Der geschiedene, depressive Trinker. Der coole, durchtrainierte Frauenheld. Die kluge, aufmüpfige Forensikerin. Der gemütliche Kommissar alter Schule. Das sind so die üblichen Standard-Ermittler, die in Variationen durch viele Krimis oder Thriller streifen und uns - verdientermaßen - immer wieder bestens unterhalten.

Es gibt aber auch Ausnahmen: Schräge Vögel, düstere Gestalten und kuriose Cops, die Verbrechen auf unorthodoxe Art und mit ganz besonderen Talenten (oder trotz Handicaps) aufklären. Sie sind es, die das Spannungsgenre besonders bunt und interessant machen und mit ihren Besonderheiten oft zu geliebten Serienhelden und -heldinnen werden. Ihr möchtet sie kennenlernen? Dann haben wir hier mal ein paar Steckbriefe für euch:

Krimi Ermittler: Sorgenkinder und Hochbegabte

Ein cleveres Köpfchen gehört zu einem guten Krimi Ermittler immer dazu, oder eine außergewöhnliche Begabung. Das Alter spielt dabei nur bedingt eine Rolle wie die 11-jährige Flavia de Luce beweist: Mit ihrer Familie auf einem britischen Landsitz in den 50er Jahren lebend, klärt die chemiebegeisterte Hobby-Detektivin - sehr zum Verdruss des ewig hinterher hinkenden Inspektor Hewitt - morbid-humorige Mordfälle auf - und nutzt ihr Wissen über Gifte und chemikalische Reaktionen nebenbei gerne für Rachefeldzüge gegen ihre verhassten Schwestern. Die Krimireihe des Kanadiers Alan Bradley, die 2009 mit Mord im Gurkenbeet begann und insgesamt zehn Teile umfasst, ist alles andere als für kleine Kinder geeignet und stattdessen ein mörderisches Vergnügen für alle Großen.

Hochbegabt auf ganz andere Art und Weise ist Agent Nick Cooper aus der Die Abnormen-Trilogie von Marcus Sakey. Geboren als einer der “Genialen”, die in diesem Science-Fiction-Thriller ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, kann er die Bewegungen von Menschen vorausahnen: das Ziehen einer Waffe, die Schlagrichtung einer Faust, aber auch den Fluchtweg eines Verdächtigen durch eine Menschenmenge. Das prädestiniert den Spezialermittler für die Jagd auf andere, kriminell gewordene “Abnorme”.

Ein Unfall ist dagegen Schuld an der neurologischen Besonderheit von Amos Decker: Er kann nichts mehr vergessen. Das ist als Krimi Ermittler hilfreich, zerbricht ihn aber, als seine Familie ermordet wird und er kein Detail des schrecklichen Traumas aus seinem Gedächtnis mehr löschen kann. Obdach- und mittellos, rafft er sich in Memory Man von David Baldacci ein Jahr nach der Tat wieder auf die Füße, als der nie gefasste Täter abermals ein Massaker anrichtet.

Von Geburt an anders gestrickt ist das Kommunikationsverhalten von Leander Lost, deutscher Kommissar aus Hamburg, der für ein Jahr an die portugiesische Algarve versetzt wird: Als Asperger-Autist gibt er seinen Kollegen mit seinem Verhalten so manches Rätsel auf und hat es auch nicht immer leicht; mit seinem Blick für Details, seinem extrem guten Gedächtnis und seinem Sinn für Logik ist er kriminalistisch allerdings ein Gewinn für das Team.

Mord im Gurkenbeet
Die Abnormen
Memory Man
Lost in Fuseta. Ein Portugal-Krimi

Urban Fantasy Cops: Die dunkle Seite der Macht

Weniger sonnig zu geht es bei den Schnüfflern, die sich mit den besonders dunklen Seiten des Verbrechens auseinandersetzen müssen und es dabei mit Monstern, Vampiren, Göttern und sonstigen nicht gerade alltäglichen Tätern aufnehmen. An ihrer Seite haben sie dabei magische Waffen, das zweite Gesicht und deftige Zaubersprüche. So kämpft etwa Geisterjäger John Sinclair ausgestattet mit einem silbernen Kreuz und einer geweihten, mit Silberkugeln geladenen Beretta als Special Agent für Scotland Yard gegen sämtliche Ausgeburten der Hölle und den Untergang der Welt. Die Hörspiele von Jason Dark sind ein Stöhn-, Kreisch- und Retro-Grusel-Fest für alle Kassettenkinder und bieten als Schmankerl in der Classics-Reihe James Bond Dietmar Wunder als John Sinclair.

Britischer und witziger sind die mit Formularen, Notfall-Schokoriegeln und Latein-Paukerei verbundenen Fälle von Constable Peter Grant. Der darf als Polizist und Zauberlehrling zusammen mit dem stets korrekt gekleideten Inspector Nightingale ausgeflippte Londoner Fluss-Gottheiten, bösartige Einhörner und Gesichter zerschmelzende abtrünnige Magier unter Kontrolle bringen - stets verbunden mit dem zugehörigen Papierkram. Doctor Who-Autor Ben Aaronovitch begeistert in bisher sieben Teilen plus zugehöriger Novellen, Graphic Novels und Hörspiele eine wachsende Fangemeinde der Urban Fantasy/Police Procedural-Krimis.

Die Hand reichen kann er sich mit Paul Cornell und der von ihm geschaffenen bunten Truppe der Londonder Shadow-Police: Das Team rund um DI James Quill erhält durch Kontakt mit magischem Boden das “zweite Gesicht” und sieht die britische Hauptstadt plötzlich von einer ganz anderen, mit Alpträumen bevölkerten Seite. Düsterer und humorloser als Ben Aaronovitch, sehen wir mit James Quill Tote und decken in Teil 3 der Reihe sogar den Mord an Sherlock Holmes’ Geist auf.

Ein amerikanischer Kollege mit ähnlichen Problemen ist Harry Dresden. Sein Pflaster ist Chicago, wo er sich bei den Ermittlungen mit seinem klugscheißenden Sidekick, einem Geisterschädel namens Bob, nervigen Vorschriften und übersinnlichen Ermittlungshelfern rumplagen muss. Und weil Harry Schwingungen ausstrahlt, die sämtliche Elektronik killen, muss er dabei auch noch in einem uralten VW durch die Gegend fahren. Satirische Urban Fun-tasy von Jim Butcher, aus der zu Recht eine Kultreihe wurde.

Der Anfang
Die Flüsse von London
London Falling
Sturmnacht

Ohne Marke, aber mit Herz und Verstand

Nicht ganz freiwillig stolpert diese Sorte Krimi-Ermittler regelmäßig an Tatorten über Leichen, Vermisste und verschwundene Gegenstände. Dabei erwacht - ebenso regelmäßig - die Abenteuerlust in ihnen. Oder zumindest das Pflichtgefühl, zu beenden, was sie angefangen haben. Was diesen Spürnasen fehlt, ist zwar eine Polizeimarke, dafür zeichnet sie etwas anderes aus: Glück, Verstand und das Herz am rechten Fleck.

So will Tante Poldi sich eigentlich nur gepflegt in Sizilien zu Tode saufen, als sie in eine Mordermittlung gerät. Mit sizilianischem Lokalkolorit, einem charmant “münchnernden” Sprecher und gepfeffert mit einem sich anbahnenden Techtelmechtel zwischen der handfesten Tante und dem italienischen Commissario, hat die Reihe von Mario Giordano eine unfreiwillige Heldin zu bieten, die mit viel Herz Sommerlaune verbreitet.

Gegen seinen Willen in mörderische Schnitzeljagden hineingezogen wird in Dan Browns Mega-Seller-Thrillern immer wieder der Symbolologe und Harvard-Professor Robert Langdon. Sein Wissen über Religionsgeschichte und geheimnisvolle Symbole macht ihn zum Beteiligten an Hetzjagden durch Europas bekannteste Museen, Kathedralen und Kulturdenkmäler. Eine Art Indiana Jones in Nerd-Gestalt und mit Anzug statt Abenteurer-Hut. Wissen - so lehrt uns Robert Langdon - ist nicht nur Macht, sondern auch mörderisch.

Auch Dr. Siri Paiboun, ein Arzt im kommunistischen Laos, der die siebzig schon überschritten hat, hat sich das anders vorgestellt: Er wird vom Regime dazu verdonnert, als einziger Pathologe in Laos zu fungieren. Dabei gerät ihm und seinen ebenso “quereinsteigenden” Assistenten der ein oder andere verdächtige Todesfall unters Seziermesser und Dr. Siri kann seine neugierige Nase einfach nicht aus der Sache raushalten, obwohl ihm nur veraltetes Gerät und ein ganz und gar nicht kooperatives Polizeisystem die Angelegenheit schwer machen.

Tante Poldi und die sizilianischen Löwen
Illuminati
Dr. Siri und seine Toten

Im Namen Gottes und zu alten Zeiten

Er hat aus einem Mönch einen Mega-Star gemacht: Umberto Eco schuf mit dem Franziskaner William von Baskerville einen gewitzten, mittelalterlichen Ermittler, der im historischen Kriminalroman Der Name der Rose sinistre Morde zwischen Klostermauern aufklärt. Unter seiner Kutte stecken neben handfestem Gottesglauben vor allem ein gelehrter Verstand und der Mut, unangenehme Fragen zu stellen.

Eine weibliche Version dieser unerschrockenen, gottesfürchtigen Sorte Ermittler mit Abenteuerlust: Schwester Fidelma, irische Nonne im siebten Jahrhundert, kombiniert sich in der seit inzwischen neunzehn Jahren laufenden Reihe “Schwester Fidelma ermittelt” von Peter Tremayne messerscharf durch ein sattes, historisches Setting, im Schlepptau Ordensbruder Eadulf.

Wer gerne englische Hörbücher hört, kann spannende Zeiten unter Henry VIII und Thomas Cromwell erleben mit dem buckligen Anwalt Matthew Shardlake. Der muss sich zu Zeiten von Pest und blutigen Throngefechten durch politische Intrigen und gefährliche Missionen kämpfen als eine Art erster James Bond der britischen Krone.

Der Name der Rose
Dissolution
Nur der Tod bringt Vergebung

Berühmte Ermitteln mit Handicap

Es gibt solche Supercops wie Jack Reacher oder John Puller, die neben ihrer Spezialausbildung und ihrem Können auch noch einen perfekten, gestählten Körper zu ihrer Verfügung haben.
Davon ist bei Lincoln Rhyme nicht viel übrig. Nach einem “Berufsunfall” ist der FBI-Agent vom Hals ab querschnittsgelähmt und kann nur noch den Kopf und ein paar Finger bewegen. Das hält ihn aber nicht davon ab, vom Bett aus mit Hilfe der smarten, hübschen Polizistin Amelia als Assistentin trotzdem Serienkiller en masse zu überführen …

Nicht ganz so schlimm, aber dennoch schlimm genug erwischt hat es Cormoran Strike, dem beim Dienst als Militärpolizist in Afghanistan eine Bombe sein halbes rechtes Bein weggerissen hat und der jetzt auf einer Prothese als Privatdetektiv durch London humpelt. JK Rowling, die die Reihe unter dem Pseudonym “Robert Galbraith” schreibt, baut die ständige Belastung durch seine Behinderung glaubwürdig in die Fälle des Detektivs ein. Übrigens: Der neueste Fall, Weißer Tod, wird im September von der BBC verfilmt.

Besonderer Spürsinn: Nach einem missglückten Einsatz ist Elitepolizistin Jenny Aaron erblindet und arbeitet jetzt als Verhörspezialistin und Fallanalytikerin beim BKA. Ihr besonders Talent, zwischen den Zeilen zu “lesen” und ihr Gespür für Verborgenes machen sie in Endgültig von Andreas Pflüger neben ihren - etwas übertrieben wirkenden - Nahkampfkräften zu einer ganz speziellen Ermittlerin, die Hörern eine ganz andere Sicht-, beziehungsweise Hörweise vermittelt.

Der Knochenjäger
Der Ruf des Kuckucks
Endgültig

Literarische Crossover-Cops und tierisch gute Spürnasen

Macbeth. Den kennen wir als von Hexen heimgesuchten, machthungrigen Edelmann aus William Shakespeares berühmten Bühnenstück. Der norwegische Thriller-Autor Jo Nesbø hat ihn genommen, ihn in eine kugelsichere Weste gesteckt und zum coolen SWAT-Team-Leiter der Drogenfahndung in einer verregneten englischen Kleinstadt gemacht. In der modernen Adaption in Form eines düsteren Noir-Krimis erleben wir Macbeth in derselben tragischen Geschichte, aber mit Präzisionsgewehr anstatt Dolch.

Wer Sherlock Holmes ist, muss man nicht erklären. Aber nicht jeder weiß, dass der einen - ebenfalls furchtbar schlauen - Bruder namens Mycroft hat. Der macht in einer Hörspielreihe gemeinsame Sache mit Oscar Wilde, dem (realen) britischen Autoren und Dramatiker des 19. Jahrhundert, und zusammen lösen sie in Sonderermittler der Krone als widerspenstiges Duo schauerlich-unterhaltsame Fälle.

Die ungewöhnlichste Ermittlerin kommt zum Schluss: Miss Maple muss regelmäßig geschoren werden und macht “mäh”. Als klügstes Schaf ihrer Herde klärt sie in Glennkill und Garou von Leonie Swann gemeinsam mit ihren irischen Mit-Schafen und Leithammel Sir Richfeld Morde auf. Der humorvolle Tier-Krimi kam so gut an, dass Swann nachlegte: In Gray wird ein Dozent bei der Suche nach dem Mörder seines Studenten von Graupapgei “Gray” unterstützt.

Macbeth
Labyrinth der Angst
Glennkill
Gray

Weitere Krimis mit außergewöhnlichen Ermittlerfiguren

Es gibt natürlich noch weitere "Sonderermittler", die aus dem Rahmen fallen. Vom mysteriösen FBI-Agenten Aloysius Pendergast über Dirk Gently und seine holistische Detektei, von Hackerin Lisbeth Salander bis Decius Caecilius Metellus im alten Rom: Mit welchen ungewöhnlichen Cops geht ihr denn am liebsten auf Verbrecherjagd?

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