Muriel, du bist Schauspielerin. Jetzt hast du ein Buch geschrieben, „Hinfallen ist keine Schande, nur Liegenbleiben“ – wie kam es zu diesem Berufswechsel?

Der Prozess war schleichend, weil ich das Buch nicht gesucht habe, das Buch kam zu mir. Zu dem Zeitpunkt hat es mir gereicht mit der Opfernummer. Eine Casting-Direktorin hat mich dann auf die Idee gebracht, ein Buch zu schreiben. Dann kam ein Verlag auf mich zu und schließlich meine Schreib-Partnerin Constanze Behrends.

Mit der „Opfernummer“ spielst du auf die Berichterstattung an, als du 2017 einen Autounfall hattest und bei dir 1,45 Promille festgestellt wurden. War die anschließende Berichterstattung ein Grund dieses Buch zu schreiben?

Es ist auch aus der Not heraus entstanden, wieder Selbstbestimmtheit zu erlangen. Das war ein ganz schöner Schritt. Diese mediale Hinrichtung damals suchte ja ihresgleichen. Es war also auch ein Entschluss von mir, darauf zu reagieren. Aber jetzt ist es dann auch genug. Der Mann einer Kollegin hat mir letztens angeboten, einen Dokumentarfilm zu machen. Das möchte ich aber nicht mehr.

Hinfallen ist keine Schande, nur Liegenbleiben

Wie hast du dich gefühlt, als das Buch fertig war?

Es ist ja eine Art Tagebuch. Mir war klar, was ich gesagt hatte. Aber es geschrieben zu lesen war nochmal etwas Anderes. Das Wort Alkoholiker Schwarz auf Weiß zu lesen war gewöhnungsbedürftig. Vor allem, nachdem die BILD mich praktisch getötet hatte.

Du sagst auch ganz deutlich, dass das Buch keine Beichte sein soll.

Ich bereue nichts – außer, dass ich meiner Familie so einen Kummer gemacht habe. Deswegen ist es mir so wichtig, dass das Buch keine Beichte ist.

War deine Familie überrascht?

Für meine Familie war das kein Thema mehr.

Constanze Behrends war deine Schreibpartnerin. Wie war die Zusammenarbeit?

Ich habe dem Verlag gesagt: Ich kann das nicht alleine, will aber keinen Ghostwriter. Denn ich mag mich nicht mit fremden Federn schmücken. Der Verlag hat Constanze vorgeschlagen. Constanze und ich haben dann ein Probekapitel geschrieben. Danach war alles klar. Wir haben geredet und erzählt. Sie hat alles aufgeschrieben, ich habe ihr die Korrekturen geschickt und dann haben wir gemeinsam die Korrekturen eingearbeitet. Wir waren Partner.

"Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden."

Muriel Baumeister

Wenn du dein Buch in drei Sätzen beschreiben müsstest: Was erwartet den Leser?

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.

Du erzählst in wirklich schön beschriebenen kleinen Anekdoten aus deinem Leben. War es schwer diese auszuwählen, diese Momente zu finden, die Lebensabschnitte und –prozesse beschreiben?

Es waren die Momente, die sich vorgedrängelt haben. Es gibt 178.000. Aber das sind die Geschichten, die erzählt werden wollten.

Hast du eine Lieblingsstelle im Buch?

Die Geschichte mit der Amsel. Als ich nach dem Entzug nach Hause kam, sang sie vom Kastanienbaum gegenüber meiner Wohnung. Die Amsel ist das Tier meiner großen Tochter, sie ist für uns ganz wichtig. Für mich war diese Begegnung das Symbol, dass nun alles gut wird.

Wie waren die Reaktionen auf das Buch, das ja nun schon eine Weile erhältlich ist?

Ich habe vorher immer gesagt, ich glaube erst, dass das Buch funktioniert, wenn ich auf der SPIEGEL-Bestseller Liste steht. Und da hat es das Buch hingeschafft. (Anm. d. Red.: Es stand auf Platz 4 der Paperback Sachbücher.) Das Thema Alkoholismus brennt offensichtlich unter den Nägeln. Es gibt in Deutschland rund 1,8 Millionen Alkoholabhängige. Der Staat verdient daran – über die Genussmittelsteuer. Ich glaube „Hinfallen ist keine Schande, nur Liegenbleiben“ funktioniert, weil ich mich mit den Leuten gemein mache, weil die Leute mich lange kennen, und weil die Leute sich gemeint fühlen. Das schafft Nähe, manchmal auch zu viel, wenn Menschen mir auf Instagram schreiben, dass sie einen Rückfall hatten. Ich merke das auch bei Lesungen: Ich lese eine Stunde und signiere eineinhalb Stunden.

"Vorbildfunktionen unter Frauen sind extrem wichtig: Leitwölfinnen, Schwesternschaft, Zugehörigkeitsgefühl."

Muriel Baumeister

Im Vorwort dankst du den wunderbaren Frauen in deinem Leben. Was bedeuten dir diese Frauenbindungen.

Vorbildfunktionen unter Frauen sind extrem wichtig: Leitwölfinnen, Schwesternschaft, Zugehörigkeitsgefühl. Meine besten Freunde sind Freundinnen. Frauen können so viel besser zusammenhalten, wenn die Stutenbissigkeit aufhört. Auch das Urmuttersein – es muss ja nicht immer die eigene. Dieses Urwissen - man muss es annehmen. Bevor die Geschichten aussterben, müssen wir hinhören.

Du hast das Hörbuch auch selbst eingesprochen. War das einfach für dich?

Es war superschön und so schnell vorbei. Ich mag diese Arbeit des Lesens. Meinen Töchtern kaufe ich gar nicht unbedingt Hörbücher. Ich lese lieber selbst vor: Astrid Lindgren, Erich Kästner, „Die wilden Zwerge“ oder „Die Mitte der Welt“ von Andreas Steinhöfel.

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