Ich muss an dieser Stelle ganz ehrlich mit euch sein und es geradeheraus sagen – bis zu diesem Jahr habe ich lange Zeit kein ganzes Buch mehr in der Hand gehalten. Warum? Nicht etwa, weil mich die neuesten Bucherscheinungen und Klassiker nicht anzogen, nicht etwa, weil ich keine Lust hatte, mich einer Geschichte mal wieder völlig hinzugeben und in ihr zu versinken. Sondern weil schlicht immer andere Dinge wichtiger waren. Events, Termine, Mittagessen, Arbeit und am Ende des Tages blieb da einfach nicht mehr genug Energie, um ein Buch aufzuklappen.

Die Ausreden derjenigen, die das Lesen vernachlässigen, obwohl sie es gar nicht möchten, sind ja immer endlos. Doch nach der Geschwindigkeit der sozialen Medien, in denen ich ja allein aufgrund meines Jobs sehr präsent bin, fällt es mir schwer Motivation und Konzentration für das “altmodische“ Medium des Buches aufzubringen. Jedoch hörte ich nie auf, mich für Geschichten zu begeistern. Und braucht man dafür wirklich Bücher?

Obwohl ich es mittlerweile schaffe, mich abends im Bett noch einigen Seiten meines Buches zu widmen, haben vor allem Hörbücher meinen Zugang zu Erzählungen und Sachbüchern, und somit auch neuem Wissen verändert. Ich höre sie beim Frühstück, bei Aufgaben, die nicht meine volle Konzentration brauchen, wie dem Bearbeiten von Bildern, und beim Wäsche aufhängen. Diese Zeit summiert sich tatsächlich und ich habe es mittlerweile geschafft, einige Bücher von meiner Liste durchzuhören. Fast 250 um genau zu sein. Das macht auf zehn Jahre circa zwei Bücher im Monat. Gar nicht mal so wenig.

Hörbücher machen meinen Alltag eben… lebendiger

Ich höre einer Stimme, einer Geschichte oder dem Sachbuch zu einem Thema zu – und das beruhigt mich, unterhält mich und gibt mir über ein paar Tage eine Konstante. Besonders jetzt, wo wir uns in einer Situation befinden, die viel von uns abverlangt, flüchten sich viele in Geschichten, um für einige Stunden der Realität zu entfliehen. Das spiegelt sich auch in den neuen Umfragewerten wider. Laut den Ergebnissen des Audible Hörkompass, einer repräsentativen Umfrage, ist die Zahl der Leute, die regelmäßig Podcasts, Hörspiele und Hörbücher hören, um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – von 23 Millionen auf 26 Millionen Menschen.

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31 Prozent davon hören mehrmals die Woche, zehn Prozent sogar täglich – eine Zahl, zu der ich mich mittlerweile dazugehöre. Das sind beachtliche Zahlen, insbesondere, wenn man beachtet, dass der Buchmarkt allgemein eher sinkt - insbesondere durch Corona, wo viele Läden geschlossen blieben. Die Menschen greifen also immer seltener zum Papierbuch und holen sich die Geschichten stattdessen aufs Ohr. Denn - und das ist sicherlich einer der größten Vorteile des Buchmarktes - Bücher lassen sich gut digitalisieren.

Doch was macht das gesprochene Wort noch so beliebt? In den letzten Wochen habe ich darüber nachgedacht, was mir Hörbücher, Podcasts und Hörspiele geben – und warum ich sie nicht mehr als Teil meines Alltags missen möchte.

Ablenkung und Entspannung

Besonders im März und April, zu Anfang der Pandemie also, saß ich ständig vor dem Bildschirm oder scrollt durch die Nachrichten-Apps auf meinem Handy, um auf dem neuesten Stand zu sein. Klar, dass mich die schlechten Nachrichten irgendwann erdrückten und ich das Bedürfnis nach Ablenkung hatte. In Hörbüchern, wie Die Tochter des Malers und Alte Sorten konnte ich all dem für einige Zeit entfliehen und woanders sein.

Mittlerweile ist es viel mehr als Ablenkung, denn Hörbücher entspannen mich auch. Ob es Sachbücher oder Romane sind – sie zeigen mir andere Lebensrealitäten, die mich herunterbringen, wenn ich beginne mich wegen Dingen zu stressen, die ich nicht ändern kann. Ich höre Anderen zu und meine eigenen Probleme werden dadurch etwas kleiner, als könnte ich sie beim Hören von einer neuen Perspektive betrachten.

Wissen

Ob es Podcasts sind, welche die Wellen an Nachrichten in einen Zusammenhang präsentieren; solche, die gesellschaftliche Zusammenhänge aufzeichnen oder welche, die von historischen Ereignissen erzählen und dabei Parallelen zu heute ziehen – Podcasts sind für mich das perfekte Format, um auf dem neuesten Stand zu bleiben und dabei gleichzeitig eine Menge zu lernen. Denn sie sind oftmals länger als ein News-Artikel und geben mir so viel Hintergrund und Kontext sowie Perspektiven auf das Thema, dass ich eigentlich immer etwas Neues daraus mitnehmen kann. Ein gutes Beispiel ist hier der Spiegel Podcast oder der Podcast zum BER.

Ebenso geht es mir beim Hören von Sachbüchern. Es scheint als würde ich, während ich die Wäsche zusammenfalte oder mir einen Kaffee mache, ganz nebenbei neues Wissen anhäufe.

Wortschatz erweitern

Was mich beim Lesen immer besonders berührt hat, ist die Sprache. Wenn ich jetzt durch meine Wohnung laufe und den Worten des Sprechers lausche, stoße ich immer wieder auf Formulierungen, die mich mir am liebsten sofort aufschreiben würde – und Worte, die ich entweder lange nicht benutzt habe oder die mir schier neu sind. Besonders aufgefallen ist mir das bei Untenrum frei von Margarete Stokowski. Bei diesem Buch hätte ich am liebsten jeden zweiten Satz für meine Captions benutzt. Da ich schon immer geschrieben habe – ob für mich, meinen Blog und später auch in den sozialen Medien, hat mir diese Seite am Lesen und Hören immer besondere Freude bereitet.

Zudem bin ich immer verwundert und begeistert darüber, wie vorgelesene Sätze mich in andere Welten versetzen können, welche Bilder sie in mir hervorrufen
und wie ich auch nach dem Ausschalten noch eine Weile gedanklich bei den Protagonisten bleibe, über ihre Entscheidungen philosophiere und mich frage, wie ich wohl in ihrer Situation gehandelt hätte.

Lernen, zuzuhören

Wenn ich Interview-Podcasts und Diskussionsrunden zuhöre und sich einer der Personen zu einem bestimmten Thema äußert und ich völlig anderer Meinung bin, merke ich wie mein Puls nach oben rast – wirklich. Ich werde ein bisschen aufgeregt, widerspreche laut und würde am liebsten in das Gespräch mit einsteigen. Doch ich kann nicht – und das ist auch gut so. Denn meistens werden Argumente, Standpunkte, Meinungen erklärt. Würde ich dazwischen grätschen, hätte die Person keine Chance mehr dazu.

In den letzten Monaten habe ich also gelernt, zuzuhören. Denn meistens ist das der erste Schritt, um diesen erstmal völlig anderen Standpunkt, nachvollziehen zu können, ihn zu verstehen, vielleicht sogar von seiner so fest scheinenden Meinung ein wenig abzugehen, die andere Person jedoch zumindest in ihrer Sichtweise anzuerkennen. Ich bin etwas ruhiger geworden und habe gelernt, nicht voreilig zu verurteilen und in manchen meiner Anschauungen flexibler zu werden.

Zuhören ist tatsächlich eine Fähigkeit, die man sich aneignen und immer wieder trainieren muss.