Stefan Kaminski über „American Gods“, Stimmen-Morphing und das HörSPIELtheater

Insa Sanders | 20.03.13

Stefan Kaminski spielte schon als Kind am Liebsten mit Kassettenrekorder und Mikrofon. Früh begeisterte er sich für Hörbücher...

Stefan Kaminski begann seine Karriere beim Hörfunk und absolvierte ein Schauspielstudium an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Mit Kaminski ON AIR entwickelte er ein Hörspiel-Format fürs Theater. Er lieh Kermit dem Frosch seine Stimme und hat weit über 100 Hörbücher eingesprochen. Mal ganz schlicht, mal mit dem vollen Spektrum des Stimmfarbmalkastens. Letzteres ist seine Spezialität.

American Gods
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American Gods

Geschrieben von:Neil Gaiman
Gesprochen von:Stefan Kaminski
Spieldauer:22:45
Typ:Ungekürztes Hörbuch
Zum Hörbuch

Audible Magazin: Der Fantasy- und Science-Fiction-Roman American Gods Kaminski: Es ist egal, ob ein Text drei Seiten hat oder tausend, die Vorgehensweise ist ganz die selbe: Ich lese das Manuskript einmal komplett durch. Dabei lerne ich die Geschichte kennen, entdecke die Figuren und mache mir eine Art Legende. Wie bei einer Partitur zeichne ich mir Hebungen, Senkungen, Betonungen und Bögen ein, die mir über Dynamik und Ausdruck Auskunft geben. Wenn die Textform es zulässt, lege ich für jede Figur eine Stimmfarbe fest. Bei Fantasy geht das sehr gut, bei Kinderbüchern auch, da kann man ruhig starke Stimmfarben finden. Es gibt aber auch Romane, wo man einfach nur die Sprache transportiert, versucht die Spannung einzufangen und die Haltung der Figuren zu treffen. Wenn ich dann im Studio sitze, lese ich das Manuskript zum zweiten Mal und entdecke den Text neu. Dann habe ich meine Aufzeichungen dabei und lasse spontanen Impulsen freien Lauf. So ist das am Ende eine Mischung aus Frische und einer gelegten Spur und das funktioniert ganz prima. Update Mai 2017: "American Gods" von Neil Gaiman gibt es mittlerweile als Amazon-Serie. Erfahrt mehr zu den einzelnen Charakteren und warum die TV-Serie schon nach zwei Folgen so gefeiert wird - in unserem aktuellen Artikel "American Gods: Neil Gaiman’s Götterkrieg als TV-Serie". Audible Magazin: Du hast eine unfassbar vielseitige Stimme. Wie entscheidest du, wie die Charaktere im Buch klingen sollen? Ist das vorgegeben oder machst du das nach deinem Gefühl? Kaminski: Wie die Figuren sind, geht ja meistens aus dem Inhalt hervor. Ich kenne mein Stimmmaterial sehr gut, das heißt, ich weiß, für welche Figur ich mich mehr verschleifen kann, weil sie nicht den ganzen Text über auftritt. Da gibt es dann eine kräftige Stimme für irgendeinen fiesen Gott. Dann gibt es aber auch Figuren, die in der ganzen Geschichte unterwegs sind, die würden nerven, wenn sie zu krass gezeichnet wären, deswegen versuche ich denen eine Klangfarbe zu geben, die natürlich und menschlich ist, sodass man folgen kann, ohne sich zu quälen. Wenn der Autor eines Textes auch der Regisseur ist, dann hat der natürlich oft eine Vorstellung, wie seine Figuren klingen sollen. Dann heißt es: „Das ist zwar ‘n Eisbär, aber der ist ganz klein, der sollte auch 'ne niedliche Stimme haben.“ In solchen Fällen spricht man sich ab. Ansonsten versuche ich den Figuren entsprechend ihrer Wertigkeit die Farben zu verleihen. Ich gehe das mit großer Ernsthaftigkeit und dem Wunsch nach Wahrhaftigkeit an, denn ich will ja aus den Texten alles rausholen und sie gestalten. Ich habe ein ganz gutes Gefühl dafür, wie ich das energetisch schaffe, über einen Text hinweg verschiedene Farben anklingen zu lassen. Aber auch ohne Farben, ist diese Arbeit eine große Herausforderung und auch das Schlichte macht mir sehr viel Spaß. Manchmal lohnt es sich in die Vollen zu gehen. Bei Neil Gaiman war das natürlich ein Fest, diesen Schmutz der Figuren auch in die Stimme hineinzulegen. Audible Magazin: Werden manche Stimmen auf die Dauer anstrengend? Kaminski: Ja, bei ganz extremen Stimmen ist das so. Wenn ein Monster platzt und dabei noch Flüche ausspricht, dann kann man mal kurz Vollgas geben. Es ist aber nicht nur für mich wichtig, solche Stimmen kurz und knapp zu halten, sondern auch um der Geduld der Zuhörer willen. Es gibt krasse Stimmen und es gibt Stimmen, die krass klingen, aber gar nicht so anstregend sind. Das ist wie das Register einer Kirchenorgel. Mir geht es da gar nicht um Extreme, sondern um feine Differenzierungen und Figurenunterschiede. Bei Neil Gaiman habe ich schon ordentlich in die Tasten gelangt. Kaminski: Mir hat das auch tierischen Spraß gemacht. Ich fand es toll, so eine lange Geschichte von jemanden lesen zu können, der es auch schafft eine Landschaft zu bauen, in die man sich gerne fallen lässt. Der kann schreiben, der Mann. Das ist schön, so eine Sprache im Mund zu kauen und da lohnt es sich auch stimmlich reinzugehen. Audible Magazin: Neil Gaiman schreibt auf Englisch und du liest die deutsche Übersetzung. Was machst du, wenn es mal Orte oder Namen gibt, bei denen du keine Ahnung hast, wie du sie aussprichen sollst? Kaminski: Da lohnt sich dann die schöne Zusammenarbeit mit dem Regisseur, weil der den Text auch gelesen hat und recherchiert wie bestimmte Dinge ausgesprochen werden. Das passiert sehr oft. Da hat man dann einen Text mit japanischen Namen oder so. Bei fiktiven Sprachen macht es Spaß, etwas eigenes zu finden, aber bei Orten muss man oft nachgucken. Arkansas, zum Beispiel, wird irgendwie „Arkansore“ ausgesprochen. Da muss man dann jedes Mal wieder dran denken. Audible Magazin: Auf deiner Webseite steht, du hast eine spezielle Neigung zum „Stimmen-Morphing“. Was genaus ist das? Kaminski: Das ist ein Begriff, den ich mich selber ausgesucht habe und ich meine damit ungefähr folgendes: Wenn die Polizei versucht, einen seit 20 Jahren flüchtigen Täter zu finden, müssen die überlegen, wie der jetzt aussieht. Dann nimmt man das alte Bild und versucht es durch einen realistischen Übergang 20 Jahre älter zu machen. Das nennt man morphen. Wenn ich zwischen den Stimmen verschiedener Figuren wechsel, tue ich das ohne Absatz oder Pause. Da wird nichts geschnitten. Ausgehend von dem, was in meinem Hals passiert, ist das ein Morphprozess. Audible Magazin: Du bist ausgebildeter Schauspieler und hast mit „Kaminksi ON AIR“ eine eigenen Show erfunden, die eine Art Live-Hörspiel ist. Inwieweit unterscheidet sich das, was du dann auf der Bühne machst von einem Theaterstück? Kaminski: Ich komme ursprünglich aus dem audiophilen Bereich, deswegen war es mir so wichtig das Genre Hörspiel ins Theater zu bekommen. Ich nenne das mittlerweile HörSPIELtheater. Das ist so eine Art Hybrid. Es wird frei gespielt, ich habe Requisiten, ich verändere Mimik und Gestik, das ist der Bereich Theater. Und die Hörspielnote ist diese On-Air-Situation. Man sitzt in einer studiohaften Umgebung, alle Geräuscherequisiten und Instrumente gehören zum Bühnenbild, sind aber auch funktional. Der Sound entsteht auf dieser Werkstattbühne. Das Ganze findet unter einem leuchtenden On-Air-Schild statt. Man kann die Geschichte mit geschlossenen Augen genießen und verstehen. Wenn man sie offen behält, sieht man, wie es gemacht wird. Audible Magazin: Du hast als Sprecher beim Hörfunk angefangen und mittlerweile über 100 Hörbücher vorgelesen. Wie ist es dazu gekommen? Bist du aktiv geworden oder hat dich jemand entdeckt? Kaminski: Ich habe schon immer gerne Hörspiele im Radio gehört und 1994 kam dann das Hörbuch in mein Leben. Das war Gert Westphal, der las Thomas Manns Joseph und seine Brüder. Da bin ich drin versunken und dachte mir, das würde ich so gerne machen: Bücher lesen und aufnehmen. Ich fühlte mich da ganz hingezogen. Vorher hatte ich schon so kleine Hörspiele aufgenommen, für mich privat. Dann habe ich meine Tapes zum Radio geschickt und es folgte eine Praktikumszeit beim Rundfunk, danach habe ich Schauspiel studiert, wurde immer professioneller und konnte diese Neigung professionell nutzen. Ich habe mit einem Hörspielteam zusammengearbeitet, das heißt Serotonin und die haben damals schon Hörbücher aufgenommen. Das erste bei dem ich mitgewirkt habe, da war ich einer von vier Sprechern, das war bei Nick Hornbys Long Way Down. Und dann habe ich mich einfach initiativ mit allem, was ich so hatte bei den verschiedenen Verlagen beworben. Dadurch kamen dann tatsächlich Aufträge auf mich zu. Und plötzlich wurde es mehr und mehr. Das ist ein schöner Weg und ich freue mich, dass dieser Traum in Erfüllung gegangen ist. Ich liebe diese Arbeit. Audible Magazin: Was ist für dich das Schöne am Geschichten hören? Kaminski: Ich liebe das Audiophile so sehr, weil es eine sinnliche Bereicherung ist, dadurch das etwas wegfällt. Die Fantasie wird beansprucht. Beim Fernsehen wird man voll bedient, beim Lesen ist man aktiv und entwickelt dabei Fantasie und beim Hören ist man passiv. Man lauscht einer schönen Stimme, die eine schöne Geschichte erzählt und lässt vor dem inneren Auge eine Welt entstehen. Das kann man ganz für sich genießen oder mit jemandem zusammen. Gemütlich, bei gedimmtem Licht… Das ist etwas unheimlich Sinnliches. Ich lese auch gerne, aber die Atmosphäre eines Hörbuches durch Musik und Geräusche, verschiedene Stimmen oder eine, die vielseitig zu erzählen weiß, das ist einfach eine ganz andere Welt, da gibt es keinen Vergleich zu. Es ist zu Recht ein Genre, dass an Stellenwert gewinnt, sodass es Plattformen wie Audible gibt. Audible Magazin: Noch eine letzte Frage: Was ist dein Lieblingsgeräusch? Kaminski (lacht): Och, Manno! Also, wenn ich mich jetzt für eins entscheiden müsste, würde ich sagen: Das Knastern eines herunterbrennenden Lagerfeuers. Audible Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

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