Sophie Passmann ist im Netz quasi zu Hause. Es ist fast egal, was sie talkt, filmt oder schreibt, von ihrer Followerschar wird sie für alles geliebt. Weil sie scharfsinnig und dabei sehr lustig ist. Weil sie keinen Hehl daraus macht, dass sie sich selbst ziemlich gut findet. Sophie Passmann ist einiges: Bestsellerautorin, Podcasterin, Feministin, Schauspielerin. Und sie hat einiges erreicht: Ihr Buch “Alte Weiße Männer” rührte 2019 auf und kreierte ein neues Schlagwort. Für ihren Auftritt in der TV-Sendung “Männerwelten” erhielt sie 2021 den Grimme-Preis.

Alte weiße Männer

Demnächst ist die 26-Jährige als Schauspielerin in der Amazon Prime Serie “Damaged Goods" zu sehen. Nach ihrem Podcast Jubel & Krawall folgt jetzt bei Audible “Quelle: Internet”. Darin ergründet Sophie Passmann mit ihrem Kollegen Simon Dömer, warum virale Geschichten abgehen. Sie sagt, im Netz sei vieles gar nicht doof, banal und böse gemeint. Und aus Internet-Phänomenen lasse sich viel über das Leben und die Menschen lernen.

Jubel & Krawall - Mit Sophie Passmann und Matthias Kalle

Worum geht’s im Podcast “Quelle: Internet?”

In jeder Folge sprechen wir über ein Internet-Phänomen und versuchen, dieses Ereignis, die Menschen und die Geschichten dahinter zu diskutieren – und danach ein bisschen schlauer nach Hause zu gehen.

Gib uns doch bitte ein Beispiel für so eine virale Geschichte.

Typisch war #FreeBritney, die Bewegung und der Hashtag um Britney Spears, die unter der Vormundschaft ihres Vaters stand. Im Netz haben sich weltweit Menschen zusammengetan, um Druck aufzubauen und Aufmerksamkeit dafür zu erzeugen, dass diese Frau auf eine Art eingesperrt lebte. Sie durfte nur raus, um Konzerte zu geben. Das war sehr präsent, und es wurde stark verbunden mit dem Hashtag und den sozialen Netzwerken.

Dein Podcast-Sidekick ist Simon Dömer. Was ist sein Job, was deiner?

Simon bringt die Geschichten mit. Wir haben uns dafür entschieden, dass ich vor der Aufzeichnung genau wie die Zuhörerinnen nicht weiß, um was es geht. Damit es keine Fachidiotie gibt und ich nicht aus meiner eigenen Filterblase rede. Was in meiner Timeline relevant ist, ist noch lange nicht für die anderen relevant. Meine Rolle ist es zuzuhören, Fragen zu stellen und mit Simon zu gucken, wo wir für die analoge Welt aus der digitalen lernen können. Auch wenn man das vielleicht manchmal vergisst: Das sind ja echte Menschen, die hinter Hashtags und viralen Videos stehen.

Warum heißt der Podcast “Quelle: Internet“?

“Quelle: Internet” ist ein Ausdruck, den ich aus der Mittel- und Oberstufe kenne, wie viele andere in meiner Generation. Irgendwann bekommt man in der Schule ja die Erlaubnis, das Internet für Referate zu benutzen. In den ersten Jahren passierte es bei uns immer wieder, dass Leute bei “Quelle” dann einfach “Internet” schrieben. Der Lehrer sagte natürlich sehr frustriert: “Ja, das ist jetzt aber wie ‘Quelle: Bibliothek’, das kann ich ja nicht hinschreiben!” Irgendwie finde ich den Ausdruck seitdem wahnsinnig witzig.

Der Titel spielt auch darauf an, dass wir von den meisten Internet-Phänomenen zwar gehört haben, aber nur vage wissen, um was es wirklich geht. Wer weiß, wie der Hashtag #freebritney wirklich entstand? Wer kennt die Geschichte hinter Grumpy Cat? Das ist immer so ein: “Ja, ich hab das mal gesehen. Ich weiß aber nicht genau wo, und war das nicht 2017?” Es geht darum, diesen vagen “Quelle: Internet”- Verweis konkreter zu machen.

Quelle: Internet

Was willst du damit erreichen?

Ich möchte eine Lanze dafür brechen, bei Storys in sozialen Netzwerken mehr in die Tiefe zu schauen. Gerade, wenn es darum geht, Diskussionen zu führen. Werden Hashtags live diskutiert, gibt es eine unglaubliche Menge an Halbwissen und an quergelesenen Dingen. Viele Diskussionen würden wohl entweder im Sande verlaufen, oder gar nicht erst geführt werden, wenn die Leute sich erst einmal Gedanken machen und informieren würden. Dann erscheinen viele Positionen von Leuten, die man eigentlich angreifen will, oft plötzlich relativ nah an der eigenen Position. Ich glaube, das wird nicht gemacht, weil die sozialen Netzwerke eine wahnsinnige Geschwindigkeit verlangen. Oft ist nach 24 Stunden eine Diskussion durch, und man ist zu spät dran, weil man erst dann fertig überlegt hat.

Die Aufmerksamkeitsspanne der User wird immer kürzer. Warum hören sich die Hörerinnen eine ganze Folge an über ein vergangenes Internetphänomen?

Ich glaube, wir haben es sehr erfolgreich umgesetzt, einen Podcast zu machen, bei dem es nicht darum geht, wie gut man sich mit dem Internet auseinandersetzt und auskennt. Sondern ob man Interesse daran hat, mehr über die Menschen zu lernen, die sich durchs Internet bewegen. Es ist irrelevant, ob man vor einer Folge von einem gewissen Internetphänomen gehört hat. Das nimmt jede Folge dem Zuhörer ab. Was vor allem passiert, ist, dass Simon und ich Fragen diskutieren, die sich daraus ergeben. Heißt, wir versuchen, vom Kleinen (dem Internetphänomen) zum Großen (den großen Fragen der Menschheit) zu gehen.

Das Internet ist heute voller Hass. Viraler Content basiert oft auf Schadenfreude oder auf Skandale. Du bist selbst bereits in in Shitstorms geraten. Wie gehst du damit um?

Persönlich versuche ich das auszublenden. Es hilft ja nichts. Und wenn es nötig ist, schalte ich einen Anwalt ein. Im Podcast werde ich natürlich auch immer wieder darüber sprechen, weil ich gewisse Erfahrungswerte habe. Darüber hinaus versuche ich, Hass im Netz nicht zu viel Platz einzuräumen. Deswegen wird im Podcast nicht überbordend viel von Hass gesprochen.

Geht es auch darum, die Leute wieder positiver aufs Internet einzustimmen?

Es geht nicht darum zu sagen: Das Internet ist toll. Wir bilden die Phänomene einfach ab, wie sie sind. Was wir versuchen wollen, ist, dem Internet wieder ein bisschen Klugheit zu geben. Indem wir uns die Zeit nehmen und sehen, dass einige Sachen vielleicht gar nicht so doof oder banal oder böse gemeint sind. Menschen sind komplex und kompliziert, und Menschen bewegen sich durchs Internet – deswegen ist das Internet auch komplex.

Du benutzt in deinen Formaten viel Humor, als Werkzeug und als Waffe. Kommt man damit weiter als mit bitterem Ernst?

Ich benutze Humor, weil das mein Job ist. Ich betrachte mich nicht als öffentliche Intellektuelle, ich bin Unterhalterin. Das habe ich nicht bewusst entschieden, das ist so gewachsen. Und ich benutze Humor gerne, weil er oft dafür sorgt, dass Leute sich mit einem Thema gemein machen, auch wenn sie das intellektuell gar nicht wollen. Hat man erstmal darüber gelacht, ist man emotional viel näher dran als zuvor. Humor ist manchmal einfacher verdaulich, und oft auch eine erfolgreichere Methode, um etwas mitzuteilen, wenn die Leute sich nicht mit etwas auseinandersetzen wollen.

Du bist Feministin und stehst auch für Diversität. Welche Rolle wird das im Podcast spielen?

Alles, was mich beschäftigt und bewegt, wird eine Rolle spielen. Dass ich Feministin bin, treibt mich jeden Tag an. Meinen Sidekick Simon beschäftigt das Thema Diversität genauso. Wir kennen uns gut und wissen, was unsere unterschiedlichen Verortungen in Communities sind. Das wird immer wieder ein Thema sein. Nicht, weil ich glaube, dass jede Sache radebrechend auf Feminismus gebracht werden muss. Ich betrachte es einfach aus dieser Perspektive.

Was wünscht du dir, was der Podcast bei Hörenden auslösen soll?

Das Schönste ist, wenn wir es schaffen, dass Audible-Abonnentinnen die Folge hören und sagen: “Ah, geil, ich freue mich auf nächsten Freitag. Da kommt eine neue.”