Er verstrickt sich in Widersprüche, verhält sich unlogisch oder berichtet von Tatsachen, die sich im Nachhinein als pure Fiktion entpuppen: der unzuverlässige Erzähler. Manchmal ist seine Wahrnehmung beeinträchtigt und er tappt genauso im Dunkeln wie die Hörenden – etwa, weil er sein Gedächtnis verloren hat. Dabei ist der unzuverlässige Erzähler nicht immer allein. In manchen Büchern erzählen mehrere Figuren dieselbe Geschichte völlig unterschiedlich.

Unzuverlässige Erzähler sind im Thriller-Genre besonders effektiv. Ohne einen neutralen Erzähler sind Hörende selbst aufgefordert, zu bewerten, zu interpretieren, zu urteilen. Sie müssen selbst herausfinden, was wirklich Sache ist oder wer von den Protagonisten Lügen auftischt.

Unzuverlässige Erzähler sind auffallend oft weiblich: Mal sind sie durchtriebene Femmes Fatales, mal (scheinbar) hilflose Opfer. Oft entspringen sie der Fantasie weiblicher Autorinnen. Warum besonders Frauen ein Faible für unzuverlässige Erzähler haben? Vielleicht stellen sie übliche Täter-Opfer-Narrative gerne auf den Kopf. Vielleicht sind sie aber auch besonders raffiniert – so raffiniert, wie ihre unzuverlässigen Erzähler.

Unzuverlässige Erzähler: Sind sie Opfer oder Täter?

Mimik

Hannah Herbst kann in der Mimik eines Menschen lesen wie in einem offenen Buch. Das macht sie zu einer gefragten Expertin bei Polizei-Verhören. Doch gerade, als sie in Folge einer Operation mit Erinnerungsverlust kämpft, wird Hannah mit einem besonders drängenden Fall konfrontiert: Eine Mörderin ist aus der Haft entflohen und sucht nun möglicherweise nach ihrem Sohn, um auch ihn umzubringen. Hannah muss die Täterin überführen, um den kleinen Paul zu retten. Doch auf die angeschlagene Ermittlerin wartet ein furchtbarer Schock…

Sebastian Fitzek hat sich für seinen nervenzerfetzenden neuen Thriller von Deutschlands bekanntestem Mimikresonanz-Experten beraten lassen. Das lässt diesen rasanten Fall umso authentischer wirken.

Die Vertraute

Lucy ist neun Jahre alt, als sie ihren kleinen Bruder zu einem Abenteuer verleitet, von dem er nicht zurückkehrt. Das traumatische Ereignis begleitet sie noch als erwachsene Frau. Mittlerweile ist sie mit Dan verheiratet und eine erfolgreiche Krimiautorin. In ihrem Kopf sitzt allerdings noch immer ihre imaginäre Kinderfreundin Eliza, die ihr mittlerweile als Ermittlerin dient. Als Dan ein Haus in der Nähe des Waldes kauft, in dem Lucys Bruder verschwand, beginnt für Lucy ein Alptraum: Eliza erscheint ihr immer realer und übernimmt in kritischen Momenten die Führung. Als Dan auch noch verschwindet, zweifelt Eliza komplett an ihrem Verstand.

Ich weiß, wer du du bist

Ein Mann ist verschwunden. Schnell verdächtigt die Polizei seine Ehefrau Aimee, die etwas zu verbergen scheint. Tatsächlich hat es gute Gründe, warum die Schauspielerin wortkarg wird, sobald es um ihre Vergangenheit geht: Aimee hütet ein dunkles Geheimnis, das sie mit niemandem geteilt hat. Nun wird ihr klar, dass irgendjemand über sie Bescheid weiß und sie in großer Gefahr schwebt.

Ich weiß, wer du bist lässt Hörende lange im Dunkeln darüber, wer Aimee eigentlich ist – das Opfer einer Intrige oder eine abgebrühte Mörderin? Autorin Alice Feeney spielte das Verwirrspiel bereits hervorragend in Manchmal lüge ich, bei dem die Erzählerin im Koma gefangen ahnt: Derjenige, der sie in diese hilflose Lage gebracht hat, trachtet ihr noch immer nach dem Leben.

The Woman in the Window: Was hat sie wirklich gesehen?

Nach einem traumatischen Erlebnis verlässt Anna Fox ihr schönes großes Haus in New York nicht mehr. Sie chattet mit Fremden, trinkt zu viel und beobachtet ihre Nachbarn durchs Fenster. Bis eines Tages das Ehepaar Russel mit seinem Sohn ins Haus gegenüber einzieht. Beim Anblick der Familie vermisst sie ihr früheres Leben mehr denn je. Kurze Zeit später wird Anne Zeugin eines brutalen Überfalls. Sie will helfen, schafft es aber nicht, das Haus zu verlassen. Die Panik holt sie ein und ihr wird schwarz vor Augen. Als sie aus der Ohnmacht erwacht, glaubt niemand ihrer Schilderung. War alles nur Einbildung – was hat The Woman in the Window wirklich gesehen?

A.J. Finns Mystery-Thriller wird von der deutschen Schauspielerin Nina Kunzendorf herausragend gelesen. Die Story im besten Hitchcock-Style wurde mit Amy Adams, Julianne Moore und Gary Oldman verfilmt.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Jeden Morgen wacht Christine neben einem Fremden auf. Sie kann keine neuen Eindrücke speichern und verliert alle Erinnerungen, sobald sie einschläft. Wer sie ist, was sie gerne mag, wen sie liebt – in Ich. Darf. Nicht. Schlafen von S. J. Watson wird Christines Gedächtnis über Nacht gelöscht. Zwei Männer stehen ihr zur Seite: Ehemann Ben und ihr Neurologe Dr. Nasch. Sie erzählen seltsamerweise unterschiedliche Versionen von dem Unfall, der zu ihrem Gedächtnisverlust führte. Wem von den beiden kann sie wirklich vertrauen – oder ist sie ganz auf sich allein gestellt?

Unzuverlässige Erzähler: Wer spricht da bitte?

Fenster zum Tod

Bei einem virtuellen Spaziergang durch Manhattan beobachtet Thomas Kilbride etwas Furchtbares: An einem Fenster steht ein Mensch mit einer Plastiktüte über dem Kopf. Erinnerungen werden in ihm wach, vor Jahren hat Thomas etwas Ähnliches erlebt. Sein Trauma und seine Todesangst sind wieder da. Thomas ist fest davon überzeugt, dass er einen Mord beobachtet hat. Doch am nächsten Tag ist die Aufnahme verschwunden und niemand glaubt ihm. Thomas leidet an Schizophrenie und ist nicht unbedingt ein zuverlässiger Augenzeuge …

In Fenster zum Tod verwebt Linwood Barclay meisterhaft verschiedene Erzählstränge zu einem großen Ganzen und zeigt in bester Hitchcock-Tradition, dass nichts so ist, wie es scheint.

Elizabeth wird vermisst

Maud sucht nach ihrer Freundin Elizabeth, die verschwunden ist. Das gestaltet sich schwierig, denn die alte Dame ist an Alzheimer erkrankt. Maud weiß nicht, ob sie sich selbst noch trauen kann. Ihre Umgebung erscheint ihr zunehmend rätselhaft und fremd. Dennoch macht sie sich entschlossen auf die Suche nach Elizabeth. Ihre Erinnerung führt sie dabei immer wieder in die Vergangenheit, in der schon einmal ein geliebter Mensch verschwand – ihre Schwester Sukey. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Fällen?

In Elizabeth wird vermisst beschreibt Autorin Emma Healey einfühlsam und gleichzeitig megaspannend die Lebenswelt einer zunehmend verwirrten Frau. Schauspielerin Katharina Thalbach lässt euch fühlen, wie verzweifelt und gleichzeitig entschlossen die Protagonistin ist.

Unzuverlässige Erzähler: Manchmal trauen sie nicht einmal sich selbst

Girl on the Train: Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich

Rachel ist geschieden und Alkoholikerin. Obwohl sie ihren Job verloren hat, pendelt sie jeden Morgen mit dem Zug nach Manhattan, sie ist das Girl on a Train. Auf der Strecke hält der Zug immer an der gleichen Stelle an und Rachel beobachtet die Bewohner der umliegenden Häuser. Ein junges Paar weckt Rachels Interesse besonders, sie nennt Jess und Jason. Die beiden führen scheinbar genau das Leben, um das Rachel sich betrogen fühlt. Eines Tages sieht sie jedoch etwas Schockierendes, weiß aber nicht, ob sie ihrer eigenen Beobachtung trauen kann. Dann liest sie in der Zeitung, dass „Jess“ verschwunden ist.

Paula Hawkins macht es euch nicht leicht, Rachel zu mögen. Sie hat ihr eigenes Leben an die Wand gefahren und wird von alkoholgeschwängerten Emotionen und Entscheidungen gesteuert. Lange weiß man nicht, wer Rachel wirklich ist: Beobachterin oder Täterin. Ein Mega-Nervenkitzel!

Gone Girl

Wie gut kennt man eigentlich den Menschen, den man liebt? Das fragt sich Nick am Morgen seines fünften Hochzeitstages, an dem seine Frau Amy spurlos verschwindet. Nach außen schien die Ehe perfekt, doch dann taucht Amys Tagebuch auf: In ihren Aufzeichnungen beschreibt sie ihn als untreu, gefühlskalt und gewalttätig. Die Polizei glaubt bald, dass Nick Amy getötet hat, um mit einer Lebensversicherung seine finanziellen Probleme zu lösen. Doch unschuldig an dem Drama ist Amy nicht, das wird dem Hörer von Gone Girl in diesem packenden Katz-und-Maus-Spiel allmählich klar.

Gillian Flynns weltberühmter Thriller zeigt, wie oft man zu blind ist, um die Wahrheit zu sehen – gerade in der Liebe. Vorgelesen wird das Hörbuch von den deutschen Schauspiel-Größen Christiane Paul und Mathias Koeberlin.

Eisige Schwestern

Der tragische Unfalltod ihrer sechsjährigen Tochter Lydia hat Sarah und Angus gezeichnet. Psychisch angeschlagen versuchen sie ein Jahr später auf einer schottischen Insel einen Neuanfang. Doch die Zwillingsschwester der toten Lydia weigert sich in Eisige Schwestern hartnäckig, ihre Rolle im scheinbar wiederhergestellten Familienidyll zu spielen: Kirstie behauptet, sie sei in Wirklichkeit Lydia. Schließlich braut sich in dem Thriller von S.K. Tremayne ein realer Sturm zusammen, der symbolisch alle Täuschungen hinweggefegt und ein verstörendes Familiengeheimnis freilegt.

Unzuverlässige Erzähler im Hörbuch: Wer sind sie wirklich?

Die Witwe

Jean ist eine unscheinbare Frau, die ihrem supernetten Ehemann Glen immer den Rücken freihält. Bis dieser tragisch verunglückt – und die Presse ein entsetzliches Verbrechen wieder hochkocht, das er einst begangen haben soll. Jean wird klar, dass sie nicht länger schweigen muss: Sie beschließt, der jungen Journalistin Kate von ihrem Leben mit Glen zu erzählen. Kate wittert eine sensationelle Story. Ihr ist allerdings nicht klar, dass Die Witwe ihr Schweigen nicht ohne Grund bricht. Wusste sie etwa die ganze Zeit, wer der Mann an ihrer Seite wirklich war?

Autorin Fiona Barton lässt euch der Wahrheit immer wieder ein Stück näher kommen, um dann doch zu überraschen.

Shutter Island

Der US-Marshall Edward Daniels und sein Partner Chuck untersuchen auf der Insel Shutter Island das spurlose Verschwinden einer geistig verwirrten Kindermörderin aus einem psychiatrischen Spezialgefängnis. Dabei verdichtet sich der Verdacht, dass in dem Gefängnis verbotene Experimente an den Insassen durchgeführt werden. Bis zuletzt verschwimmen in dem englischsprachigen Hörbuch von Dennis Lehane Wahnvorstellung und Realität, da Edward Daniels während der Ermittlungen mit Albträumen und Halluzinationen kämpft. Können die Hörenden ihm glauben oder sind seine Beobachtungen Teil seines Verfolgungswahns?

Weitere Hörbücher mit unzuverlässigen Erzählern

Viele Genres feiern den unzuverlässigen Erzähler mit seinem subversiven Potenzial: Traditionelle Krimis wie Agatha Christies Alibi, Belletristik-Romane wie Abbitte von Ian McEwan und natürlich Psychothriller. Falls du Audible noch nicht ausprobiert hast: Im Probemonat streamst du unbegrenzt tausende von HörbüchernHörspielen und Original Podcasts. Zusätzlich erhältst du einen kostenlosen Titel, den du für immer behalten kannst.