Nacht für Nacht führt Chalid, der Kalif von Chorasan, eine Braut vor den Altar – und mit der Dämmerung jedes neuen Morgens lässt er sie hinrichten. Nichts, weder der Hass seines Volkes noch das Flehen der Todgeweihten, bringt ihn dazu, sein herzloses Spiel zu beenden. Bis er die Falsche zur Frau nimmt.
Doch ihr Plan steht auf wackeligen Beinen und Shazi weiß, dass sie vor allem eins braucht: Zeit. So greift sie in ihrer Hochzeitsnacht zu einer List. Sie bezaubert Chalid mit einer märchenhaften Erzählung, die sie an der spannendsten Stelle unterbricht, als der Morgen graut. Tatsächlich lässt der Kalif sie am Leben. Sharzad beginnt, ihren verhassten Ehemann Nacht für Nacht zu umgarnen. Ihr Plan geht auf.
Womit sie jedoch nicht gerechnet hat: dass sie selbst Chalid verfällt. Denn der Mann, der sich ihr zeigt, wenn sie allein sind, scheint gar nichts mit dem grausamen Kalifen von Chorasan gemein zu haben, der unzählige Frauen zum Tod verurteilt hat. Während Sharzad verzweifelt darum bemüht ist, ihren Racheschwur nicht zu vergessen, entdeckt sie, dass Chalid ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt. Gibt es etwas, dass ihn zu seinen grausamen Taten zwingt? Etwas, das Größer und Furchtbarer ist als der Kalif selbst?
Ein Mädchen, das sich in einen Mörder verliebt? Ist das der Stoff, aus dem Märchen sind?
Ist das eine Geschichte mit einer Moral, die wir heute wirklich hören wollen? Ahdieh wandelt mit ihrer Märchenadaption auf äußerst schmalem Grat.
Mit abgeklärter Ruppigkeit zogen die Hände Elfenbeinkämme durch Sharzads hüftlanges Haar und massierten ihr Sandelholzpaste auf die bronzefarbenen Arme, heißt es im ersten Kapitel.
Der Palast des Kalifen, die Zelte der Wüstenstämme, die prunkvollen Festgelage und die farbenprächtigen Seidengewänder der Figuren werden plastisch beschrieben und beschwören eine Welt, die sich wohltuend vom europäischen Pseudomittelalter abhebt, das sonst als Standardkulisse in der High Fantasy herhalten muss.
Ich für meinen Teil freue mich bereits auf die Wiederbegegnung mit liebgewonnenen Charakteren wie Shazi, willensstark und mutig, und ihre Dienerin Despina, die man trotz – oder vielleicht vor allem wegen – ihres frechen Mundwerks sofort ins Herz schließt.
Mit Zorn und Morgenröte werden Renée Ahdieh und Laura Maire selbst zu Sheherazades. Sie spinnen ihr Publikum ein in einer farbenprächtigen Märchenadaption, in der die Antwort auf Dunkelheit und Tod Hoffnung und Liebe ist.