Es gibt Menschen, die schon Schweißausbrüche bekommen, wenn sie einer Geburtstagskarte außer ihrem Namen noch einen individuellen Wunsch hinzufügen sollen - und dann gibt es Menschen, die nicht nur mit Leichtigkeit die Karte füllen, sondern auch eine Rede für den Jubilar aus dem Ärmel schütteln und die Geburtstagsrunde dazu bringen, ein selbstgedichtetes Lied mit Inbrunst vorzutragen. Der 48-jährige Tommy Krappweis ist jemand, der vor Kreativität und Energie nur so sprudelt und der seine nie zu Ende gehenden Ideen mit Begeisterung verfolgt.

Von Film- zu Hörbuchproduktion

Gebündelt wird diese Kreativität bei der Produktionsfirma bumm film in Otterfing, südlich von München. In einem großen Anwesen, das der ursprüngliche Erbauer mit neun Bädern versehen hat, arbeiten heute 22 festangestellte Mitarbeiter an Film- und Tonaufnahmen. „Wir haben uns von einer Filmproduktion über eine Medienproduktion zu einer inzwischen 80-prozentigen Hörspielproduktion gemausert“, fasst Krappweis die 25-jährige Firmengeschichte mal eben zusammen.

Aktuell feiert er im Hörspielbereich Erfolge mit Ghostsitter, Rufus T. Feuerflieg, Wunderwombat Waldemar, Bill Bo und seine Bande - und demnächst mit Kohlrabenschwarz. Zu den weiteren Höhepunkten zählen für bumm film auch aus früheren Jahren die ProSieben Märchenstunde, für die sie Drehbücher, Headwriting, Regie und Postproduktion lieferten und Bernd das Brot, das Tommy mit Kollege Norman Cöster für den Kinderkanal KiKa erfunden hat. 2004 gab es dafür einen Adolf-Grimme-Preis.

Das Pummeleinhorn

Brüder-Duo leitet die Geschicke der GmbH

Gemeinsam mit seinem Bruder Nico leitet Tommy Krappweis die Geschicke von bumm film. Nach und nach hat die Produktionsfirma Nico zusehends vereinnahmt. Hat er als gelernter Schreiner ursprünglich Dekos gebaut, fand sein Bruder Tommy immer weitere Aufgaben, seine Talente zu nutzen – sei es als Tontechniker, Mischer, Problemlöser und letztlich als kaufmännischer Geschäftsführer.

„Nico ist der ‚Herr Klärer‘ in der Firma. Er weiß fast immer, wie man etwas wieder zum Laufen bringt“, beschreibt Tommy Krappweis. „Oder zumindest weiß ich immer etwas dazu zu sagen“, scherzt Nico Krappweis.

Tommy Krappweis mit dem Pummeleinhorn

Mit Klassikern fing die Begeisterung für Hörspiele an

Tommy Krappweis Begeisterung für Hörspiele rührt schon aus Kindertagen. Damals hatten es ihm Pumuckl und Jim Knopf angetan, später dann Produktionen der BBC wie The Lord of the Rings und The Hitchhikers Guide to the Galaxy. Schon in jungen Jahren war er Hörspiel-Sprecher. „Aber kein Guter, glaube ich“, lacht er. „Sucht die Hörspiele besser nicht. Die sind nicht in Würde gealtert“, ergänzt Bruder Nico Krappweis augenzwinkernd. Ein paar Jahrzehnte später wissen die beiden nur zu genau, worauf es bei Hörspielen ankommt.

Entertainment für die ganze Familie

„Gleich unsere erste Produktion für Audible, Ghostsitter, war so ein irrer Erfolg – und das in einem für Deutschland sehr ungewöhnlichen Genre, dem Family-Entertainment“, erzählt Tommy Krappweis. „Wir möchten das machen, was Disney und Pixar machen: etwas produzieren, das sowohl Kinder als auch Erwachsene begeistert.“

Seit Sommer 2017 halten sich die Geschichten über den 14-jährigen Tom Röschenberg und den Bewohnern seiner geerbten Geisterbahn in den Besten-Listen bei Audible. Inzwischen sind acht Abenteuer mit Tom (Sprecher: Felix Strüven), Vampir Vlarad (Christoph Maria Herbst), Werwolf Welf (Detlef Tams), Gespenstermädchen Mimi (Paulina Rümmelein), Mumie Hop Tep (Karim el Kammouchi) und Zombie Wombie (Tommy Krappweis) erschienen.

Waren die ersten Ghostsitter-Abenteuer noch Buch-Adaptionen, hat sich der Prozess inzwischen umgekehrt: Nun schreibt Krappweis zuerst die Hörspiel-Scripts der Ghostsitter - um sie später in Buchform zu übertragen. Auch auf Englisch ist Ghostsitter inzwischen bei Audible verfügbar.

Ghostsitter: Die komplette 1. Staffel

Wie kritische Anmerkungen Verbesserungen bringen

Aktuell steht Kohlrabenschwarz in den Startlöchern – das bislang aufwändigste Hörspiel-Projekt von bumm film. Am 19. November wird es veröffentlicht. Die Idee dazu hat Tommy Krappweis mit Schauspieler Michael Kessler entwickelt. „Sein Wunsch war, einmal etwas mit Fantasy und Mystery zu machen. Und dann haben wir das Ding so grob besprochen: Ein Psychologe, der im Auftrag der Polizei Opfer von Verbrechen betreut, und dann in so eine unglaubliche Geschichte mit Märchen und Sagen hineinrutscht...“, fasst Tommy Krappweis zusammen.

Gemeinsam mit Christian von Aster hat er das Script geschrieben. Das hausinterne Lektorat, in Person seiner Ehefrau und Diplom-Psychologin Sophia, hat an einigen Stellen ordentlich den Rotstift angesetzt. „„Lieber Christian, lieber Ehemann – ihr seid zusammen nicht einmal ein schlechter Psychologe“, hat sie uns zurückgemeldet“, gibt Tommy Krappweis zu: „daraufhin haben wir es mit ihrer Hilfe entsprechend umgearbeitet.“

Und so ist die Figur des Psychologen Stefan Schwab nun deutlich stimmiger. Sophia Krappweis trägt einen wichtigen Teil dazu bei, den Output ihres Mannes in geordnete Bahnen zu lenken. „Nur über die Action-Szenen blättere ich hinweg. Da schreibe ich hin: Das musst du selbst wissen“, fügt sie lachend hinzu.

Kohlrabenschwarz

So funktioniert Comedy am besten

Und wie wird aus dem Script nun ein Hörspiel? „Wir nehmen so viel wie möglich im Ensemble auf“, erklärt Nico Krappweis die Arbeitsweise. Will heißen, die Sprecher sprechen ihre Texte nicht unabhängig voneinander ein, sondern gemeinsam. „Gerade bei den ganzen Comedy-Geschichten ist das Timing ein essenzieller Faktor“, findet Post Production Supervisor Stephan Gossen.

„Bei allem, was ich schreibe, unterbrechen sich die Personen regelmäßig. Ich wüsste gar nicht, wie ich Comedy anders schreiben soll. Und wenn man so etwas einzeln aufnimmt, klingt das immer schlecht“, berichtet Tommy Krappweis. „Eigentlich ist generell die Frage: Wie viel agieren die Personen miteinander? Es ist immer besser, eine gemeinsame Aufnahme zu haben – auch wenn es teurer ist“, sagt Nico Krappweis. Die Sprecher wüssten es ebenfalls zu schätzen, zusammen spielen zu können.

Kreszenzia kommt - Die phantastischen Fälle des Rufus T. Feuerflieg 1

Lego im Einsatz

Doch mit den Aufnahmen ist es selbstverständlich nicht getan. „Es gibt verschiedene Stufen, in denen ein Hörspiel fertig gestellt wird – angefangen beim Schnitt, über Timing, Spezial-Effekte, Musik bis zum technischen Mastering“, erklärt Post Production Supervisor Stephan Gossen.

Damit das Team den Überblick behält, werden die Fortschritte für alle sichtbar an einer Wand auf dem Flur festgehalten. Auf montierten Lego-Platten ist im Ampel-System mit aufgesteckten Steinen zu erkennen, wie weit die Arbeit schon fortgeschritten ist. Personalisierte Lego-Figuren zeigen darüber hinaus an, wer sich gerade mit welchem Projekt beschäftigt.

Diese Liebe zum Detail ist bei bumm film allgegenwärtig. So leistet sich die Produktionsfirma auch einen eigenen Ausstatter. In dessen Werkstatt sammelt sich alles, was man so brauchen könnte, um Filmsets, Puppen oder Modelle anzufertigen. „Dadurch sind wir extrem flexibel und wahnsinnig schnell“, sagt Nico Krappweis. Als beispielsweise im Frühjahr die Anfrage kam, Einspieler mit Bernd das Brot mit Mund-Nasen-Schutz zu drehen, konnte bumm film die kurzen Sequenzen bereits am nächsten Tag liefern.

Apropos Corona: Auch auf den Aufnahmebetrieb hat die Pandemie selbstverständlich Auswirkungen. Glücklicherweise lassen sich verstärkte Hygiene-Maßnahmen in dem großen Anwesen einigermaßen gut umsetzen, indem beispielsweise Crew und Gäste unterschiedliche Aufgänge und Toiletten nutzen und die Ensemble-Aufnahmen auf mehrere durch Video miteinander verbundene Studios verteilt wurden.

Mit der entsprechenden Spezial-Software lassen sich die Ensemble-Aufnahmen sogar über Distanzen wie Otterfing – Hamburg umsetzen. „Dazu muss man allerdings schon entsprechend technisch versiert sein. Bis das Setup funktioniert, dauert es so zwei bis drei Sessions“, räumt Nico Krappweis ein.

Wie eine große Familie

Ob nun Cutter, Mediengestalter, Post Production Supervisor, Ausstatter, Drehbuchautor, Regisseure – sie alle tragen ihren Teil zum Erfolg der bumm film bei. „Hier haben alle eine Vollmeise“, beschreibt Krappweis lachend die Einstellungsvoraussetzung um ein wenig ernster zu ergänzen: „bei uns sind viele Leute gelandet, die sich vom normalen Medienbetrieb abgewandt haben und hier mit netten Leuten schöne Dinge machen.“

Das Team setzt sich zusammen aus Urgesteinen, halben Urgesteinen, eben jenen Profis, die sich schon an anderer Stelle verdient gemacht haben und Nachwuchs in Form von Auszubildenden und Praktikanten. „Wir halten wie eine Familie zusammen – auch in schweren Zeiten. Das gibt es nur ganz selten“, schwärmt Nico Krappweis.

Tommy Krappweis im Studio

Tommy und die wilden Mikrofone

Was sein Bruder neben Hörspielen, Filmproduktionen und Büchern sonst noch am Laufen hat? Viel Energie steckt Tommy Krappweis in den Twitch-Kanal „WildMics“. Auf dem Live-Streaming-Videoportal Twitch ist sein Kanal Nummer 1 bei „Podcast & Talk“. Was hinter den „wilden Mikrofonen“ steckt? „Seit Jahrzehnten wollte ich ein Format machen, bei dem der Moderator nicht so tut als ob er schon alles weiß. Es geht mir auf die Nerven, dass Moderatoren mit ihren Kärtchen dasitzen und sagen: „Aber Sie hatten doch...“ und „Ist es nicht eher so...““, sagt Tommy Krappweis.

Bei „WildMics“ übernimmt er also die Rolle eines Ahnungslosen, der sich Sachverhalte von Experten möglichst verständlich erklären lässt. Derzeit haben knapp 22000 Menschen den Kanal abonniert. „Schön wäre, wenn wir mittelfristig bei 50000, 60000 ankommen, damit es sich auch rentiert.“ Und ein weiteres Ziel hat Tommy Krappweis für „WildMics“ im Auge: einen Grimme-Online-Award. „Gefälligst“, setzt er grinsend hinterher.

Zurück ins Bewegtbild-Business

Ohnehin: An Zielen mangelt es ihm ebensowenig wie an Ideen: Für „Ghostsitter“ wünscht sich Tommy Krappweis eine Fernsehserie, auch in „Kohlrabenschwarz“ sieht er das Potenzial für eine Streaming-Serie und es sieht so aus, als wäre er damit nicht ganz alleine.

Mit so vielen parallel laufenden Projekten sind Auszeiten schwer zu vereinbaren. „Mein Bruder hat seit 25 Jahren keinen dreiwöchigen Urlaub mehr gemacht“, sagt Nico Krappweis. Worauf sein Bruder kontert: „So ist das, wenn man das Hobby zum Beruf macht.“