Der Name Friedrich Schiller ruft bei den meisten von uns vermutlich eine ähnliche Assoziationskette hervor: Schule, Deutschunterricht, Abithema.

An Bands wie Jupiter Jones und Die Ohrbooten oder an Friedrich Lichtenstein und Stumpen von Knorkator...denkt man da eher nicht. Das wird sich jetzt ändern. Am 10. Juli erscheint Die Räuber von Friedrich Schiller in einer modernen Hörspiel-Fassung, produziert von Audible. Und das Ganze auch noch gratis. Nach Berlin versetzt und auf die Gegenwart umgeschrieben wurden Die Räuber von Carolin-Therese Wolff und gesprochen von Stars der deutschen Musik- und Kulturszene. Neben den bereits genannten Künstlern sind außerdem Celina Bostic, AnNa R. von Gleis 8, Der Fall Böse und Bernd Kurtzke von den Beatsteaks am Start.

Staubwedel, Rockstars und Klassiker

Schiller ist seit über 200 Jahren tot, trotzdem ist er auch heute noch einer der bekanntesten deutschsprachigen Dramatiker. Seine Stücke werden auf Theaterbühnen inszeniert, modernisiert und übersetzt – und jeder von uns hatte im Deutschunterricht mindestens ein gelbes Reclam-Heft auf dem sein Name stand. Kennen tut ihn jeder, aber viele wohl mehr als Pflichtlektüre, denn als Lieblingsautor. Warum also ausgerechnet Schiller?

„Wir haben schon seit Jahren mit der Idee gespielt, klassische Stoffe wirklich anders aufzubereiten. Wir wussten bloß nie genau, was dieses „anders“ heißt. Die grundlegenden emotionalen Konflikte existieren auch heute noch, die Geschichten sind oft extrem spannend und oft kopiert. Bloß die Erzählweise und manchmal auch die Sprache – Germanisten werden mich für diese Aussage hassen – ist halt hin und wieder etwas... zu sperrig, als dass es heutige Hörer noch wirklich interessiert. Wir haben nie wirklich einen Twist gefunden, wie wir so eine Modernisierung umsetzen können, ohne den Respekt vorm Original zu verlieren“ sagt Michael Treutler von Audible.

Das änderte sich, als das Team Carolin-Therese Wolff kennenlernte. Die Räuber sind spannend, aber Schiller hatte ein verstaubtes Image. Also machte sich Audible daran es abzustauben.

Ab 10. Juli 2015 könnt ihr euch das Hörspiel gratis auf Audible.de herunterladen.

Zwischen Norm und Freiheit

Caro machte sich an die Modernisierung der Sprache und sie fand einen Weg, wie die Handlung ins heutige Berlin verlegt werden konnte. Szeneneinteilung, Charaktere und Motive sind größtenteils gleich geblieben. Die Thematik der Zerrissenheit zwischen gesellschaftlicher Norm und Freiheitsdrang und der Konflikt der Brüder Karl und Franz Moor sollten sich jetzt auf den Straßen der Hauptstadt abspielen. Damit das Stück auch wirklich frisch und anders wird, entstand die Idee, die Rollen mit deutschen Musikern zu besetzen.

Die Hoffnung war, dass die Bühnenerfahrung von Musikern hilfreich für die Umsetzung wäre, aber die Stimmen mussten passen, das schauspielerische Talent stimmen und Zeit mussten die ausgesuchten Bandmitglieder auch noch haben. „Manchmal war uns schon etwas mulmig, ob das wirklich alles so zusammenkommen kann, wie wir uns das vorstellten“ erinnert sich Michael. Doch das Interesse der Musiker war groß und nach vielen Telefonaten und E-Mails konnte es richtig losgehen.

Die Räuber treffen sich im Studio

Die Sorge war, wie angespannt die Aufnahmen werden würden, da viele der Beteiligten nicht unbedingt alte Hasen im Geschäft waren. Was passiert, wenn es bei den Ensembleaufnahmen jemand nicht hinbekommt? Caro hatte Regieerfahrung, aber mit keinem der Beteiligten zuvor zusammengearbeitet. Die Sorge war unberechtigt und das Gegenteil trat ein: „Wir waren ja alle in der gleichen Situation. Alle Musiker stehen da, bei allen war die gleiche Unsicherheit da, die man am Anfang noch gespürt hat, aber es hat sich ziemlich schnell aufgelockert und Spaß gemacht“, erzählt Ben Pavlidis von den Ohrbooten. „Man hatte eher das Gefühl, in irgendeinem Backstageraum zu sitzen, mit den anderen Bands Bier zu trinken und das zu machen, was man eigentlich oft macht - einen schönen, lustigen Moment zu kreieren. Dass dabei ein Hörspiel rauskommt, ist geil und auch ein bisschen überraschend, weil man es kurz mal vergisst, wenn man mit so vielen lustigen Menschen in einem Raum steht“, ergänzt Bandkollege Christoph Spangenberg alias Spange.

Man merkt im Hörspiel und hinter den Kulissen die Begeisterung der Beteiligten: Für Sven Lauer von Jupiter Jones ist mit seiner Rolle als Karl ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen. „Ich hab schon zu Sascha gesagt, das wäre mein größter Wunsch, mal bei einem Hörbuch oder Hörspiel mit zu machen. Und jetzt sitzen wir hier.“ Bevor Sven Bandmitglied wurde, durften Jupiter Jones schon eine Gastrolle bei den Drei ??? spielen. Sven kann sich gut in seine Hauptrolle Karl Moor hineinversetzen: „Der ist jemand, der eigentlich Werte hat, was Gutes will, und oft genug in die Scheiße greift, damit kann ich mich ziemlich gut identifizieren.“ Karls Bruder Franz wird von Stumpen der Band Knorkator gesprochen. Er spielt die Rolle des Franz Moor mit einer großen Portion Berliner Dialekt: „Franz ist komplett Berlin, also rotzfrech, keck, hinterlistig keck und dit jefällt mir. Der wird so spitz, der wird so zickig, und dann kann der auch mal so aggressiv werden.“

Schiller wäre stolz

Auch das Skript hat die Musiker voll überzeugt: Celina Bostic spielt Karls Freundin Amalia. Ihr hat die moderne Sprache geholfen, sich in ihre Rolle einzufühlen: „Ich persönlich kann mehr damit anfangen, wenn es in der Neuzeit ist; wenn man auch mal so Sachen wie "Handy" und so sagen kann, und wenn das alles nicht so hochtrabend gesprochen ist, dann kann ich mich da besser reinfinden in die Figur.“ „Dieses neu geschriebene Skript fand ich echt wirklich großartig, weil man einfach Lust bekommt, vielleicht auch irgendwann das Original zu lesen“, findet Sascha Eigner von Jupiter Jones, der als Franz‘ Handlanger bei der Umsetzung seiner Intrigen hilft. Bandkollege Sven stimmt zu und glaubt, dass auch Schiller diese Hörspiel-Version gefallen hätte: „Ganz ehrlich, würde es nicht jeder von uns cool finden, wenn in 300 Jahren jemand deine Werke spricht? In seiner aktuellen Sprache? Wenn er ein bisschen abstrahieren kann, und davon gehe ich bei einem solchen großen Mann aus, dann hätte ihn das sicherlich stolz gemacht.“

„Ich bin gespannt, wie es am Ende daherkommt“, sagt Friedrich Liechtenstein. Er spielt den alten Moor, also den Vater von Karl und Franz. „Grundsätzlich ist das ne gute Sache, dass man das so macht und es gab ja auch schon Shakespeare-Bearbeitungen im Kino. Die guten, alten Sachen kann man immer wieder hoch holen.“

Audible hat Schiller aus der Schule geholt, entstaubt und als modernes Kopfkino umgesetzt. Und mit ein bisschen Glück kann man Schiller jetzt sogar mit seiner Lieblingsband assoziieren.