Social Distancing, Corona-Fälle, Kontaktverbote … dass es vielen von uns schwerfällt, derzeit wohlgelaunt durchs Leben zu gehen, ist nicht weiter verwunderlich. Dabei ist ein positives Mindset, also die geistige Haltung, ungemein wichtig für die Gesundheit und unser Erleben der Welt. Studien haben gezeigt, dass die persönliche Einstellung und das Selbstbild maßgeblich über die eigene gesundheitliche Verfassung entscheiden.

Die Rolle unseres Mindsets in Krisenzeiten

Warum sich keiner schlecht fühlen muss, der einfach mal einen miesen Tag hat, und wie trotz allem positiv gestimmt bleiben, erklärt Xenia Below, Psychologin und systemischer Coach der Positiven Psychologie.

Welche Rolle spielt unser Mindset im Alltag?

Die Art und Weise wie ich die Welt sehe, hat weitreichende Implikationen für meine Einstellungen meinen Mitmenschen und mir gegenüber. Es beeinflusst mein Denken, mein Fühlen sowie mein Verhalten.

Kannst du ein Beispiel dafür nennen?

Wenn ich zum Beispiel fröhlich optimistisch gestimmt bin, begegne ich selbst grummeligen Zeitgenossen mit Leichtigkeit und einem Lächeln. Das wiederum hat zur Folge, dass diese wohl oder übel von der Positivität angesteckt werden und sich zum Beispiel auf neue, andere Gedanken einlassen und mir dadurch wiederum mit Offenheit begegnen – ein sich selbst verstärkender Mechanismus, der wie eben beschrieben eine Aufwärtsspirale auslösen kann.

Das funktioniert aber sicher auch in die andere Richtung, oder?

Wie wir alle wissen, kann sich dieser Effekt bei negativer Grundeinstellung auch in eine Abwärtsspirale umkehren: Die Sorge vor der Zukunft führt zu einer selektiven Wahrnehmung von Bedrohungen und zu einem größeren emotionalen Rückzug, sozialer Isolation und daher noch mehr bedrückenden Gedanken angesichts der dunklen Zukunftsperspektive.

Also hängt es von uns selbst ab, wie wir die Dinge wahrnehmen?

Bereits bei Shakespeares Hamlet heißt es so schön „For there is nothing good or bad but thinking makes it so“. Unsere Realität ist ein individuelles Konstrukt und fern einer objektiven Wirklichkeit. Es ist die Art und Weise, wie wir Informationen aufnehmen, wie wir uns entscheiden diese zu bewerten und zu handeln die unsere Haltung ausmachen.

„Unsere Realität ist ein individuelles Konstrukt und fern einer objektiven Wirklichkeit.“

Xenia Below

Wie kommt es dazu?

Es kann sein, dass ich mir schon seit Jahren Sorgen über meine berufliche oder private Zukunft mache, mir stets Kritik schneller über die Lippen kommt als Lob oder ich seit meiner Kindheit zum Pessimisten – Vorsicht sei ja schließlich stets besser als Nachsicht – erzogen worden bin. Auf Grund dieser langen Lernhistorie kann es sein, dass mein Gehirn wesentlich effizienter Probleme findet als Chancen und wesentlich schneller darin ist, die Unmöglichkeit von Träumen zu beweisen, als es ist, Wege zu finden, diese doch zu verwirklichen. Dabei ist tatsächlich ja nicht so, dass es mehr Probleme als Lösungen gäbe auf dieser Welt. Vielmehr hat unser Gehirn oftmals mehr Training darin, das eine zu sehen und das andere einfach zu übersehen.

Wie wichtig ist eine positive Einstellung für unsere Gesundheit?

Die Psychologie hat sich, historisch bedingt, viel mit der Erforschung von dysfunktionalen, maladaptiven Denkens- und Verhaltensmustern beschäftigt. Aus diesem Wissensschatz nährt sich unser modernes Verständnis für das, was vor allem der mentalen Gesundheit nicht zuträglich ist. Ein noch recht junger Zweig der Psychologie, die sogenannte Positive Psychologie, richtet verstärkt den Fokus auf Faktoren und Variablen, die es uns ermöglichen, über die Lebenszeitspanne gesund, produktiv und glücklich zu bleiben. Man munkelt nämlich, dass es Menschen da draußen gibt, die ein erfülltes Leben führen, ohne jemals das Innere einer Therapeutenpraxis gesehen zu haben.

Positive Psychologie im Alltag: Der Schlüssel zum Unterbewusstsein

Leute, die wir gemeinhin als Optimisten bezeichnen.

Wir wissen unter anderem dank der Harvard Optimism Studie, dass Optimisten ein geringeres Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten aufweisen, nach invasiven Eingriffen schneller genesen und so gesünder sind und auch länger leben als Personen mit einem pessimistischeren Weltblick.

Woher nehmen die ihren Optimismus?

Optimismus ist zum Teil dispositional, also eine Veranlagung, hat jedoch auch erlernbare Anteile, zum Beispiel rund um die Frage: Wie erkläre ich mir eigentlich Erfolge und Misserfolge? Führe ich Misserfolge zum Beispiel auf internale, stabile und globale Faktoren zurück und sage mir „Wir haben diesen wichtigen Auftrag nicht bekommen, weil ich, mal wieder, zu blöd war“? Oder erlaube ich auch eine positivere Erklärung, die auf externe, variable und spezifische Faktoren zurückzuführen ist, also „Wir haben den Auftrag nicht bekommen, weil der Kunde bestimmte Informationen dieses Mal anders kommuniziert hat als sonst.“

Die Schönheit des Scheiterns

Wie können wir gerade in schwierigen Zeiten wie jetzt eine positive Einstellung bewahren?

Hier gilt: „Where attention goes, energy flows.“ Es ist unsere persönliche Entscheidung, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten wollen. Ich kann mich für die schönen Dinge in meinem Leben in Dankbarkeit üben. Hierzu kann man sich zum Beispiel täglich drei Dinge notieren, für die man dankbar ist. Diese Praxis steigert nachweislich nachhaltig das Wohlbefinden. Man kann auch einen Dankbarkeitsbrief an eine Person schreiben und ihr diesen vorlesen. Das stärkt die Qualität unserer sozialen Verbindungen, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Positiven Psychologie eine von fünf wichtigen Säulen eines erfüllten Lebens darstellen.

Und das klappt auch in Krisenzeiten?

Die aktuellen Zeiten sind mehr denn je eine Einladung, unsere automatisierten Wahrnehmungs- und Handlungsmuster bewusster zu hinterfragen. Die Welt steht Kopf. Das kann ich, übertrieben gesagt, als das Ende meines bisherigen Lifestyles begreifen und in Untergangsfantasien ersticken. Ich kann diesen Kopfstand aber auch spielerischer als einen Perspektivwechsel betrachten und als den Anfang von etwas Neuem willkommen heißen.

Wie das?

Indem ich mich frage: Was wollte ich schon immer mal für mich machen, wofür mir die Zeit fehlte? Mit welchen mir wichtigen Menschen wollte ich schon seit einer Weile mal Kontakt aufnehmen, aber mir kam immer was dazwischen? Welche meiner Qualitäten traute ich mich bisher nicht mehr zu leben, obwohl sie so ein authentischer Teil von mir sind? Jetzt ist die Gelegenheit mit seinem Potential in Kontakt zu kommen. Glück ist nämlich auch das bewusste Ergreifen von Gelegenheiten.

„Die aktuellen Zeiten sind eine Einladung, unsere automatisierten Wahrnehmungs- und Handlungsmuster bewusster zu hinterfragen.“

Xenia Below

Was können wir tun, wenn wir doch einmal in ein Loch fallen?

Zunächst einmal passiert es den Besten von uns, dass wir mal einen Durchhänger haben und der innere Nörgler, Faulenzer oder Pessimist mal das Mikro ergreift. Nicht selten verfallen wir dann typischerweise in sehr strenge, harte innere Monologe, die uns unsere Verfehlungen, unser Zuvielsein oder Nichtgenugsein noch stärker vor Augen führen und unsere Stimmung in den Keller senden. Dabei ist es zu menschlich, auch mal einen ja zwei und drei schlechte Tage zu haben. Wie würden wir mit einem Freund reden, der uns berichtet gerade down zu sein? Dieser Freund würde von uns wohl kaum das zu hören bekommen, was wir uns selbst in unseren inneren Gedankengesprächen zumuten. Daher ist es wichtig, mit sich wie mit einem/einer guten Freund/In geduldig, verständnisvoll und mitfühlend zu sein.

Das könnten vielen von uns schwerfallen, diese Achtsamkeit uns selbst gegenüber.

Es kann helfen, mit dem ‚ungebetenen Gast‘, also der besagten inneren Stimme oder einem bedrückenden Gefühl, eine Sendezeit von zum Beispiel fünf bis zehn Minuten auszumachen und mal bewusst all das zu denken und zu sagen, was sich da Raum verschaffen will. Eine effiziente Systemreinigung quasi. Das alles unter der Prämisse, dass danach konstruktivere Gedanken gedacht werden sollen. Auch hier gilt es, bewusste Verantwortung für seine Gedanken und Handlungen zu übernehmen.

Sich selbst vertrauen

Können wir unser Mindset auf langfristige Sicht ändern?

Unser Gehirn ist wie ein Muskel, verändert sich ständig und passt sich jeden Tag an die Art seiner Benutzung an. Diese Fähigkeit, die sich Neuroplastizität nennt, ermöglicht es uns, über die gesamte Lebenszeitspanne wandlungsfähig zu sein, zu lernen und uns zu verändern. So hat zum Beispiel eine Studie unter Taxifahrern in London gezeigt, dass bei diesen der Bereich des Gehirns, der für die örtliche Orientierung verantwortlich ist, deutlich größer ist als zum Beispiel bei jemandem, der die meiste Zeit im Büro arbeitet. Es ist eine simple mentale Trainingsaufgabe, das eigene Mindset langfristig zu verändern. Es ist die wiederholte bewusste Entscheidung für die Ausrichtung der eigenen Energie auf das, was funktioniert, was gut ist, die Ressourcen und Stärken eines Systems.

Wie können wir andere dabei unterstützen, eine positive Einstellung zu bewahren?

Negative Emotionen sind zunächst einmal als eine Qualität des Erlebens zu verstehen und nicht als eine Form der Bewertung. Zufriedenheit und Freude sind nicht besser als Gefühle von Angst, Ärger oder Trauer. Alle Emotionen erfüllen wichtige Funktionen und jede Emotion ist zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Dosis adaptiv, also nützlich für unser langfristiges Wohlbefinden.

Gilt das auch für Angst, die viele von uns gerade empfinden dürften?

Angst hilft, unseren Organismus vor Schaden zu bewahren, und Wut ist hilfreich, um unser kognitiv-emotionales Territorium zu verteidigen. Der springende Punkt ist, dass es sich eben nicht gut anfühlt zu trauern oder Angst zu haben. Vor diesem Hintergrund ist es zunächst einmal wichtig, dass auch bedrückende Gefühle als erlaubt erlebt werden und man den Fokus auf einen adaptiven Umgang mit ihnen legt. Also sollte man im ersten Schritt die Gefühle des Gegenübers würdigen und akzeptieren. Es ist ok zu fühlen, was man fühlt.

Und was dann?

Wie bereits angedeutet ist der Mensch anfällig für emotionale Ansteckungsphänomene negativer, aber eben auch positiver Natur. Jeder und jede Einzelne kann Quelle von Strahlkraft und Energie sein. Wenn man das verinnerlicht hat, dann kann man ein sehr achtsamer Anwender einer Superkraft sein, die man nutzbringend für seine Mitmenschen einsetzen kann. Angebote und Einladungen zum Perspektivwechsel und sogenanntes Reframing von Situationen oder Ereignissen können ebenfalls helfen, aus einer Abwärtsspirale zu kommen.

Kannst du Reframing näher erklären?

Reframing bedeutet eine Umdeutung der Situation vorzunehmen: Das ist nicht isolierender Hausarrest, das ist eine vom Arbeitgeber gesponserte Meditationsschulung. Ich bin nicht eine Mutter, die ihre Kinder versorgt, sondern eine Geheimagentin, die Mysterien auflöst. Es kann ein kreatives Spiel sein, die aktuelle Situation gemeinsam neu zu sehen. Sprache schafft Wirklichkeit, achte also auf deine Worte – sie könnten zufällig Realität werden.

Resilienz ist erlernbar

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