Henning Ahrens, Klaus Fritz, Susanna Roth – schon mal von ihnen gehört? Nein? Komisch, dabei haben doch Millionen von Deutsche schon Wörter gelesen, die sie zu Papier gebracht haben, und Hörbücher gehört, die auf ihren Texten basieren.

Henning Ahrens war es, der deutschen Leser Jonathan Safran Foers bewegendes Werk „Extrem laut und unglaublich nah“ zugänglich machte. Mit Klaus Fritz sind viele von uns sogar aufgewachsen: Er übertrug die Harry-Potter-Bücher vom Englischen ins Deutsche. Susanna Roth übersetzte Milan Kunderas philosophische Betrachtungen in „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“.

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
Extrem laut und unglaublich nah

Selten gewürdigt: die Arbeit von Übersetzern

Und doch: Gehört haben bislang die wenigsten von uns von diesen drei. Das dürfte daran liegen, dass die Arbeit von Übersetzern kaum wahrgenommen wird. Selbstverständlich ist uns klar, dass eine J.K. Rowling nicht auf Deutsch schreibt. Dass hinter einer Übersetzung allerdings weitaus mehr steckt, als einen Text durch eines der gängigen, kostenlosen Übersetzungsprogramme im Netz zu jagen, dessen sind sich viele nicht bewusst.

Dabei ist der Übersetzer eigentlich ähnlich wichtig wie der Interpret eines Musikstücks oder der Sprecher eines Hörbuchs. Auch sie interpretieren eine Geschichte auf ihre ganz eigene Art und Weise, betonen einige Wörter mehr als andere, fügen mit ihrer Stimme Nuancen hinzu, an die der Autor selbst vielleicht gar nicht gedacht hat.

Klingt wie das Original – die gute Übersetzung

Doch wie erkennt man sie, die guten Übersetzungen? „Man kann eine gute Übersetzung nur daran erkennen, dass man nicht merkt, dass es eine Übersetzung ist“, so Barbara van den Speulhof, die selbst Kinderbuchautorin ist, aber auch Erzähltexte für Hörbücher und Hörspiele schreibt und dadurch immer wieder mit übersetzten Werken in Berührung kommt. Sie findet: „Übersetzer leisten fantastische Arbeit, die genauso kreativ ist, wie die eines Autors.“

Beim Übersetzen geht es längst nicht nur darum, für ein Wort in einer anderen Sprache das passende deutsche Äquivalent zu finden. Bestsellerautorin Cornelia Funke findet: „Im Deutschen ist es sehr, sehr schwer, große Themen oder Gefühle auf leichte Weise zu schreiben, das wird immer gleich gewichtig. Da muss man ganz anders mit umgehen im Deutschen.“

Als sie kürzlich ihr erstes Buch auf Englisch geschrieben hat, das dann ins Deutsche übersetzt wurde („Das Labyrinth des Fauns“), hat sie auch an der deutschen Fassung noch einmal mehrere Wochen gearbeitet – und dass, obwohl diese sehr gut übersetzt worden war, wie sie selbst sagt.

Das Labyrinth des Fauns
Harry Potter und der Stein der Weisen - Gesprochen von Rufus Beck

„Gute Übersetzer müssen in die Seele der Geschichte eindringen“, findet Barbara van den Speulhof. Dafür brauchen sie gewisse Freiheiten, um den Transfer von einer Kultur in die andere elegant zu bewältigen.

„Gute Übersetzer müssen in die Seele der Geschichte eindringen.“

Barbara van den Speulhof

Natürlich wollen wir als Leser etwas von der Kultur des Landes mitkriegen, in dem die Geschichte, die wir lesen, spielt. „Aber nicht immer ist alles verständlich“, sagt die Kinderbuchautorin. Insbesondere Humor ist oft schwer übertragbar: „Die Engländer zum Beispiel trauen sich auch im Kinderbuch viel schwarzen Humor, da braucht es eine mutige deutsche Übertragung, damit der für uns verständlich wird.“

Übersetzen heißt Freiheiten gestatten

Heutzutage wird behutsamer mit den Freiheiten umgegangen, die Übersetzer sich nehmen, als noch vor einigen Jahrzehnten. Harry Potter beispielsweise darf, wie im Original auch, in England spielen. Als Enid Blytons Bücher übersetzt wurden, wurden derartige Details weniger beachtet: „Hanni und Nanni“ beispielsweise findet ursprünglich in einem englischen Internat statt, in dem die Mädchen die in Deutschland nur wenig bekannte Sportart Lacrosse spielen und Schuluniform tragen. Und überhaupt, Hanni und Nanni heißen im Original ganz anders – Pat und Isabel nämlich.

The Twins at St Clare's
Der Zauberwald

„In den sechziger, siebziger Jahren hatte man ganz andere Vorstellungen davon, wie man deutschen Kindern eine Geschichte näherbringt“, vermutet Barbara van den Speulhof.

Handlungsorte werden heutzutage beispielsweise nicht mehr geändert. Kleine sowie große Leser können also mühelos in andere Kulturen eintauchen, können verreisen, ohne das Haus verlassen zu müssen. Und genau das, findet Barbara van den Speulhof, ist es doch, was Bücher zur besten „Medizin gegen Fremdenfeindlichkeit und eingeschränktes Denken“ macht.