Über Neandertaler, Musik und Literatur

Audible: Man kannte dich bisher als den Musiker Thees Uhlmann. Jetzt bist du Autor. Aber du hast auch früher schon geschrieben (z.B. die Tocotronic-Tagebücher und für Musikmagazine) und auch in deinen Songtexten erzählst du Geschichten. Was bedeutet Schreiben für dich? Und wie unterscheidet sich das, was du vorher gemacht hast, vom Roman-Schreiben?

Uhlmann: Ach, Schreiben bedeutete mir bisher gar nicht so viel. Ich habe mich immer als Musiker und Sänger gesehen. Der Roman hat mit dem, was ich davor gemacht habe, eigentlich gar nichts zu tun.

Ich habe vor zwei Jahren angefangen, Sophia, der Tod und ich zu schreiben. Das hat dann eineinhalb Jahre gedauert bis es fertig war. Das war schon ein ganz schöner Ritt. Ein Roman ist schon etwas anderes, als einen Artikel für die Berliner Morgenpost zu schreiben, in dem es darum geht, wie es ist, Heavy Metal zu hören und mit seinem Kind auf dem Spielplatz zu sein. Solche Texte machen mir auch Spaß, aber vom Arbeitsaufwand und dem Gehirnschmalz, den man da investiert, kann man das nicht vergleichen.

Audible: In einem Telefonat mit deiner Lektorin hast du mal gesagt: „Ich kann das nicht, ich bin Musiker“. Wie kam es zu dem Roman Sophia, der Tod und ich? War es dein Traum, ein Buch zu schreiben oder hat man dich „gezwungen“?

Uhlmann: Also, ich habe meinen Vertrag bei KiWi vor 12 Jahren unterschrieben, aber da ist nie ein Buch bei rausgekommen. Ich hatte keine Energie dafür. Mir ist auch nicht recht was eingefallen. Klar war immer, dass ich kein Buch über Musik schreiben werde und auch nichts Autobiografisches.

Ich habe mich jedes Mal brav bei KiWi entschuldigt, wenn ich die getroffen habe und nach der zweiten Thees-Platte haben dann Rainer und Tobi aus meiner Band gesagt: „So, du schreibst jetzt dein Buch!“

Audible: Keine Musik mehr, bis du das Buch geschrieben hast!

Uhlmann: Genau. Und das war so schön, weil ich mich nicht auf dieses „Oh-ich-werde-jetzt-ein-Autor“-Ross setzen musste, sondern habe im Endeffekt nur Freunden einen Gefallen getan. Das hat für mich in meinem Kopf viel besser funktioniert.

Audible: Und die haben bei KiWi echt 12 Jahre gewartet?

Uhlmann: Ja, die sind ganz toll da. Meine Lektorin hat einfach gesagt: Es braucht die Zeit, die es braucht und das ist in Ordnung. Ich bin glücklich, dass ich bei diesem coolen Verlag bin.

Audible: Und wie ist es jetzt, als talentierter Jungautor aufzutreten? Was ist der Unterschied zwischen dem öffentlichen Auftreten als Autor und als Musiker?

Uhlmann: Naja, als Autor ist das Ganze ja noch reduzierter. Ich kenne es, mit einer Band auf der Bühne zu stehen. Das Alleine-Vorlesen finde ich schon ziemlich hardcore. Ich hatte mich eh schon sehr darauf gefreut, aber dass es mir so viel Spaß bringt, hätte ich nicht gedacht. Es hat so etwas Stammesmäßiges. Man kommt am Lagerfeuer zusammen und der Neandertaler, der am meisten erlebt hat, erzählt eine Geschichte und die anderen hören einfach zu. Dieses Rudimentäre daran gefällt mir sehr. Ich mache etwas, was die Menschen schon in der Steinzeit gemacht haben und das finde ich gut. Ab und zu schlafen ein paar Leute ein, aber das ist auch süß.

Audible: Du warst dieses Jahr auch das erste Mal auf der Frankfurter Buchmesse. Wie war das?

Uhlmann: Ich finde alle Sachen gut, die neu sind. Es war sehr beeindruckend für mich, wie groß das ist, was für verschiedene Verlage es gibt und so. Es gibt da zum Beispiel eine Gasse, in der alle christlichen, muslimischen und buddhistischen Buchverlage sind. Ich habe da einfach ganz viel Spaß gehabt und mich sehr gefreut meinen Freund Feridun Zaimoglu endlich mal wieder zu treffen. Es war toll.
Schildkröten-Style, Exfreunde und der Tod

Audible: Du erzählst die Geschichte von einem Typen, der im „Schildkröten-Style“ (immer Kopf einziehen und warten, dass es vorbei geht) lebt bis eines Tages der Tod vor der Tür steht und ihn mitnehmen will. Was passiert dann? Was für eine Veränderung macht die Hauptfigur durch?

Uhlmann: Die Geschichte ist eine Auseinandersetzung damit, was man in den letzten 48 Stunden seines Lebens machen würde. Es ist auch ganz witzig, wenn man sich das selbst mal fragt. Der Typ weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat und jetzt kommt er endlich aus seinem Schildkrötenhaus heraus und muss Sachen bewegen. Er muss sich von seiner Mutter verabschieden und will noch mal seinen Sohn sehen. Das Buch reflektiert auch relativ viel über die Liebe und über die Jahre, die vor diesen letzten 48 Stunden lagen. Dazu kommt dann noch dieser Typ, der die ganze Welt zum ersten Mal mit eigenen Augen sieht.

Audible: Und dieser Typ ist der Tod. Der führt in deiner Geschichte ein menschliches Leben und ist anfangs naiv wie ein Kind, das erst alles kennenlernen und entdecken muss. Stellst du dir selbst den Tod auch als eine Art „Person“ vor?

Uhlmann: Ich habe gar keine Vorstellung vom Tod. Ich habe nur für das Buch einen Tod erfunden, der so kindlich ist.

Audible: Kennst du die Geschichte vom Brandner Kaspar?

Uhlmann: Die kannte ich beim Schreiben noch nicht, aber ich habe mich jetzt zum Theater verabredet. Darin wird der Teufel ja mit Schnaps überlistet.

Audible: Ja, genau.

Was würdest du denn eigentlich machen, wenn der Tod vor deiner Tür steht und sagt, du hast noch 3 Minuten zu leben?

Uhlmann: Ich würde noch mal an der Elbe spazieren und mit meiner Tochter auf den Ponyhof gehen. Reiten macht sie glücklich und wenn sie glücklich ist, macht mich das auch glücklich. Da lass ich mich auch gern von ihr zusammenscheißen, weil ich das Pferd nicht richtig bürste. Und die Elbe ist einfach mein Lieblingsfluss. Ich finde die gut.
Der Affe im nächsten Disney-Film

Audible: Du hast auch das Hörbuch Sophia, der Tod und ich selbst eingelesen. Hast du so etwas schon mal gemacht?

Uhlmann: Das war das erste Mal, dass ich ein Hörbuch eingelesen hab. Ich habe ab und zu mal für Bonus-CDs kleine Geschichten von mir vorgelesen, aber noch nie so etwas Langes. Ich bin sehr dankbar, dass mein guter Freund Simon Frontzek Regisseur war, weil ich alleine das nicht so hinbekommen hätte. Der hat immer gesagt, hier musste lauter, da musste leiser und das machen wir noch mal, da warst du zu schnell. Wir haben echt ganz schön daran rumgeackert.

Audible: Wie kam es dazu, dass du das Hörbuch selbst eingelesen hast?

Uhlmann: Naja, Hörbücher sind in. Für uns als Plattenfirma war es interessant, mal ein Hörbuch zu machen und in andere Bereiche reinzuriechen. Wenn ich die Möglichkeit habe, etwas zum ersten Mal zu machen, mache ich das immer sehr gerne. Das Hörbuch ist für die Leute, die keine Lust oder keine Zeit zum Lesen haben.

Audible: Und wie lange wart ihr im Tonstudio? Wie war das Aufnehmen?

Uhlmann: Wir haben das in einer Woche gemacht. Ich wusste ja gar nicht, dass man sich tatsächlich heiser lesen kann. Das merkt man schon. Auch bei der Lesereise habe ich festgestellt, dass die Stimme nach fünf oder sechs Tagen ordentlich nach unten geht.

Audible: Und würdest du gerne noch weitere Hörbücher einlesen? Ist das was für dich?

Uhlmann: Das mache ich gerne noch mal. Ich fand das künstlerisch auch sehr interessant, dass man quasi die Zuhörer mit der Stimme überzeugen muss und dass man sie stimmlich schon auf etwas vorbereiten kann, was erst drei oder vier Seiten später passiert. Das ist schon geil. Wenn ich das Buch gut finde, würde ich gerne noch mal was einlesen. Ich wäre auch gerne der Affe im nächsten Disney-Film oder so.
Kinderberufswünsche, Gerüche im Treppenhaus und zurück in den Proberaum

Audible: Was wolltest du als Kind eigentlich werden? Musiker? Autor? Oder was ganz anderes?

Uhlmann: Mein Kinderwunsch war tatsächlich Showmaster. Ich war ein großer Rudi-Carell-Fan und ich mag es, Leute zu unterhalten. Aber den Beruf des Showmasters gibt es in Deutschland ja gar nicht mehr. Der ist ausgestorben. Aber ja, das war mein Kinderwunsch.

Audible: Ein bisschen in diese Richtung ist es ja gegangen.

Uhlmann: Ja, das stimmt. Ein bisschen in die Richtung ging es wirklich.

Audible: Noch mal zurück zum ersten Satz deines Buches: Bist du schon mal durch ein Treppenhaus gelaufen, in dem es nach frisch gebrühtem Kaffee roch?

Uhlmann: Nee, das habe ich noch nicht gemacht. Ich habe auch noch niemanden im Zug getroffen, der mein Buch gelesen hat. Das will ich eigentlich dieses Jahr noch erleben.

Aber ich bin neulich durch ein Treppenhaus gelaufen, in dem es wie bei meiner Oma in Hamburg Stellingen roch. Das war absurd. Ich habe das das letzte Mal gerochen als ich sechs war oder so. Es war exakt derselbe Geruch.

Audible: Ja, Gerüche sind stark mit Erinnerungen verbunden.

Uhlmann: Offensichtlich. Das war echt verrückt.

Audible: Was hast du denn als nächstes vor? Mehr Musik? Oder Literatur? Oder beides?

Uhlmann: Jetzt geht es erst mal wieder zurück in den Proberaum. Jetzt wird wieder Musik gemacht. Ich habe auch echt wieder Lust, mit meinen Leuten im Proberaum zu stehen und meine Jungs und mein Mädchen wiederzusehen. Aber ich habe auch wahnsinnige Lust zu schreiben.

Audible: Dann wünschen wir dir ganz viel Spaß bei deinen weiteren Plänen und Projekten und bedanken uns für das nette Gespräch.

Thees Uhlmanns ungekürztes Hörbuch Sophia, der Tod und ich gibt es zum Download.

Du hast noch nicht genug von Thees Uhlmann?

Dann hör ihn dir am besten als Hörbuch-Sprecher an.