Früher war alles besser. Zumindest, was das Dating anging. Es muss einfach besser gewesen sein, denn sonst wären wir Menschen schon längst ausgestorben oder hätten uns zahlenmäßig dezimiert statt multipliziert.

So wie die Sache momentan steht, müssen wir uns bald keine Sorge mehr machen wegen der Überbevölkerung des Planeten. Es ist nämlich schier unmöglich geworden, einen Partner zu finden. Das gilt für Männer ebenso wie für Frauen, das gilt für alle.

Mythos Zufallsbegegnung

Millennials lauschen ebenso gespannt wie Vertreter der Generation Z, wenn ihre Eltern ihnen davon erzählen, wie sie sich beim Tanzkurs kennengelernt haben. Oder in einer Bar. Oder im Einführungskurs an der Uni. Auf alle Fälle aber IRL – was, für alle Nicht-Digital-Natives, „in real life“ bedeutet. Und das ist schon mal krass. Jemanden im echten Leben kennen lernen? No way!

Wie beim Essen bestellen, Navigieren oder, ehrlich gesagt, alltäglichen Funktionieren, wären wir auch beim Dating ohne Handy aufgeschmissen. Einsam? Swipe doch mal eine Runde durch Tinder! Lust auf ein nettes Abendessen? Beantworte noch ein paar Fragen auf OKCupid, damit der Algorithmus dir einen zu 98 Prozent passenden Partner vorschlagen kann! Du suchst was Ernsteres? Dann melde dich bei Bumble an! Keinen Erfolg mit den gängigen Apps? Wie wäre es dann mit Lovoo, Badoo, Happn oder Once?

Blind Date

Liebe auf App-ruf

Tatsächlich gibt es viel mehr Apps, die Unterstützung bei der Partnersuche versprechen, als solche, mit denen wir uns Essen nach Hause bestellen können. Kein Wunder, es ist ja auch wesentlich einfacher, selbst ein fünfgängiges glutenfreies Menü ohne Laktose, tierische Produkte und Zucker zuzubereiten, als jemanden zu finden, mit dem man wenigstens halbwegs auf einer Wellenlänge ist.

Wer es in letzter Zeit mal probiert hat mit diesem Dating, wird vor allem eines festgestellt haben: dass Alleinsein auch ziemlich cool ist. Warum?, wird da manch einer fragen. Ganz einfach, werden Leidgeprüfte sagen, weil sich im echten Leben, in freier Wildbahn, auf offener Straße ebenso wenig potenzielle Partner finden lassen wie online.

Durst

Kein Date ohne Vorwissen

Dank der weit verbreiteten Verfügbarkeit von Apps geht kaum einer mehr das Risiko einer Abfuhr ein, das nun einmal zwangsweise mit dem Ansprechen eines anderen Menschen in einer Bar oder auf einer Party einhergeht. Lieber swiped man sich schnell unauffällig durch Tinder in der Hoffnung, dass die andere Person im Stapel verfügbarer Personen angezeigt wird, weil sie ja jetzt in der Nähe ist. Aber jemanden ansprechen? Puh, das ist schon ziemlich viel verlangt.

Außerdem weiß man ja im echten Leben gar nicht von vornherein, ob die andere Person in die gesuchte Altersspanne fällt, ob sie überhaupt zu haben ist und wie es um ihre Fähigkeit bestellt ist, zusammenhängende Sätze ohne übermäßig viele Rechtschreibfehler zu verfassen.

Last Date

Online wissen wir das. Da können wir gleich alle aussortieren, die uns zu jung oder zu alt sind. Können mit gezielten Fragen abchecken, ob sie wenigstens einige unserer Wunschvorstellungen erfüllen. Dann wiederum wissen wir auch, dass uns online allerlei Blödsinn erwartet. Leute zum Beispiel, die nach der zweiten Nachricht offenbaren, dass sie einen ausgeprägten Fußfetisch haben. Nichts gegen mehr oder weniger ausgefallene Vorlieben, aber muss man sein Gegenüber so schnell mit so etwas überfallen?

Verlieben im digitalen Zeitalter

In echt ist also schwierig, online aber auch. Wer das Alleinsein doch irgendwann nicht mehr so cool findet, hat quasi die Wahl zwischen Pest oder Cholera.

Aber weil wir es einfach nicht lassen können mit der Liebe, weil es so wunderbar aufregend ist sich mit jemandem zu treffen, weil wir ohne Schmetterlinge im Bauch und erste Küsse und verheißungsvolle Blicke einfach nicht leben wollen, versuchen wir es doch immer wieder. Wir nehmen Pest und Cholera und Fußfetischisten in Kauf, um diesen einen ganz besonderen Menschen zu finden. Und das ist doch auch irgendwie schön. Romantik im Jahr 2020 eben.