methoden entwickelt, die unfassbar lustig sind.

Okay. Wir wollen sie alle wissen.

Die erste ist, sich sofort bei demjenigen zu entschuldigen. Meistens ist man wirklich selbst schuld. Wenn man Autofährt, fährt man manchmal nicht so gut. Dann ist wirklich so.

Das ist gar nicht meine Erfahrung.

Das ist witzig. Selbst, wenn du nicht schuld bist. Trotzdem witzig. Wenn so ein Typ sich so richtig aufregt, so ein Bürohengst, der das normal nie machen würde, der dich auf der Rolltreppe nie anschreien würde, aber dadurch, dass du in diesem Kasten sitzt, hat er keine Hemmungen, weil er dein Gesicht nicht sieht. Dann schreit er dieses Auto an. Wenn man das Fenster runtermacht und sagt, ich habe dich überhaupt nicht gesehen, es tut mir leid. In dem Moment ist der wieder, wie er immer ist. Und dann ist dem das peinlich. In dem Moment denkt der, ja, ist okay.

Ja. Ich winke immer.

Und Luftküsse sind ebenfalls gut.

Ja. Ich winke. Ich tue immer, wenn einer hupt oder so.

Wenn einer richtig auf (Küsschen).

Ja. Aber das ist provokativ.

Das ist provokativ. Da muss man aufpassen.

Ich mache Fenster runter und winke wie bescheuert.

Wirklich zu sagen, ich habe dich überhaupt nicht gesehen, das tut mir leid. Wirklich.

Wie kommst du dazu, dass mit den Leuten reden kannst?

Die schreien einen an der nächsten Ampel an, oder nicht. Und dann kannst du entweder so dasitzen und sagen, Situation geht vorbei, und das Fenster nicht runtermachen. Der schreit dann rum und tritt dir am besten noch gegen das Auto. Oder du machst runter und sagst, du, ist dir was passiert. Das ist so witzig.

Ja. Okay.

Selbst, wenn du offensichtlich im Recht bist, immer sagen, du sorry, wirklich. Da hätte ja sonst was passieren können.

Ja. Okay. Das ist ein bisschen lustig. Ich werde es mal ausprobieren. Ich werde der Sache eine Chance geben.

Das ist echt / erinnere dich an mich. Es ist wirklich witzig.

Sehr gut. Es war wirklich witzig mit dir. Wie immer. Danke, dass du da warst. Es war eine tolle Folge.

Schön, dass ich hier sein durfte. Vielen Dank.

Klaas Heufer-Umlauf!

Vielen herzlichen Dank. Dankeschön.

Frau Bauerfeind hat Fragen: Staffelübersicht

Frau Bauerfeind hat Fragen: Staffel 1 (Original Podcast)
Frau Bauerfeind hat Fragen: Staffel 2 (Original Podcast)