Ganze 31 Jahre arbeitet Jörg Klinkenberg schon als Geräuschemacher. Max Raabe singt das Lied: „Mein Bruder macht im Tonfilm die Geräusche“ und genau so einen Bruder hatte Jörg Klinkenberg auch. Der brachte ihn vor 32 Jahren dazu, diesen Beruf zu ergreifen. Ich habe mit Jörg über seinen Werdegang und das kreative Handwerk gesprochen.

Wie wird man überhaupt Geräuschemacher?

Geräuschemacher ist kein Ausbildungsberuf im klassischen Sinne. Früher war es so gewesen, dass man sich einen Altmeister suchte und von ihm lernt. Der nimmt einen dann unter seine Fittiche, man läuft mit ihm mit, beobachtet und lernt. Mein Bruder war fest bei einer Firma angestellt, die hieß Deutsche Synchron. Dort machten sie viel Fernsehen gemacht und sie suchten noch einen Geräuschemacher. Ich sollte dann also ein Jahr lang mit meinem Bruder durch die Studios ziehen und lernen. Nach einem halben Jahr hieß es dann: So, jetzt hast du genug geguckt, jetzt machst du es bitte selber.

Was sind die häufigsten Geräusche, die du vertonst und wie macht man diese?

Das Häufigste, was man macht, das sind die so genannten Human-Touch-Geräusche, also menschliche Schritte und Bewegungen. Es gibt beim Film zwar den Originalton, aber in der Regel ist es so, dass der Ton im Nachhinein nochmal produziert wird. Der Originalton und der Ton des Geräuschemachers werden der Mischung angeboten und die entscheiden dann am Ende, ob sie es übereinanderlegen oder einzeln verwenden oder nur etwas verstärken wollen – was immer eben am besten klingt.

Schritte vertone ich häufig. Ich habe einen Koffer mit sehr vielen verschiedenen Schuhen. Frauenschuhe, Männerschuhe, abgetretene Sohlen, neue Schuhe … Die Schritte mache ich auf einer Trittfläche. Entweder ist diese Trittfläche transportabel oder ich komme in ein Studio, in dem diese fest installiert sind und arbeite dort. In der Regel hat man eine feste Trittfläche, aus Stein und Holz. Wenn ich aber zum Beispiel einen Untergrund aus Sand brauche oder Kies, dann arbeite ich mit Säckchen, die mit dem entsprechenden Material gefüllt sind. Wenn ich Schritte im Schnee produziere, dann laufe ich über Mondamin, also Speisestärke, das erzeugt diesen knarzenden Sound. Wenn der Schnee frisch gefallen ist, dann mische ich zum Mondamin Cornflakes. Und wenn der Schnee matschig sein soll, dann laufe ich über eine Art nassen Lederlappen, das quietscht dann so ein bisschen und klingt feucht. Den Sound mit dem nassen Lederlappen nutze ich übrigens auch für die klassische Szene, in der jemand in einen Hundehaufen tritt.

Der Trek nach Westen 1

Wenn ich Tierschritte vertone, dann mache ich das mit meinen Händen. Seit den Rittern der Kokosnuss wissen wir alle, dass Pferdeschritte sehr gut mit Kokosnüssen vertont werden können. Wenn ich als Hund unterwegs bin, dann laufe ich über eine Perlenkette, da kann man die Krallen so schön hören. Die Katze kann die Krallen einziehen, deshalb läuft sie leise und dann benutze ich nur meine Handballen.

Was waren die absurdesten Geräusche, die du jemals vertont hast?

In der Frühzeit meiner Arbeit gab es ein Film, der hieß "Folge der Feder". Das war eine Feder, die über die marokkanische Wüste wanderte. Sie war zunächst groß im Bild, da habe ich es verstanden, dass ich die Feder vertonen soll. Aber sie flog immer weiter weg und es dauerte etwa drei Minuten, bis die Feder am Horizont verschwand. Bis zum Ende sollte man die Feder hören und das fand ich schon ein bisschen absurd.

Dann hatte ich noch eine Regiedebütantin, die sich wünschte, dass man Sand hört, der rieselt. Er sollte aber nicht über irgendeine Kante rieseln, er sollte auch nicht irgendwo auf dem Boden aufkommen. Die Sandkörner sollten in der Luft rieseln und sich dort berühren. Ich habe dann also feines Puppengranulat genommen und diese kleinen Plastikkügelchen habe ich in einen Kartoffelsack hineinrieseln lassen. Das war ein modernerer Kartoffelsack, nicht aus Leinen, sondern aus diesem gelben, netzartigen Material. Und wenn man es da hineingibt, dann hört man ein feines Rieseln, man hört aber nicht, dass es irgendwo unten aufkommt, weil die Netzstruktur die einzelnen Körnchen auffängt.

Arbeitest du immer alleine?

Nein, das Ganze ist ein kreativer Prozess, den ich mit einem Toningenieur durchführe. Der Toningenieur kann bei der Aufnahme mit seinen Reglern noch ganz schön viel herumzaubern, so dass ich mich manchmal selbst wundere, was da Tolles am Ende herauskommt. Manchmal ist noch ein Sounddesigner dabei oder ein Regisseur. Ich bekomme die Wünsche, wie sich das Geräusch anhören soll, und dann biete ich Verschiedenes an. Oft treffe ich sofort den richtigen Ton, manchmal muss man noch ein bisschen feinjustieren und herumprobieren. Nach 31 Jahren im Job arbeite ich oft auch mit den gleichen Personen zusammen und dann sind wir ein eingespieltes Team.

Der Prinzessin. Vier Geschichten über das Leben und Überleben

Welche Geräusche, die wir sofort erkennen, machst du mit ganz anderen Gegenständen?

Die Zuhörer und Zuschauer werden natürlich immer betrogen. Die Requisiten, die wir benutzen, entsprechen meist nicht dem Original. Wenn zum Beispiel in den Baumwipfeln die Blätter rascheln, dann habe ich im Studio natürlich keinen Baum oder Äste. Aber ich habe altes Schmalband, das ist das Band, auf dem früher der Ton gespeichert wurde. Im digitalen Zeitalter kennt man das ja gar nicht mehr. Ich bin damit noch groß geworden. Wenn ich das also von der Spule herunternehme, zerknülle und leicht durch meine Hände gleiten lasse, dann hört es sich an wie Blätterrauschen. Wenn ich das Tonband etwas mehr knete, dann klingt es wie ein leichter Landregen. Wenn ich dann noch kräftiger knete und meine Finger stärker einsetze, dann lodert ein Feuer. Tonband benutze ich beispielsweise auch für das Geräusch von einem Stück Steak, das gerade in die Pfanne geworfen wird und brutzelt.

Hast du Lieblingsgeräusche, die du vertonst?

Ich mache wirklich gerne Schritte. Außerdem das Quietschen von Fahrrädern: Es gibt diese größeren Weihnachtskugeln, die aus zwei Plastikhalbschalen bestehen. Die Reibung der zwei Halbschalen erzeugt original diesen Fahrradsound. Das habe ich mal zufällig entdeckt.

Ich hatte außerdem mal einen Film über eine magische Münze. Die Münze fiel herunter und kullerte durchs ganze Haus. Sie kullerte sie die Treppe hoch und wieder runter, über Teppich, über Stein und, und, und. Wenn man sowas etwas als Geräuschemacher bekommt, dann denkt man erst einmal: Um Gottes willen, wie soll das denn gehen?! Ich hatte zufällig einen Fleischklopfer aus Aluminium hier, von dem der Stiel abgebrochen war. Ich hatte also den Kopf des Hammers mit ein bisschen Stiel daran. Wenn ich den Kopf zwischen meine Finger nehme und dann mit dem Stielende über das entsprechende Material gehe, dann erzeugt das einen hohen Ton, der sich wirklich so anhört wie eine ganz feine Münze. Und mit dem Ding kann ich vor dem Mikrofon über Stock und Stein wandern.
Egal, ob Teppich, Stein oder Holz, es klingt immer dieser feine Ton durch. Das hat großen Spaß gemacht und seitdem habe ich mit Münzen überhaupt keine Probleme mehr.

Plan B

Hast du eine Halle voller Gegenstände? Wie groß ist denn dein Lager?

Ich habe tatsächlich ein Lager und da steht eine Menge drin. Da bin ich aber schon lange nicht mehr gewesen (lacht). Ich habe viel in Babelsberg gearbeitet in den Filmstudios. Da gibt es eine große Requisite. Die Wände sind etwa vier Meter hoch und bis unter die Decke lagern dort Gegenstände. Die meisten Sachen habe ich aber auf meinem Anhänger. Das ist so ein alter Feuerwehranhänger, mit dem ziehe ich von einem Studio zum anderen. Oft reicht aber auch der Kofferraum eines Passats. Ich weiß ja vorher, was gemacht wird und kann entsprechend packen.

Gibt es nach 31 Jahren noch einen Traum von einem Projekt, das du gerne mal machen würdest, oder hast du alles gemacht?

Eigentlich habe ich alles gemacht. Ob Kinofilm oder Fernsehen, da habe ich alles durch. Irgendwann kam das Hörspiel verstärkt dazu. Im Film und beim Fernsehen unterstützt man mit dem Ton das, was man sieht. Beim Hörspiel erschafft man durch den Ton eine eigene Welt. Was mir mittlerweile große
Freude bereitet, sind Live-Hörspiele, beispielsweise von der Lauscherlounge in Berlin. Anfangs waren das noch kleine Bühnen aber jetzt mit den Drei ??? bespielen wir auch riesige Hallen. Wenn man dann plötzlich in der Waldbühne vor 18.000 Leuten spielt, die Menschen unterhalten darf und geklatscht wird, dann ist das natürlich schon eine ganz andere Nummer als im Studio. Ich fühle mich sehr wohl mit den Sachen, die ich gemacht habe, und da sind wirklich viele Wünsche erfüllt worden.