Halb vergessene Volkssagen, blutige Kriminalfälle und trockener Humor – mit dieser originellen Mischung hat die Hörspiel-Serie „Kohlrabenschwarz“ von Tommy Krappweis und Christian von Aster viele tausend Hörende begeistert. Zum Start der Verfilmung bei Paramount+ verraten die Autoren, was dich erwartet.

Tommy, Christian: Wer von euch beiden hatte als Kind mehr Angst vorm Kraxelmann – also jener bayerischen Sagengestalt, die in der ersten Folge des Hörspiels Kinder mit einer Schlinge einfängt?

Tommy Krappweis: Das müsste ich gewesen sein, weil ich den so halb kannte. Christian, du hast den gegoogelt für die erste Staffel, oder?

Christian von Aster: Da ich nicht aus Bayern komme, habe ich ihn überhaupt nicht gekannt. Ich habe die Angst vor dem Kraxlmann also komplett Tommy überlassen.

Tommy Krappweis: Diese Figur ist auch nicht sehr bekannt. Alles, was man an schriftlichen Aufzeichnungen über ihn findet, sind ein paar magere Sätze – die es aber in sich haben. Laut mancher Quellen hat der Kraxelmann eine Stange bei sich, mit denen er Kinder aus dem Fenster hinausstößt, die sich zu weit herausbeugen. Dann gibt es die Version mit der Schlinge, mit der der Kraxelmann unartige Kinder fängt. In beiden Versionen trägt er die namensgebende Kraxe – also eine Rückentrage. Er ist eindeutig mit all den anderen Bestrafer-Figuren verwandt, die im Alpenraum offenbar nichts anderes zu tun haben, als Kinder in Angst und Schrecken zu versetzen.

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Wo habt ihr eigentlich all diese bayerischen Legenden und Sagen ausgegraben?

Tommy Krappweis: Ich hatte mit Michael Kessler zusammen die Idee, etwas mit lokalen Volkssagen zu machen. Das wollten wir später ausweiten mit Märchen- und Sagenfiguren aus anderen Gegenden. Also habe ich den Herrn von Aster angepiekst und gesagt: Schreib mal auf, was dir dazu so einfällt.

Christian von Aster: Ich habe hier 400 alte Märchenbücher stehen – in denen ich den Kraxelmann übrigens nicht gefunden habe. Ansonsten habe ich im Internet recherchiert und dann geguckt, ob es Quellen gibt, die bestätigen, dass die Figur im Volksglauben wirklich verbreitet war und dass sie sich nicht einfach eine Einzelperson ausgedacht hat. Da muss man ja aufpassen.

Kohlrabenschwarz

Das klingt, als hätte es einen konkreten Fall gegeben?

Tommy Krappweis: Erst bei der Arbeit an der Serienumsetzung für Paramount+ haben wir bemerkt, dass sich eine Märchenfigur ins Hörspiel eingeschlichen hatte, die noch gar nicht so alt war – etwa 15 Jahre alt. Der Urheber war ein gewisser Christian von Aster, der ein Kunstmärchen namens „Das Meisterstück“ geschrieben hatte. Christian hat also seine eigene Schöpfung in die Storylines von „Kohlrabenschwarz“ hineingeschrieben und wir haben es alle nicht gemerkt, weil es so perfekt gepasst hat: Die Geschichte von Gotthold, dem Schmied, der einen einen Türknauf erschafft, mit dem er Wände in Türen verwandeln kann.

Christian von Aster: Herr Krappweis hat beim Briefing nicht so deutlich gesagt, dass er in „Kohlrabenschwarz“ nur klassische Märchen aufgreifen will. Vielleicht habe ich da auch etwas falsch verstanden. (lacht)

Es passiert nicht alle Tage, dass eine Hörspielserie verfilmt wird. War das von vorneherein so geplant?

Tommy Krappweis: Aufgrund meines Berufs ist das ein Gedanke, den ich gar nicht abstellen kann. Wenn es ein Stoff ist, der passt, denke ich immer gleich: Das sollten wir auch mal als TV-Serie oder Film pitchen. Michael Kessler und ich kommen ja vom “bewegten Bild“. Und es gibt schließlich ein sehr berühmtes Hörspiel, das anschließend als Buch, Serie und Film herauskam – und zwar „Per Anhalter durch die Galaxis“.

Stimmt. Aber das ist schon etwas länger her.

Tommy von Krappweis: Douglas Adams ist ein großes Vorbild von mir und hat generell einen großen Einfluss auf mein Denken. Wenn man so will, findet sich ein von ihm inspirierter Humor in „Kohlrabenschwarz“ wieder.

Per Anhalter durch die Galaxis

War die Hörspielserie auch eine Möglichkeit, den Stoff kostengünstiger „auszutesten“, bevor man das Wagnis einer Verfilmung eingeht?

Tommy Krappweis: Nein. Wir wollten einfach ein geiles Hörspiel machen. Rückblickend war die Verfilmung aber eine großartige Chance, um noch mal ein paar Dinge anders zu machen als im Hörspiel.

Christian von Aster: Es hat ja auch niemand damit gerechnet, dass das Hörspiel so gut ankommt. Diese Mischung aus Krimi, Märchen und Humor ist ja sehr sonderbar. Mein Wunsch war es immer, dass das mal verfilmt wird.

Tommy Krappweis: Als es an die Drehbücher für die Verfilmung ging, stand ich vor der Herausforderung, wie sich die Szenen in Bilder übertragen lassen. Tatsächlich mussten wir uns eine Szene für eine mögliche zweite Staffel aufheben. In der bricht ein ganzes Gebäude zusammen und Schwab hängt in schwindelnder Höhe am Dach. Die Szene war mal in den Drehbüchern drin, aber dann haben wir gesagt: Das ist für Staffel eins zu krass und zu aufwendig. Das heben wir uns für Staffel zwei auf, in der wir hoffentlich noch mal zehn Prozent mehr Budget bekommen.

Ist die TV-Serie eine Eins-zu-Eins-Adaption oder gibt es für Kenner der Hörspiel-Serie noch Neues zu entdecken?

Tommy Krappweis: Es kann keine Eins-zu-Eins-Adaption sein. In einem Hörspiel kommen naturgemäß häufiger Personen zusammen, die dann eben erstmal reden. Und sie reden auch, während sie etwas tun, damit man sozusagen hört, was sie machen. Wenn ich das im Film genau so zeigen würde, wäre es seltsam.

Christian von Aster: Aber die Dynamik des Hörspiels wurde auf die Streaming-Serie übertragen, vor allem die prägnanten, schnellen, pointierten Dialoge.

Tommy Krappweis: Außerdem haben wir eine neue Figur eingebaut, nämlich die Perchta. Sie ist Bestrafer- und Belohnungsfigur zugleich. Ein bisschen wie Frau Holle, die ja auch die Goldmarie belohnt und die Pechmarie bestraft. In der Streaming-Serie „Kohlrabenschwarz“ ergreift die Perchta Besitz von einer Frau, die gar nicht weiß, wie ihr geschieht. Sie bringt Leute dazu, selbst zu erkennen, dass sie sich falsch verhalten haben. Daraus haben wir eine Figur gemacht, die „Sünder“ dazu bringt, sich zu selbst bestrafen.

Christian von Aster: Wie sich ihre Opfer umbringen, hat man tatsächlich selten zuvor gesehen.

Man braucht also einen stabilen Magen für die Streaming-Serie?

Tommy Krappweis: Die Serie ist tatsächlich ab 16. Und auch, wer ein bisschen empfindlich ist, sollte sie eher nicht gucken. Ich selbst kann keine Horrorfilme schauen. Für mich wäre die TV-Serie zu hart, wenn ich nicht beim Machen dabei gewesen wäre.

„Für mich wäre die Serie zu hart, wenn ich nicht beim Machen dabei gewesen wäre.“

(Tommy Krappweis)

Christian von Aster: Wie die Mischung im Hörspiel schon gewagt war, ist auch die TV-Serie gewagt. Der Gewaltaspekt ist schon recht explizit. Einfach, weil er in die Geschichte gehört.

Tommy Krappweis: Also, es hat keine gewaltpornösen Tendenzen und wir zeigen auch nicht Dinge, nur um sie zu zeigen. Oft verschleiern wir die Gewaltdarstellung auch ein bisschen. Aber so sind die Sagen in Bayern halt.

Brutale Szenen, die gleichzeitig zum Lachen reizen – das kommt nicht bei allen gut an.

Tommy Krappweis: Es gibt Leute, die mit Humor im Thriller oder im Mystery ein Problem haben. Humor ist halt immer Geschmacksache. Aber es gibt mehr als genug Leute, die die Serie toll fanden.

Was wünscht ihr euch für Staffel zwei, falls sie ebenfalls als Streaming-Serie umgesetzt werden sollte?

Christian von Aster: Ich möchte die Zwergen-Rodelbahn gerne noch einbauen.

Tommy Krappweis: Unbedingt. Die Zwergen-Minenfahrt muss sein. Und Schwab muss auch irgendwann an diesem Abbruchhaus hängen. Aber vielleicht nicht mit seinem Ex-Sportlehrer, sondern mit seinem Vorgesetzten, dem Kroiss.

Christian von Aster: So eine „Leipziger Baba Jaga“ fände ich ja großartig. Die würde ich gerne in der nächsten Staffel „Kohlrabenschwarz“ unterbringen. Die ist wirklich eine Hexe mit Alleinstellungsmerkmal, mit ihrem Haus auf einem Hühnerfuß. So wie Tommy von Douglas Adams beeinflusst ist, bin ich von Baba Jaga beeinflusst. Mein ganzes Schaffen ist baba-jagisch.

Tommy Krappweis: Na, schauen wir mal! Wenn wir bei Paramount+ bis Staffel zehn kommen …

Kohlrabenschwarz 2

Ihr habt beide ein Faible für Märchen, Mythen und Legenden. Was fasziniert euch so daran?

Christian von Aster: Das sind die ursprünglichsten Geschichten. Darin sind all diese Archetypen und Grundmotive zu finden. Wenn man sich heute einen Marvel-Film anschaut, findet man die Essenz dieser Geschichten in Mythen und Märchen wieder. Auch in der griechischen Mythologie. Stephen Fry ist jemand, der davon mit einem unglaublichen Wissen und einer Leichtigkeit erzählen kann. Wer das liest, muss einen großen Teil dessen, was heute in den Medien gezeigt wird, gar nicht mehr kennen. Da steckt schon alles drin.

Mythos

Tommy Krappweis: Ich hatte immer einen Hang zu Fantasy. Meine Einstiegsdroge war Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Das fand ich großartig. Aber wirklich „Klick“ gemacht hat es, als ich mich für die „Feuerbringer-Saga““ in die nordische Mythologie eingearbeitet habe. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass es einen kollektiven Erinnerungsschatz gibt, der bei mir eine Saite zum Klingen bringt. Ich habe da eine seltsame Art von Verbundenheit gespürt, die auch etwas Gruseliges hatte. Es gibt so viele Reste dieser Mythen und Sagen in unserer Kultur, die uns nicht richtig bewusst sind.

Mara und der Feuerbringer

Christian von Aster: Märchen aus allen Kulturkreisen haben parallele Motive. Das wird für „Kohlrabenschwarz“ noch spannend, weil man diese Sache mit den Schreckensgestalten global entwickeln kann. Also, der Welt steht einiges bevor. Wenn sie uns denn lässt.

Gibt es denn schon einen Auftrag für Staffel zwei?

Tommy Krappweis: Erstmal müssen wir warten, ob jemand Staffel eins guckt. Aber wir arbeiten schon recht emsig an den Storylines einer möglichen zweiten Staffel.

Warum spielt Jürgen Tonkel in der Streaming-Serie eigentlich den Thomas Falbner – und nicht wie im Hörspiel den Pfarrer Franz?

Wir wollten das komplette Ensemble eins zu eins übernehmen. Aber es stellte sich heraus, dass Jürgen Tonkel just in der Zeit, in der wir drehen mussten, für die ZDF-Krimi-Serie „Die Chefin“ vor der Kamera stehen würde. Der Pfarrer Franz ist aber eine große Rolle und das war nicht unter einen Hut zu bringen. Es bot sich also an, dass ich auf die Rolle, die ich spreche, verzichte, und Jürgen Tonkel diese Figur übernimmt. Im Hörspiel ist es so, dass Thomas mit seiner Naivität für den „comic relief“ sorgt, also für befreiende Komik in spannungsgeladenen Situationen. In der Serie haben wir zusätzlich die Freundschaft der beiden auf eine harte Probe gestellt.

Christian von Aster: Auch ich werde nicht den Schwarzalb spielen, den ich im Hörspiel spreche. Ich habe meinen Frieden damit gemacht – zugunsten der Profis. Tim Seify, der den Schwarzalb spielt, hat eine wundervolle, eigene Form der Arroganz und Vielschwätzigkeit gefunden. Auf die wäre ich so nicht gekommen. Sie macht diese Figur genau aus. Es gibt noch einen zusätzlichen Aspekt, den er in die Rolle reinbringt, den wir jetzt nicht spoilern werden. Ich war bumsbegeistert von seiner Darstellung!

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!

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